Narben / Wundmanagement

Phagentherapie bei einem 16-jährigen Jungen mit Netherton-Syndrom (Teil 1)

Pikria Zhvania1, Naomi Sulinger Hoyle1, Lia Nadareishvili1, Dea Nizharadze1, Mzia Kutateladze2

1 Eliava Phage Therapy Center, Tbilisi, Georgien
2 G. Eliava Institute of Bacteriophages, Microbiology and Virology, Tbilisi, Georgien

Das Netherton-Syndrom (NS) ist eine seltene, autosomal rezessiv vererbte Erkrankung, die durch eine klassische Trias klinischer Merkmale gekennzeichnet ist, darunter kongenitale ichthyosiforme Erythrodermie, Trichorrhexis invaginata und atopische Diathese, verbunden mit häufigen bakteriellen Infektionen. Die genetische Grundlage für die Krankheit wurde kürzlich durch Mutationen im Gen SPINK5 identifiziert, das an der Regulierung der Bildung von Hautbarrieren beteiligt ist. In dieser Kasuistik wird über einen 16-jährigen Jungen mit allen typischen Symptomen von NS, einschließlich atopischer Diathese und ständiger schwerer Staphylokokken-Infektionen sowie einer Allergie gegen mehrere Antibiotika, berichtet, dessen Familie das Eliava Phage Therapy Center aufsuchte, als alle anderen Behandlungsmöglichkeiten versagten. Die Behandlung mit verschiedenen anti-staphylokokkalen Bakteriophagen-Präparaten führte zu einer signifikanten Verbesserung innerhalb von 7 Tagen und zu sehr deutlichen Veränderungen der Symptome und der Lebensqualität nach sechsmonatiger Behandlung, einschließlich erneuter Besuche im Eliava Phage Therapy Center nach drei und sechs Monaten fortgesetzter Phagenanwendung zu Hause.

Das Netherton-Syndrom (NS) ist eine angeborene Erythrodermie, die mit einer Vielzahl von klinischen Anomalien einhergeht und erstmals 1958 von E.W. Netherton bei einem Mädchen mit erythematöser schuppiger Dermatitis und „bambusartigen Knoten“ in ihrem spärlichen, brüchigen Haar beschrieben wurde. Kürzlich wurde nachgewiesen, dass bei dieser seltenen Krankheit Mutationen im Gen SPINK5 vorliegen, das für einen lymphoepithelialen Kazal-Typ-verwandten Inhibitor kodiert, einen Serinproteaseinhibitor, der an der Regulierung der Bildung von Hautbarrieren beteiligt ist. Das Syndrom ist insbesondere durch die Trias Ichthyosis linearis circumflexa, einen charakteristischen serpiginösen, wandernden, polyzyklischen Hautausschlag mit zweischneidigen Schuppen, gekennzeichnet; Trichorrhexis invaginata, eine Intussuszeption des distalen Haarschafts in den proximalen Teil („ball and socket“-Haarschaftdeformität); und atopische Diathese, die Asthma, atopische Dermatitis, allergische Rhinitis, anaphylaktische Reaktionen auf Nahrungsmittel (insbesondere Nüsse, Eier und Fisch), erhöhtes Immunglobulin E und/oder Hypereosinophilie umfassen kann. Gedeihstörungen, eine leichte Wachstums- und Entwicklungsverzögerung und Kleinwuchs sind ebenfalls häufig, wahrscheinlich als Folge des hohen Energiebedarfs aufgrund des schnellen Hautumsatzes, des erhöhten unempfindlichen Wasser- und Wärmeverlusts über die Haut und/oder der Enteropathie mit Zottenatrophie und Mangelernährung.

Neurologische Defizite, einschließlich Anfallsleiden und spastischer Diplegie, wurden ebenfalls berichtet, es können intellektuelle Defizite auftreten. Patient*innen mit NS haben auch ein erhöhtes Risiko für immunologische Defizite. Eine beeinträchtigte zelluläre und humorale Immunität mit selektivem Antikörpermangel (Hypo- oder Hypergammaglobulinämie) gegen bakterielle Polysaccharid-Antigene kann vorliegen, was zu wiederkehrenden sinopulmonalen, Haut- und systemischen Infektionen führt. Eine Heilung des NS ist nicht bekannt, so dass eine lebenslange Behandlung erforderlich ist. Die Krankheit wird von periodischen Exazerbationen unterbrochen. Hautbesiedlung und Sekundärinfektionen sind häufig. Die Erhaltungstherapie besteht in der Regel aus der Anwendung von topischen Steroiden und der Behandlung von Sekundärinfektionen mit topischen oder systemischen Antibiotika, je nach Bedarf.

Bakteriophagentherapie

Die Bakteriophagentherapie ist eine alternative Therapie, die in einigen Teilen der Welt, darunter vor allem in Georgien, seit langem erfolgreich zur Behandlung von Staphylokokken-Infektionen eingesetzt wird und in Zeiten der Antibiotikaresistenz weltweit auf neues Interesse stößt. Bakteriophagen sind bakterielle Viren, die spezifisch an ihren Wirt binden. Der Phage injiziert seine DNA in die Bakterienzelle und übernimmt den Wirt, um Phagen-Nachkommen zu produzieren, die bald darauf die Zelle lysieren und neue Phagen freisetzen, die daraufhin weitere bakterielle Wirte infiziert. Die Phagentherapie wurde bereits in der ehemaligen Sowjetunion, in Frankreich und in den USA erfolgreich als antibakterielle Behandlung eingesetzt, insbesondere in der prä-antibiotischen Ära. Ihre Anwendung beim Menschen wird nicht als experimentell angesehen, da sie dort schon lange eingesetzt wird. Im Zeitalter der Antibiotikaresistenz erfährt die Phagentherapie nun weltweit neues Interesse. Doch trotz ihrer langen Geschichte und ihrer offensichtlichen Sicherheit werden erst jetzt erste kontrollierte Doppelblindstudien durchgeführt, um ihre Wirksamkeit bei der Behandlung verschiedener Krankheiten nach modernen Standards zu belegen.

Das Eliava Phage Therapy Center wurde vor 7 Jahren von der Eliava Foundation gegründet, einer gemeinnützigen Organisation, die sich aus Eliava-Wissenschaftlern und dem Eliava-Institut zusammensetzt, gegründet, um den Einsatz von Phagen, die Dokumentation der Folgen und den Zugang zur Phagentherapie für Menschen aus anderen Ländern zu erleichtern und die Behandlung nach ihrer Rückkehr fortzusetzen.

Abb. 1a-c: Erscheinungsbild von Kopf und Nacken vor (l.) und nach 90 Tagen (m.) bzw. 180 Tagen (r.) Phagentherapie.

Vorstellung des Falles

MK, ein 16-jähriger Franzose mit Netherton-Syndrom (NS), antibiotikaresistenter chronischer Staphylococcus-aureus-Hautinfektion und Allergie gegen mehrere Antibiotikagruppen, wurde im Juli 2016 im Eliava Phage Terapy Center vorgestellt. Der Patient wurde als Vollgeburt vaginal geboren und hatte ein normales Gewicht und eine normale Länge. Wenige Tage nach der Geburt entwickelte er Hautrötungen und Schuppigkeit, die sich im Alter von 2 Monaten verstärkten, als er eine Erythrodermie und Dehydratation entwickelte. Zudem bildete sich ein trockener, dünner, gelber Film auf seiner Haut, der langsam seinen ganzen Körper bedeckte. Außerdem nahmen die schuppigen und sich ablösenden Hautstellen langsam zu. Hinzukommend traten Blepharitis, Veränderungen an Nägeln und Haaren sowie Keratose an den Handflächen und Fußsohlen auf. Zu seiner Krankengeschichte gehören Asthma bronchiale, wiederkehrende Nasennebenhöhlen- und Lungeninfektionen sowie periodische Staphylokokken-Hautinfektionen, die zu einem Krankenhausaufenthalt und einer Antibiotikatherapie in einem Kinderkrankenhaus in Frankreich führten. Der Patient besitzt zudem Allergien gegen die meisten Antibiotikagruppen (β-Laktame, Cephalo-Sporine und Makrolide), Salbengrundlagen (Vaseline und Lanolin) und Dexamethason, zusätzlich zu Nahrungsmittelallergien.

Seine Familie stellte fest, dass er einen kleinen Körperbau hat und dass sein Haar spärlich und kurz blieb sowie langsam wächst. Aufgrund einer ausgeprägten Dysphagie hat er eine PEG-Sonde zur Nahrungsergänzung. Die Tante mütterlicherseits und die Großmutter des Patienten leiden an lokaler Ichthyose; Mutter und Vater hingegen sind gesund.

Klinische Untersuchung

Bei der Untersuchung wurden körperliche Verzögerungen festgestellt (Körpergröße 150 cm, Gewicht 40 kg), während die intellektuelle Entwicklung normal war. Sein Haar war glanzlos, spärlich, wulstig und leicht brüchig, 4-5 cm lang, mit spärlichen Augenbrauen und Wimpern.

Die festgestellten Hautveränderungen waren typisch für NS: rissige, trockene Haut und der gesamte Körper war mit einem serpiginösen, gelblichen, dicken Film bedeckt, der im Gesicht und an den Knien stärker ausgeprägt war (vgl. Abb. 1a). Die straffe Haut schränkte die Beweglichkeit von Knien und Armen ein und verhinderte eine vollständige Streckung. Sowohl an den Handflächen als auch an den Fußsohlen wurde eine Hyperkeratisierung beobachtet. Außerdem litt er unter starkem Juckreiz.

Lesen Sie den zweiten Teil der Kasuistik in Ausgabe 4/2025 von DISKURS Dermatologie!