Atopische Dermatitis: Den Teufelskreis mit neuen therapeutischen Ansätzen durchbrechen
Das wachsende Verständnis der Pathophysiologie der atopischen Dermatitis (AD) hat therapeutische Ziele wie IL-4/13, IL 31 und den JAK/STAT-Signalweg identifiziert, die neue Perspektiven für die Behandlung der von dieser Erkrankung betroffenen Patienten eröffnen. JAK-Inhibitoren avancieren damit potenziell zum „Game-Changer“. Durch die unterschiedlichen Eigenschaften und Nutzen-Risiko-Profile dieser Wirkstoffe können, je nach Bedarf des einzelnen Patienten, individuelle Therapieentscheidungen getroffen werden. Bei einem Symposium im Rahmen der diesjährigen dermapraxis berlin widmete sich Prof. Dr. med. Diamant Thaҫi, Exzellenzzentrum Entzündungsmedizin der Universität zu Lübeck, der Januskinase (JAK) als einem der in jüngster Vergangenheit neu identifizierten Targets im Pathomechanismus der AD.
JAK sind intrazelluläre zytoplasmatische Tyrosinkinasen [1−3], die u.a. mit Zytokin-Rezeptoren Typ I und Typ II assoziiert sind. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung im Immunsystem sowie bei der Hämatopoese. Der Signalweg ist bedeutsam in der Pathogenese verschiedener Erkrankungen mit Beteiligung des Immunsystems wie z.B. der AD, aber auch rheumatoider Arthritis (RA) und anderer chronisch-entzündlicher Erkrankungen.
Die JAK-Familie umfasst vier der insgesamt mehr als 500 im menschlichen Körper exprimierten Kinasen: JAK 1, 2, 3 und TYK2 mit jeweils unterschiedlicher Wirkung auf die Zelle. Erreicht ein Zytokin seine Zielzelle, bindet es mit seinen Rezeptoren auf der Zelloberfläche an die Januskinasen. Ca. 30% aller intrazellulären Signale gehen durch den sog. Januskinase-STATE und beeinflussen im Zellkern die Transkription von Genen, die für die adaptive Immunantwort bedeutsam sind. Bei der Blockade der JAKs werden solche intrazellulären Signalwege, die im Netzwerk der inflammatorischen Zytokine eine zentrale Rolle spielen, gehemmt, wodurch sich neue therapeutische Optionen für die o.g. Erkrankungen ergeben.
JAK-Inhibitoren (JAK-I) können so konstruiert werden, dass sie selektiv auf bestimmte JAK-Proteine abzielen. Die Bandbreite der Zytokine, die jeder JAK-I beeinflusst, kann auf die Pathophysiologie verschiedener entzündlicher Erkrankungen abgestimmt werden [1].
Letztlich entscheidend für die Therapie ist, dass der JAK-Signalweg blockiert wird, verdeutlichte Thaҫi. Dies gelingt durch oral applizierbare, entzündungshemmende, selektiv immunmodulierende und antiproliferative Wirkstoffe – die JAK-Inhibitoren (JAK-I). Sie unterscheiden sich vor allem in ihrer Spezifität und Selektivität, abhängig davon, wie, welche und wie viele JAK sie inhibieren bzw. von der Affinität für bestimmte Kinasen. Thaҫi hob vor allem die extrem schnelle Wirksamkeit innerhalb der ersten vier Wochen, in manchen Fällen schon nach einigen Stunden, bei der Linderung des Juckreizes hervor, der für die Patienten extrem bedeutsam sei. Das zu sehen „bereitet auch dem behandelnden Arzt viel Freude“.
Aktuell sind von mehreren, auch in topischer Applikationsform in der Pipeline befindlichen JAK-I zur Behandlung der AD die oral einzunehmenden Präparate Baricitinib und Upadacitinib für diese Indikation zugelassen. Abrocitinib, in Großbritannien bereits verfügbar, stehe auch bei uns kurz vor der Zulassung, so der Referent.
Einsatz von JAK-Inhibitoren bei AD
Baricitinib, ein selektiver und reversibler Inhibitor von JAK 1 und 2, ist der erste in Europa zugelassene JAK-Inhibitor zur Behandlung der AD. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Baricitinib in Kombination mit topischen Kortikosteroiden zur systemischen Behandlung von moderater bis schwerer AD bei Erwachsenen untersuchte u.a. die BREEZE-AD7-Studie. [2] Die zusätzliche Verabreichung von Baricitinib linderte die Schwere der Erkrankung signifikant – gemessen mittels validiertem Investigator‘s Global Assessment (vIGA) für „erscheinungsfreie oder nahezu erscheinungsfreie Haut“ (vIGA 0 oder 1), dem primären Endpunkt der Studie nach 16 Wochen. Die Sicherheitsdaten stimmten mit dem bekannten Sicherheitsprofil von Baricitinib überein.
Für Abrocitinib, das am 15.10.2021 eine CHMP-Empfehlung zur Zulas- sung für die Behandlung von mittel- schwerer bis schwerer atopischer Dermatitis erhielt [3], stellte Thaҫi die Daten der Studien JADE MONO 1 [4] (Abrocitinib vs. Placebo) sowie JADE COMPARE [5] mit aktivem Dupilumab-Kontrollarm vor. Darin erreichte Abrocitinib alle primären und sekundären Endpunkte in Bezug auf Hautklarheit und Juckreiz- linderung.
Vor kurzem für Patienten ab 12 Jahren zugelassen, zeigte auch Upadacitinib, das hauptsächlich JAK1-Signalwege hemmt, in den Measure Up 1 und 2 Studien bzw. der ADUp-Studie eine signifikante Verbesserung der AD, gemessen am Eczema Area and Severity Index (EASI) 75, mit und ohne topische Kortikosteroide in Woche 16. [6,7] Zudem konnten anhaltende EASI-75-Ansprechraten bis Woche 52 belegt werden [8]. Im Head-to-head-Vergleich Upadacitinib vs. Dupilumab [9] war die Monotherapie mit Upadacitinib 30 mg der Monotherapie mit Dupilumab hinsichtlich des Erreichens von EASI 75, EASI 90 und EASI 100 in Woche 16 überlegen.
Bei der Abwägung des Nutzen-Risiko-Profils in Bezug auf mögliche Nebenwirkungen sollte vor allem Infektionen der oberen Atemwege, Akne, Herpes simplex, thromboembolischen Ereignissen, Kopfschmerzen und erhöhten Kreatinphosphokinasewerten vorgebeugt (Laborcheck, Impfung, individuelle Risikoabschätzung) und ggf. entsprechend reagiert werden, z.B. durch eine Dosisanpassung.
Fazit
Auf den Wegen zum Erkenntnisgewinn bzgl. der Pathomechanismen und zur Entwicklung neuer, gezielt einsetzbarer Medikamente gegen chronisch-entzündliche Erkrankungen wurden in den letzten Jahren neue Türen geöffnet. In anderen Indikationen bereits etabliert, halten Wirkstoffklassen wie JAK-Inhibitoren jetzt auch Einzug in die Dermatologie. Zwei Wirkstoffe sind mittlerweile verfügbar, eines kurz vor der Zulassung auch in Deutschland, 50 bis 60 sind in der Pipeline. Sie werden neben anderen neuen systemischen Therapien zukünftig aus dem therapeutischen Spektrum für Patienten mit atopischer Dermatitis, bei denen keine der vielen topischen Therapien hilft, vor allem bei starkem Juckreiz mit Bedarf nach schneller Wirksamkeit, sicher nicht mehr wegzudenken sein.
Quelle: Vortrag „JAK-Inhibition bei atopischer Dermatitis“ von Prof. Dr. Diamant Thaҫi bei einem Symposium im Rahmen der dermapraxis berlin, 17. September 2021
Literatur
1. Clark J D et al. J Med Chem. 2014; 57(1): 5023−5038
2. Reich K et al. Presented at EADV, Madrid, Spain; 9−13 October 2019
3. https://arznei-news.de/atopische-dermatitis-eu- zulassung-cibinqo/
4. Simpson E et al. The Lancet 2020;396: 255−266
5. Thaҫi D et al. Poster presented at EADV 2020; P0207
6. GuttmannYassky E et al. Lancet 2021; 397(10290): 2151−2168
7. Reich K et al. Lancet 2021; 397(10290): 2169−2181
8. Simpson E et al. Poster presented at the 2021 Dermatology Education Foundation (DEF) Essential Ressource Meeting (DERTM2021) August 5−8 2021
9. Blauvelt A et al. JAMA Dermatol. Published online August 4 2021, https://doi.org/10.1001/ jamadermatol.2021.3023. [HEADS Up]