Atopische Dermatitis

Atopische Dermatitis: Therapie-Pipeline ist gut gefüllt

Dr. A. Häckel

Die atopische Dermatitis (AD) ist eine komplexe immunologische Erkrankung, die mit Komorbiditäten und eingeschränkter Lebensqualität einhergeht. Häufige Begleiterkrankungen sind Bluthochdruck, Hyperlipidämie, Alopecia areata, allergische Rhinitis, auch mit Nasenpolypen (CRSwNP), oder Asthma. Abhängig von Schweregrad, Komorbiditäten, Alter und Patient*innenpräferenzen ist eine Stufentherapie gemäß aktueller Leitlinie [1] erforderlich. Indikationen für eine Systemtherapie sind der objektive Schweregrad (EASI >15 oder SCORAD >40), die subjektive Belastung (DLQI >10) oder Pruritus (>6 auf einer VAS) oder ein fehlendes Ansprechen auf Lokal-, Phototherapie oder eine andere Systemtherapie, so Dr. Galina Balakirski, Universität Witten/Herdecke, bei einer Veranstaltung im Rahmen der 25. Tagung der DWFA NRW in Köln.

Moderne, bei mittelschwerer und schwerer AD zugelassene Systemtherapeutika sind Dupilumab (bindet an IL-4-Rezeptor-UE, hemmt IL-4- und IL-13-Signalwege), Tralokinumab (bindet an IL-13 direkt), Baricitinib (Einnahme oral, hemmt selektiv und reversibel die Januskinasen [JAK] 1 und 2), Upadacitinib (hemmt v.a. JAK 1) und Abrocitinib (hemmt v.a. JAK 1). Tralokinumab ist seit kurzem ab dem 12. Lebensjahr zugelassen. Für einige dieser Präparate gibt es z.T. inzwischen bereits weitere zugelassene Indikationen. [2] So wurde für Dupilumab ein positiver Effekt bei Patienten mit Alopecia areata und erhöhten Gesamt-IgE-Spiegeln gefunden, Baricitinib hat dafür seit Juni 2022 sogar bereits eine Zulassung. Upadacitinib hat seit Mai 2022 eine Zulassung bei Colitis ulcerosa und Dupilumab ebenfalls seit Mai 2022 bei eosinophiler Ösophagitis ab dem 12. Lebensjahr.

Zwar gibt es noch keine Substanz, die bei Kindern unter 6 Jahren zugelassen ist, in einer neuen placebokontrollierten Phase-3-Studie [3] wurde jedoch Dupilumab bereits bei Kindern mit atopischer Dermatitis ab dem 6. Lebensmonat erfolgreich eingesetzt. Auch AD-Patient*innen über 65 Jahren wurden mit Dupilumab erfolgreich und ohne neue Sicherheitssignale behandelt. [4] Im Gegensatz dazu wurde unter JAK-Inhibitoren (JAK-I) bei älteren Patient*innen durchaus eine mäßige Erhöhung des kardiovaskulären und des Tumorrisikos gefunden. [5] Das deute darauf hin, „dass Patienten ab dem 65. Lebensjahr nicht die idealen Kandidaten für eine Therapie mit einem Januskinase-Inhibitor sind“, so Balakirski.

Eine neue, in Entwicklung befindliche Substanz bei AD ist Nemolizumab [6], ein Antikörper gegen den IL-31-Rezeptor, der seit März 2022 in Japan zur Pruritus-Therapie bei AD ab dem 13. Lebensjahr zugelassen ist. IL-31 spielt eine Rolle bei der Transkription in sensorischen Neuronen und beeinflusst so die erhöhte Empfindlichkeit und den Juckreiz bei AD schon bei minimalen Reizen. Asthmatiker sind jedoch wegen der Gefahr einer Exazerbation hierfür nicht geeignet.

Ein weiterer Kandidat ist der Anti-IL-13-Antikörper Lebrikizumab. [7] Er verhindert die Bildung des IL-13Rα/ IL-4-Rα-Heterodimer-Rezeptor- Signalkomplexes, ohne jedoch die Bindung von IL-13 an den IL-13Rα2-Rezeptor zu beeinträchtigen. Ein absolut neues potenzielles Wirkprinzip sind Antikörper gegen OX40 [8], ein sekundär kostimulierendes Immuncheckpoint-Molekül auf aktivierten CD4- und CD8-T-Zellen. Nach Interaktion mit seinem spezifischen Liganden OX40L auf Antigen-präsentierenden Zellen (APC) werden durch Proliferation dieser T-Zellen multiple Entzündungs- und Autoimmunprozesse verstärkt. Zu den neuen, in einigen Ländern teilweise bereits zugelassenen topischen Substanzen zählen die JAK-I Delgocitinib und Ruxolitinib sowie der PDE4-Inhibitor Crisaborol. Noch in frühen Phasen der Prüfung bei atopischer Dermatitis und Psoriasis befinden sich Tapinarof, ein Ligand des Aryl-Hydrocarbon-Rezeptors (AhR) sowie der PDE4-Inhibitor Difamilast. ̈

Quelle: Sitzung Immundermatologie, Vortrag „Aktuelle Therapie der atopischen Dermatitis von jung bis alt“, im Rahmen der 25. Tagung der DWFA NRW, 25. November 2022, Köln.

Literatur

1. Werfel T et al., JDDG 2021
2. Balakirski G, Hofmann SC, Kompendium Dermatologie 2022
3. Paller AS et al., Lancet 2022, Sep 17
4. Patruno C et al., Am J Clin Dermatol 2021
5. Ytterberg SR et al., N Engl J Med 2022
6. Silverberg JI et al., Allergy Clin Immunol 2020 7. Guttmann-Yassky E et al., JAMA Dermatol 2020 8. Furue M, J Clin Med 2021