Atopische Dermatitis

Baricitinib als erster JAK-Inhibitor bei atopischer Dermatitis zugelassen

Neue orale Therapieoption mit neuem Wirkprinzip

Als erster JAK-Inhibitor erhielt Baricitinib kürzlich die Zulassung für die Behandlung erwachsener Patienten mit mittel-schwerer bis schwerer atopischer Dermatitis (AD). Baricitinib bewies in allen zulassungsrelevanten Studien des BREEZE-AD- Programms eine schnelle und anhaltend starke Wirksamkeit bei den definierten Studienendpunkten. Seit 2017 ist Baricitinib zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassen und verfügt damit über eine breite Datenbasis. [1]

„Es ist eine ganz spannende Zeit, die wir jetzt gerade als Dermatologen erleben“, beschrieb Prof. Thomas Bieber, Bonn, bei einer virtuellen Fachpressekonferenz den aktuellen Stand der Forschung: Die atopische Dermatitis kann alle Altersgruppen betreffen, viele Patienten leiden ein Leben lang. Die geschätzte Lebenszeitprävalenz von AD beträgt mehr als 15%. AD ist die Hauptursache für nicht-tödliche Belastung durch Hautkrankheiten. [2] Laut aktuellen Daten aus der Versorgungsforschung blieben jedoch viele Patienten unzureichend therapiert [3], so Bieber. Er bezeichnete den oft quälenden, chronischen Juckreiz als Leitsymptom der atopischen Dermatitis [4] und sah weiterhin hohen Bedarf für neue Therapieansätze: „Trotz ärztlicher Behandlung leiden Patienten immer noch unter Juckreiz. Beeinträchtigungen, z.B. im Beruf, steigen mit dem Schweregrad der AD an.“ [5]

Abb. 1: Wirkprinzip von Baricitinib: Selektive JAK1- und JAK2-Hemmung in der Zelle.

JAK-Inhibition als neuer Ansatz bei atopischer Dermatitis

Bei AD beobachte man ein komplexes Wechselspiel zwischen Hautentzündung und Barriere-Dysfunktion [6], beschrieb Prof. Tilo Biedermann, München. Für den hier vorliegenden Subtyp der Th-2- Immunität würden Entzündung und Juckreiz auf molekularer Ebene über den JAK-STAT-Signalweg vermittelt: Aktivierte Januskinasen phosphorylieren dabei STAT-Moleküle (Signal Transducer and Activator of Transcription), die letztendlich die Transkription spezifischer Zielgene aktivieren. [7]

Der JAK-Inhibitor Baricitinib (Olumiant®) moduliert die Signalwege dieser Zytokine, die an der Pathogenese der AD beteiligt sind. [2] Biedermann betonte: Das Prinzip der JAK-Hemmung unterscheidet sich von dem der Biologika, der JAK-Signalweg wird nicht vollständig blockiert. Stattdessen reduzieren JAK-Inhibitoren reversibel die Aktivität einer oder mehrerer JAK-Isoformen (vgl. Abb. 1). Ein potenzieller klinischer Vorteil einer solchen Wirkungsweise bestehe darin, die Inhibition in ihrer Auswirkung schrittweise modulieren zu können. Das Entzündungsgeschehen werde dabei wie mit einem Dimmer moduliert. [8] Mit diesem Wirkansatz seien sowohl Wirkung als auch Nebenwirkungen schnell steuerbar, erläuterte Biedermann.

Abb. 2: Sekundärer Schlüsselendpunkt: EASI75 in der Woche 16.

BREEZE-Studienprogramm mit umfassendem Wirksamkeitsbeleg

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Baricitinib wurden im umfangreichen Phase-III-Studienprogramm BREEZE- AD mit über 4.500 Patienten in insgesamt sieben Studien untersucht. In der für den Praxisalltag relevantesten Studie BREEZE-AD7 wurde Baricitinib in Verbindung mit topischen Kortikosteroiden (TCS) der Klassen eins und zwei getestet. Der primäre Endpunkt war das vIGA 0,1-Ansprechen (validated Investigator Global Assessment Score) in Woche 16, das in allen Zulassungsstudien mit der Standarddosis Baricitinib 4 mg erreicht wurde. [1,9,10]

Auch beim sekundären Schlüsselendpunkt, dem EASI75-Ansprechen, überzeugte Baricitinib: Patienten unter Baricitinib plus TCS zeigten in BREEZE-AD7 eine zweifach höhere Rate als unter Placebo plus TCS: 48% der Patienten erreichten in Woche
16 unter Baricitinib plus TCS ein EASI75-Ansprechen und damit signifikant mehr als unter Placebo plus TCS (23%, p≤0,001) (s. Abb. 2). [1,9]

Die starke Wirkung von Baricitinib auf die Haut konnte auch durch einen deutlich reduzierten Gebrauch von TCS beobachtet werden. Bis Woche 16 sank der durchschnittliche Bedarf an TCS der Klasse zwei unter Baricitinib 4 mg um rund 36% im Vergleich zu Placebo (p≤0,01). [10] Der positive Effekt auf die Lebensqualität der Patienten spiegelt sich im Anstieg
des DLQI wider: Hier erreichten in Woche 16 unter Baricitinib 23% und damit dreimal mehr Patienten als unter Placebo (7%) einen DLQI von 0 oder 1. [11]

Schnelles Ansprechen bei Juckreiz und Schlafstörungen

Baricitinib zeichnete sich durch eine schnelle Juckreizverbesserung aus: Schon nach 2 Wochen erreichten in der Studie BREEZE-AD7 deutlich mehr Patienten unter Baricitinib 4 mg plus TCS eine Verbesserung auf der Pruritus-NRSd um ≥ 4 Punkte, (was einer klinisch relevanten Linderung entspricht) als unter Placebo plus TCS (p<0,002). [1] In Woche 16 erreichten 44% der Patienten unter der Standarddosis Baricitinib plus TCS eine klinisch relevante Linderung des Juckreizes und damit mehr als doppelt so viele wie unter Placebo plus TCS (20%, p≤0,001) (s. Abb. 3). [10] Explorative Analysen deuten darauf hin, dass Patienten bereits am zweiten Anwendungstag eine Verbesserung verspürten: Der Juckreiz ging hier um 18% zurück (Placebo: -5%). Am siebten Anwendungstag berichteten Patienten von 38% weniger Juckreiz (Placebo: -19%). [10] „Es ist für mich ein wesentliches Argument für diese Moleküle, dass wir diese Patienten innerhalb von 24-48 Stunden von ihrem Juckreiz befreien können“, kommentierte Bieber diese Daten.

Auch auf den vom Juckreiz beeinträchtigten Schlaf zeigte Barici- tinib in explorativen Analysen eine starke Wirkung. Unter Baricitinib plus TCS verbesserte sich das Schlaf- verhalten der Patienten: Bis Woche 16 konnten die Patienten unter dem JAK-Inhibitor (4 mg) plus TCS in 62% der Nächte durchschlafen, ohne Erwachen auf Grund von Juckreiz. Unter Placebo plus TCS waren es lediglich 28%. [11]

Abb. 3: Schnelle Linderung bei Juckreiz für Patienten: Juckreizverbesserung um ≥ 4 Punkte.

Orale Therapieoption mit guter Verträglichkeit

Baricitinib (Olumiant®) ermöglicht einen einfachen Einstieg in die Sys- temtherapie, beschrieb Biedermann. Indiziert ist die Tablette für Patienten mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis, bei denen topische Therapien allein nicht zur Kontrolle der Symptome ausreichen und die für eine systemische Therapie in Frage kommen. Der Wirkmechanismus von Baricitinib erlaubt eine einfache orale Gabe, der Wirkeintritt beim Patienten ist schnell. [1]

Die Verträglichkeit des JAK-Inhibitors Baricitinib bei AD war in integrierten Placebo-kontrollierten Studiendaten (BREEZE-AD1, -AD2, -AD7 und eine Phase-II-Studie) über 16 Wochen konsistent: Die häufigsten Nebenwirkungen waren Nasopharyngitis und Kopfschmerzen sowie die Erhöhung von Kreatin-Phosphokinasen. Diese führten in der Regel jedoch nicht zum Absetzen der Behandlung. [12] Auch eine gepoolte Sicherheitsanalyse aus 8 AD-Studien mit Baricitinib mit 2.531 Patienten und 2.247 Patientenjahren belegt das gute Verträglichkeitsprofil. [13]

Baricitinib hat sich seit der Zulassung 2017 auch schon in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) bewährt, wie eine integrierte Sicherheitsanalyse von neun gepoolten randomisierten klinischen Studien bei RA über 8,4 Jahre erneut bestätigt: Bei 3.770 RA-Patienten mit insgesamt 13.148 Patientenjahren wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet. [14] Mit Baricitinib wurden weltweit bereits über 200.000 Patienten mit RA behandelt. [15]

Quelle: Virtuelle Launch-Pressekonferenz „Systemtherapie leicht gemacht: Mit Olumiant® als erstem JAK-Inhibitor bei atopischer Dermatitis“, 12. November 2020; Veranstalter: Lilly

Literatur

1. Aktuelle Fachinformation Olumiant®
2. Weidinger S et al. Nat Rev Dis Primers 2018;4(1):1
3. Datenanalyse CVderm 2020, Augustin M et al. Versorgungsexpertise Neurodermitis in Deutschland, data on file
4. Silverberg JI et al. Ann Allergy Asthma Immunol 2018; 12(3): 340–347
5. Zuberbier T et al J Allerg Clin Immunol 2006; 118(1): 226–232
6. Kaesler S et al. J Allerg Clin Immunol 2014, 134:92-99
7. Shuai K and Liu B. Nat Rev Immunol 2003;3(11):900-911
8. Choy EH Rheumatology 2019; 58:953-962
9. Simpson EL et al. British Journal of Dermatology 2020; 183(2): 242–252
10. Reich K et al. JAMA Dermatol 2020; 156(12): 1333-1343
11. Reich K et al. EADV, 9.–13.10.2019, Madrid, Spanien; Poster D3T01.1H
12. Lilly Data on File [Integrated Safety Data]
13. Bieber T et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2020; doi: 10.1111/jdv.16948q
14. Genovese MD et al. Ann Rheum Dis 2020; 79(Suppl. 1): 638, Poster: FRI0123 15. Lilly Data on file