Orthopädie

Die Herausforderung der sakralen Insuffizienzfraktur

Julian Ramin Andresen (BScMed)
Medizinische Fakultät der Sigmund-Freud- Privatuniversität
Campus Prater
Freudplatz 3
A-1020 Wien
E-Mail: 1600556@uni.sfu.ac.at

Julian Ramin Andresen1, Claus Maximilian Kullen2, Phillip Auvera1, Sebastian Radmer3, Hans-Christof Schober4, Urs Nissen5. Reimer Andresen2

1 Medizinische Fakultät der Sigmund-Freud-Privatuniversität, Wien
2 Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie / Neuroradiologie, Westküstenklinikum Heide, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universitäten Kiel, Lübeck und Hamburg, Heide
3 Zentrum für Bewegungsheilkunde, Facharztpraxis für Orthopädie, Berlin,
4 Klinik für Innere Medizin I, Klinikum Südstadt Rostock, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Rostock, Rostock
5 Klinik für Neurochirurgie und Wirbelsäulenchirurgie, Westküstenklinikum Heide, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universitäten Kiel, Lübeck und Hamburg, Heide

Abb. 1: Von 215 Artikeln erfüllten < 10% den Evidenzgrad I und > 90% den Evidenzgrad II-IV.

Abb. 2: Beispiel für einen Frakturtyp IIa.
a. axiales CT-Schnittbild: Eingebrachte Zementplomben mittels BSP über die kurze Achse beidseits. Versorgung einer Denis I und II Fraktur rechts und einer Denis I Fraktur links. Beidseits zentral liegende Zementplombe in der Frakturzone ohne Anhalt für eine Zementleckage.
b. coronares CT-Schnittbild: Eingebrachte Zementplomben mittels RFS über die kurze Achse rechts und transiliacal links. Versorgung einer Denis I Fraktur rechts und einer Denis II Fraktur links. Beidseits zentral liegende Zementplombe in der Frakturzone ohne Anhalt für eine Zementleckage.
c. axiales CT-Schnittbild: Eingebrachte Zementplomben mittels VSP über die kurze Achse beidseits. Versorgung einer beidseitigen Denis I und II Fraktur. Beidseits zentral liegende Zementplombe in der Frakturzone ohne Anhalt für eine Zementleckage.
d. coronares CT-Schnittbild: Eingebrachte Zementplomben mittels ZSP über die kurze Achse beidseits. Versorgung einer beidseitigen Denis I und II Fraktur. Beidseits zentral liegende Zementplombe in der Frakturzone ohne Anhalt für eine Zementleckage.

Abb. 3: Beispiel für einen Frakturtyp IIb.
Von rechts eingebrachte transiliakale Schraube mit zusätzlichem transiliakalen Positionsstab. Die Fraktur des Os pubis wurde mittels retrograder transpubischer Schraube versorgt.

Ziel dieser Studie war die Abschätzung der klinischen Bedeutung von Insuffizienzfrakturen des Os sacrum.

Material und Methode

Eine selektive Literaturrecherche wurde in PubMed und GoogleScholar zu bildgebender Diagnostik, Becken- insuffizienzfraktur, Fragilitätsfraktu- ren des Beckenrings, sakrale Insuf- fizienzfraktur, Os sacrum, Osteosyn- these, Schmerztherapie, Sakroplastie und Zementaugmentation durchge- führt. Von 1986 Abstracts wurden 215 relevante Artikel im Volltext ausgewertet, wobei Originalarbeiten, Übersichtsartikel und Fallbeschreibungen unter Berücksichtigung der entsprechenden Evidenzgrade (s. Abb. 1) inkludiert wurden. [1]

Ergebnisse

Als wichtigste Risikofaktoren für das Auftreten von Sakruminsuffizienzfrak- turen gelten das weibliche Geschlecht, das Alter > 70 Jahre und vorhandene Osteoporose. Bei Patienten solcher Risikogruppen wird eine Inzidenz bis zu 5% vermutet, bei Patienten > 80 Jahren noch deutlich höher. Starke, meist akut auftretende, immobilisie- rende Kreuz-, Gesäß-, und Leisten- schmerzen stehen klinisch im Vorder- grund.

Diese Frakturen sind auf konventio- nellen Röntgenaufnahmen schwierig zu diagnostizieren, sie werden pro- spektiv bis zu 70% nicht erkannt.
Für die Frakturdetektion hat die MRT mit ca. 100% die höchste Sensitivität und ist damit der CT überlegen. Mit der Dual Energy CT erscheint eine deutliche Verbesserung in der Erfas- sung von Ödemzonen und damit Detektion von okkulten Frakturen in der Zukunft möglich.

Nach Denis et al. [2] wird eine trans- alare (Typ 1), transforaminale (Typ 2) und zentrale (Typ 3) Frakturverlaufs- zone unterschieden, zusätzliche horizontale Frakturausläufer kommen vor. Bilaterale Frakturen sind hierbei häufiger als unilaterale. Zunächst eingeleitete konservative Maßnahmen bedingen durch die Immobilisierung weitere Komorbiditäten sowie eine Verschlechterung des muskuloskelet- talen Systems und bringen häufig erst langfristig eine klinische Besserung. Lediglich Patienten mit geringen Ausgangsschmerzen lassen sich frühzeitig mobilisieren und profitie- ren von diesen Maßnahmen.

Bei nicht-dislozierten Typ IIa Fraktu- ren nach der Fragility Fractures of the Pelvis Klassifikation [3] bietet sich die perkutane Zementeinbringung als minimalinvasive, effektive und nach- haltige Schmerzbehandlung an. Hierbei kommen die Ballon-, Radio- frequenz-, Vertebro- und Zement- sakroplastie zum Einsatz (s. Abb. 2). Als Komplikation sind mögliche symptomatische Zementleckagen zu bedenken. Bei Patienten mit instabi- len Frakturen können perkutane Schrauben-, Platten- oder spino- pelvine Osteosynthesen in Erwägung gezogen werden (s. Abb. 3).

Diskussion

Die Inzidenz und klinische Relevanz von Insuffizienzfrakturen des Os sacrum wird in Zukunft aufgrund des demografischen Wandels und der steigenden Lebenserwartung weiter steigen. [4-6]

Zur Vermeidung einer konsekutiven Invalidisierung ist eine schnelle Dia- gnostik und multimodale, interdiszi- plinäre Therapie notwendig. Patienten mit geringen Schmerzen können kon- servativ behandelt werden. [7]

Patienten mit starken Schmerzen und nichtdislozierten Frakturen profitie- ren von einer Zementaugmentation effektiv und nachhaltig, wobei unter- schiedliche Methoden zur Verfügung . [7-10]

Patienten mit immobilisierenden Schmerzen und instabilen Frakturen sollten rechtzeitig osteosynthetisch versorgt werden. [11]

Eine leitliniengerechte Osteoporose- therapie [12], möglichst osteoanabol [13], ist in der Regel im weiteren Verlauf notwendig.

Literatur

  1. Sackett DL, Rosenberg WM, Gray JA et al. Evidence based medicine: what it is and what it isn’t. BMJ 1996; 312 (7023):71-72.
  2. Denis F, Davis S, Comfort T. Sacral fractures: an important problem. Retrospective analysis of 236 cases. Clin Orthop Relat Res 1988; 227: 67-81.
  3. Rommens PM, Hofmann A. Comprehensive classification of fragility fractures of the pelvic ring: Recommendations for surgical treatment. Injury 2013; 44 (12): 1733-1744.
  4. Lourie H. Spontaneous osteoporotic fracture of the sacrum. An unrecognised syndrome of the elderly. JAMA 1982; 248 (6): 715–717.
  5. Schindler OS, Watura R, Cobby M. Sacral insufficiency fractures. J Orthopaedic Surg 2007; 15 (3): 339-346.
  6. Andrich S, Haastert B, Neuhaus E, et al.: Epidemiology of pelvic fractures in Germany: considerably high incidence rates among older people. PLoS One 2015; 10: e0139078.
  7. Andresen R, Radmer S, Lüdtke CW et al. [Conservative therapy versus CT guided balloon sacroplasty in the treatment of insufficiency fractures of the sacrum]. Osteol 2015; 24 (2): 92-98.
  8. Bayley E, Srinivas S, Boszczyk BM. Clinical outcomes of sacroplasty in sacral insuffi- ciency fractures: a review of the literature. Eur Spine J 2009; 18 (9): 1266-1271.
  9. Andresen R, Radmer S, Wollny M et al. CT- guided cement sacroplasty (CSP) as pain therapy in non-dislocated insufficiency fractures. Eur J Orthop Surg Traumatol 2017; 27 (8): 1045-1050.
  10. Andresen R, Radmer S, Wollny M et al. [CT- guided balloon sacroplasty (BSP), radiofre- quency sacroplasty (RFS), vertebro- sacroplasty (VSP) and cement sacroplasty (CSP) in non-dislocated insufficiency fractures – a comparison of methods with regard to outcome, costs and reimburse- ment]. Die Wirbelsäule 2018; 2 (1): 75-84.
  11. Josten C, Höch A. [Fractures of the sacrum: operative/conservative – Why insufficiency fractures of the sacrum should be treated operatively]. Die Wirbelsäule 2017; 1 (1): 31- 40.
  12. Pfeilschifter J, Baum E, Braun J et al. DVO Guideline 2009 for prevention, diagnosis and therapy of osteoporosis in adults. Osteol 2011; 20 (1): 55-74.
  13. Yoo JI, Ha YC, Ryu HJ et al. Teriparatide treatment in elderly patients with sacral insufficiency fracture. J Clin Endocrinol Metab 2017; 102 (2): 560-565.