Orthopädie

Herausforderungen bei traumabedingten Schultergelenksverletzungen

Therapiekonzepte von Frakturen bis hin zu inversen Prothesen

Dr. Ch. Willen

Ausgewiesene Experten auf dem Gebiet der traumabedingten Schultergelenksverletzungen stellten im Rahmen des DKOU in Berlin verschiedene Therapiekonzepte und Praxiserfahrungen von der arthroskopischen Versorgung bis hin zum letzten Ausweg einer inversen Operation vor.

Arthroskopische Versorgung der Rotatorenmanschettenruptur

Orthopäde Dr. med. Hamidulla Hosseini aus Hildesheim gab zunächst Hinweise zur arthroskopischen Versorgung der Rotatorenmanschettenruptur zum Beispiel in Folge von Sportverletzungen oder auch bei über 70-Jährigen mit einer Inzidenz von bis zu 70 Prozent. Zunächst sollte erfasst werden, wie die Sehne gerissen ist, da unterschiedliche Rupturen (z.B. U-shaped, (reversed) L-shaped) jeweils unterschiedliche Repositionszugrichtungen erfordern. Wenn die Sehne falsch reponiert wird, kann das zu Spannungen auf der Sehne führen.

Retraktionen der Grade 1 bis 2 lassen sich, laut Dr. Hosseini, gut rekonstruieren, wobei die Elastizität der Sehne, die Sehnenqualität und der Sehnensubstanzverlust bei der Redressier-barkeit auch immer eine Rolle spielen. Bei Grad-3-Rupturen gab der Experte zu bedenken, dass oftmals kombinierte Verletzungen vorliegen. Der Zustand der Muskulatur (Grad I bis III nach Thomazeau), der akromio-humerale Abstand und die passive Beweglichkeit und die Rissgeometrie müssen ebenso Berücksichtigung finden.

Anforderungen an die Nahtanker

Die Instrumente zur arthroskopischen Versorgung von Rotatorenmanschetten wie Armhalter, Nahtzangen und Nahtanker müssen den vielfältigen Anforderungen gerecht werden. In Bezug auf die Nahtanker sind die wichtigsten Qualitätsmerkmale die Ausreißkraft aus dem Knochen, die Stabilität des Ankermaterials, die Reißfestigkeit des Fadenmaterials und die Stabilität des Fadenmaterials am Ankerkörper.

Ergänzend zu klassischen Schraub-ankern können Soft-Anker (z.B. Juggerknot®) die erste Wahl als mediale Reihe in Verbindung mit Quattro® Link SP (Zimmer Biomet Deutschland GmbH) als eine von Dr. Hosseini favorisierte Double-Row-Technik sein, die knochensparend eine hohe Primärstabilität durch subkortikale Verankerung bieten kann und in Revisionsfällen gegebenenfalls leichter zu handhaben ist, so das Fazit des Experten.

Grenzen und Möglichkeiten der ORIF

Prof. Dr. Peter Biberthaler aus München gab danach Hinweise zur Versorgung von komplexeren proximalen Humerusfrakturen. Wenn Dislokationskriterien vorliegen, sind operative wie nicht-operative bzw. konservative Verfahren möglich. Bei der Aufklärung der Patienten sind stets alternative Therapiemöglich-keiten zu nennen und nur dann eine Operation angeraten, wenn der Behandler damit bessere Behandlungsergebnisse erwartet, so der Rat des Experten.

An die Grenzen stößt die ORIF (Open Reduction and Internal Fixation) unter anderem bei einer kompletten Unterbrechung der arteriellen Zufuhr, bei einer Aussprengung am Calcar humerus, bei einer Lateralisierung Kopf gegen Schaft und einer Zerstörung der Kalotte. Außerdem gab Prof. Biberthaler zu bedenken, dass auch ein sehr gutes Implantat eine fehlende Reposition nicht verbessern kann, daher ist eine ordentliche Reposition bei jeder Operation essenziell. Nur ein individuell angepasstes therapeutischen Regime kann gute Behandlungsergebnisse erzielen, da Humeruskopf- frakturen oftmals sehr komplex sind und mit einer hohen Rate an Komplikationen einhergehen können, so das Fazit des Experten.

Virtuelle Unterstützung zur Planung der OP

Eine gute Unterstützung zur Planung der Operation bieten mittlerweile virtuelle 3D-Computerplanungen und Simulationen mit der entsprechenden Software. Während der Operation favorisiert Prof. Biberthaler den modifizierten deltopectoralen Zugang als eine Art “Slalom“-Zugang, der den Axillares schonen kann. Auch bei Grenzfällen wie beispielsweise bei jungen Hochrasanztrauma-Patienten mit Head Split Frakturen hat Prof. Biberthaler bei diesem Patienten-kollektiv gute Erfahrungen mit Osteosyntheseverfahren gemacht anstatt einer Versorgung mit einer Prothese, u.a. wegen des zu erwartenden besseren postoperativen Funktionsniveaus des Armes.

Gute Rekonstruktionsergebnisse anstreben

Bei älteren Patienten, bei denen beispielsweise das Tuberkulum insuffizient ist, kann als letzter Ausweg eine inverse Prothese in Frage kommen. Prof. Dr. med. Rupert Meller von der Medizinischen Hochschule in Hannover stellte unter anderem weitere Indikationen für eine Prothese im Alter aus seinem Praxisalltag vor. Gute Rekonstruktionsergebnisse bei der Versorgung von Frakturen erzielt Prof. Meller beispielsweise mit dem Schultersystem TM (engl. für: trabecular metal), da es aus seiner Sicht eien Reihe von Vorteilen bietet

Das TM Design (Zimmer Biomet Deutschland GmbH) ist ein Inlay-System (150° für die bisher größt-mögliche Beweglichkeit), da keine Komponente über den originären Knochen hinausgeht, so dass aufgrund der TM-Komponente unter minimalem Knochenverlust eine maximale Stabilität gewährleistet werden kann, so die Erfahrung von Prof. Meller. Der Schaft kann zementfrei und zementiert angebracht werden, bei grundsätzlich einfacher Instrumentierung.

Das TM-System ist auch für Allergiker mit den entsprechend geeigneten Komponenten verfügbar (Titan Schaft TM + Comprehensive Komponenten). Das TM-System deckt die Primär-, Fraktur- und Revisionsendoprothetik ab, so Prof. Meller. Bei komplexen Fällen sind auch virtuelle Planungen für PSI (engl. für patients specific instruments) in Zusammenarbeit mit den Ingenieuren des Herstellers mö-glich, die eine Vorlaufzeit zur Operation von etwa vier Wochen erfordern.

Quelle: Lunch-Symposium “Herausforderungen in der Versorgung traumabedingter Schultergelenksverletzungen“ im Rahmen des DKOU, 24. Oktober 2018, Berlin. Veranstalter: Zimmer Biomet Deutschland

Indikationen zur Prothese im Alter

  • Luxationsfrakturen
  • Head Split Frakturen

(> 20% Kalottengröße)

  • Offene Frakturen
  • PHF + Gefäßverletzung
  • Expliziter Patientenwunsch nach umfassender Aufklärung (z.B. Arthrose)