Orthopädie

ISG-Fusion bei chronischen Kreuzschmerzen

Beste Evidenz für innovative iFuse-Implantate

Ein maßgeblicher Schmerzgenerator bei unteren Rückenschmerzen ist mit einer Häufigkeit bis zu 25% nicht die Wirbelsäule, sondern das Iliosakralgelenk. Dies sollte bei der Diagnosefindung unbedingt beachtet werden. Unter konservativer Behandlung bessern sich die Symptome nicht bei allen Patienten. Dann ist die Gelenkfusion mit Implantatsystemen wie iFuse, für welches eine hohe Evidenz besteht, eine interessante therapeutische Option.

Das Iliosakralgelenk ist als Verbindungsstelle von Wirbelsäule und Becken ein echtes synoviales Gelenk mit nachgewiesener Beweglichkeit. Bei gebärenden Frauen weitet es sich, im Laufe des Lebens versteift es. Die Innervation des ISG ist bisher nur marginal erforscht und kann nach einer neueren Untersuchung aus den Segmenten von L2 bis S5 erfolgen [1]. “ISG-bedingte Schmerzmuster sind ähnlich zum Dermatomverlauf von L5 und S1, die Schmerzmuster mit Ursprung in Bandscheiben, Facettengelenken und ISG überlagern sich”, führte Prof. Andreas Kurth vom Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein in Koblenz aus. ISG-Pathologien können zum einen traumatisch bedingt sein, etwa durch Verkehrsunfälle, Stürze bzw. Traumen auf das Gesäß oder Heben bei gleichzeitiger Drehung. Atraumatische Ätiologien sind u.a. die postoperative Anschlussdegeneration nach lumbalen oder lumbosakralen Fusionen, inflammatorische Arthropathien wie M. Bechterew, Infektionen, Geburten sowie biomechanische Auslöser wie Beinlängendifferenzen, Gelenkersatz oder Skoliose. Unspezifische Beschwerden des ISG finden sich bei bis zu 50% der Frauen über 70 Jahre. Dies können Schmerzen im Kreuz, Becken/Gesäß, Hüfte/Leiste sein, Sensibilitätsstörungen im Bein mit Taubheitsgefühl, Kribbeln und Schwäche, darüber hinaus Probleme beim Sitzen (kein langes/nur einseitiges Sitzen möglich), Treppengehen, Aufstehen und anderen Übergangsbewegungen (Schmerzverstärkung). Auch alltägliche Dinge wie Autofahren werden unmöglich und verschlechtern die Lebensqualität der Betroffenen.

Der ISG-Pathologie auf der Spur

Zur Differentialdiagnose sind zunächst bei der klinischen Untersuchung Hüfte und Wirbelsäule als Schmerzursache auszuschließen, sagte Prof. Robert Pflugmacher, leitender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie in Bonn. Der Fortin-Finger-Test liefert einen Hinweis, wenn der stehende Patient auf eine schmerzende Stelle unterhalb LWK5 zeigt. Die beste Evidenz für die Diagnose eines ISG-bedingten Schmerzes liefern Schmerzprovokationstests mit Distraktion und Kompression des Beckens, Oberschenkel-Druck, Faber- Test und Gaenslen-Zeichen. Drei von fünf dieser Tests müssen nach der Laslett-Regel positiv ausfallen, einer davon muss der Oberschenkeldruck- oder der Kompressionstest sein. Bestätigt wird die Diagnose durch die fluoroskopisch gestützte intraartikuläre Injektion eines Lokalanästhetikums, sofern sie zu einer Schmerzlinderung um 75% führt. Bei einer Reduzierung um 50-75% können noch andere Schmerzquellen als das ISG vorliegen, unterhalb 50% lautet das Ergebnis: negativ. „Das ISG-Syndrom hat kein Korrelat in der Bildgebung. Worauf wir uns verlassen, sind die klinische Untersuchung und die Infiltration“, bestätigte Privatdozent Dr. Julius Dengler vom Helios Klinikum Bad Saarow.

Wege der ISG-Therapie

Konservative Behandlungsmöglichkeiten umfassen zunächst nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAIDs), Physiotherapie, manuelle und Chirotherapie, weiterhin therapeutische Injektionen und die Radiofrequenz- Ablation. „Bei den meisten ISG- Patienten bessern sich die Symptome maßgeblich innerhalb von acht Wochen“ berichtete Pflugmacher. Patienten mit weitergehender Symptomatik und zunehmender Funktionseinschränkung für mehr als sechs Monate kämen für eine Iliosakralgelenksfusion in Frage – aber erst, wenn sie „konservativ vollständig austherapiert“ sind, betonte der Orthopäde und Unfallchirurg. Als besonders geeignet für die ISG-Fusion beschrieb er das minimal-invasive iFuse Implant System®. Hierbei handelt es sich um eine speziell zur Stabilisierung und Fusion des stark belasteten Iliosakralgelenks entwickelte und patentierte Technologie.

Kennzeichen des iFuse Implant System®

  • Feste Titan-Konstruktion und Implantatgeometrie sorgen für sofortige Stabilität
  • Dreieckiges Implantatdesign mit poröser Oberflächenbeschichtung (Titanplasmaspray TPS) minimiert Dreh- und Mikrobewegungen besser als glatte, runde SI-Schrauben
  • Poröse Oberfläche unterstützt biologische Fixierung, was zur langfristigen Fusion des ISG führt
  • Pressfit-Platzierung zwischen Implantat und umgebendem Knochen
  • Keine Konflikte mit Systemen zur Lendenwirbelkörper-Fusion
  • Klinische Evidenz aus über 75 Publikationen
  • Geringe Revisionsrate (2,64% weltweit)

Operatives Vorgehen

Der Patient wird bäuchlings flach auf einem Jackson-Table gelagert, gestützt durch Handtuchrollen quer unter Brust, Hüfte, Knie und Unterschenkeln.

  1. Im ersten Schritt wird entlang der Hautmarkierungen mit Pins eine drei Zentimeter lange Inzision vorgenommen, beginnend etwa einen Zentimeter distal der ersten Hautmarkierung. Drei Röntgenansichten sind für die sichere Platzierung von Instrumenten und Implantaten zu berücksichtigen: lateral, Inlet und Outlet view. Für den Schutz von Nervenstrukturen wird ein Weichteilschutz über den Pin geschoben. Die Bestimmung der Implantatlänge erfolgt mithilfe einer Längenmesslehre.
  1. Im zweiten Schritt kann unter Beleuchtungskontrolle vorgebohrt werden, wobei auf unerwünschten Vorschub des Pins zu achten ist. Der Weichteilschutz wird ausgerichtet.
  2. Im dritten Schritt wird der Meißel mit einem Schlitzhammer durch die Gelenkfläche eingebracht, bis der letzte Zahn des Meißels in der Outlet-Ansicht hinter dem ISG liegt. Unter ständiger Durchleuch- tung wird schließlich das Implantat eingesetzt. Dabei ist jede Bewegung des Pins zu vermeiden, um keine Nervenstrukturen (Neuroforamen!) zu verletzen.
  3. Anschließend erfolgt eine Röntgenkontrolle in Inlet- und Outlet-Ansicht.

Die Platzierung von einem oder zwei weiteren Implantaten folgt demselben Schema. Bei der Platzierung weiterer Pins hat man die Wahl zwischen einer fixen und einer variablen Pin-Führung. „Die Implantate sollten nicht Spitze an Spitze gesetzt werden, damit sie sich nicht berühren“, riet Pflugmacher.

Nach Schluss der Inzision (Standardverfahren) kann Marcain injiziert werden. Postoperativ ist, je nach Patient, für etwa drei Wochen eine Teilbelastung unter Verwendung von Unterarm-Gehstützen in Ferse-Zeh-Gang mit normaler Fußprogression erlaubt. Bei der CT-Kontrolle sollte an die Minimierung der Streuung von metallischem Implantat gedacht werden. „Es handelt sich um einen relativ schnell und für den Patienten wenig belastenden Eingriff“, bilanzierte der Chirurg. „Die dreieckigen Implantate sitzen sofort und auch dauerhaft sehr fest.“ Prof. Pflugmachers Fallbeispiele illustrierten, dass es bei vielen Patienten zu einer schnellen und nachhaltigen Schmerzlinderung kommt. „Völlig schmerzfrei werden nur wenige, aber praktisch alle Patienten bekommen die Chance, wieder aktiv am Leben teilzuhaben. Eine komplette Schmerzfreiheit sollte dem Patienten nie versprochen werden.“

Überzeugende Evidenz aus Langzeitstudien

Für das iFuse Implant System® zur ISG-Fusion besteht nach Dr. Denglers Ausführungen eine einzigartig breite Evidenz aus weit über 70 Publikationen, darunter zehn randomisiert-kontrollierte Studien (RCTs), acht prospektive Multicenterstudien und sechs systematische Reviews. Eine unter seiner Federführung europaweit durchgeführte RCT wurde im März 2019 publiziert [2]. Eingeschlossen waren 103 Patienten mit chronischen Schmerzen des Iliosakralgelenks, die 50 von 100 Punkten in der visuellen Analogskala (VAS) überschritten und einen funktionellen Behinderungsgrad von mehr als 30 im Oswestry Disability Index (ODI) aufwiesen. 52 Patienten wurden randomisiert der Arthrodese mit dem iFuse Implant System® zugeführt, 53 Patienten konservativ mit Analgetika und Physiotherapie behandelt. Nach zwei Jahren gaben die operierten Patienten einen Schmerzrückgang um durch- schnittlich 45 Punkte beim Kreuzschmerz an, im Vergleich zu elf Punkten in der konservativ behandelten Gruppe. Der durchschnittliche ODI-Index besserte sich nach Arthrodese um 26 Punkte gegenüber nur acht Punkten (s. Abb. 1). Parallel wurden signifikante Verbesserungen bei der Lebensqualität und ein Rückgang des Opioid-Gebrauchs lediglich bei den operierten Patienten registriert.

Wurden Patienten der konservativen Therapiegruppe ebenfalls der ISG- Fusion unterzogen, entwickelten sich nach dem Cross-over ähnliche Verbesserungen in allen Endpunkten wie in der ursprünglichen OP-Gruppe. Nach Ablauf von zwei Jahren waren nach ISG-Fusion zwei Fälle von Schmerzzunahme und ein gluteales Hämatom ohne Assoziation zum Implantat aufgetreten. Bei einem Patienten war eine Nervenwurzel durch das Implantat verlagert worden. Die Ein-Jahres- CT-Kontrolle zeigte nur bei acht von 198 Implantaten Lockerungszeichen. „Über zwei Jahre war die iFuse Therapie sicher und im Vergleich zu konservativer Therapie effektiver bezüglich Schmerz, Behinderung und Lebensqualität“, resümierte Dengler.

Ähnlich positiv fallen die jüngst publizierten 5-Jahres-Daten der amerikanischen LOIS-Studie aus [3]. Basis dieser Publikation ist eine Patienten-Untergruppe, die an der randomisierten, kontrollierten US- Studie INSITE (Investigation of Sacroiliac Fusion Treatment) sowie der prospektiven, multizentrischen US-Studie SIFI (Sacroiliac Joint Fusion with iFuse Implant System) teilgenommen haben. Für die post- operative Kontrolle in LOIS (Long Term Outcomes from INSITE and SIFI) standen nach 60 Monaten 93 der 103 ursprünglichen Patienten zur Verfügung. Im Vergleich zu den Ausgangswerten verringerten sich die Schmerzwerte auf der VAS-Skala nach fünf Jahren um durchschnittlich 54 Punkte. Der Beeinträchtigungsgrad ODI fiel auf 26 Punkte, wobei 69 Prozent der Probanden zum Schluss eine Verbesserung von mindestens 15 Punkten angaben. Lebensqualität sowie Patientenzufriedenheit stiegen. Röntgenanalysen zeigten zudem eine hohe Rate (98%) der Knochenapposi-

tion an den Implantaten sowohl auf der Sakral- als auch auf der Iliakalseite des ISG mit einer hohen Rate an knöchernen Brücken (88 Prozent). Lediglich eine niedrige Rate von Radioluzenzen deutet auf eine Lockerung des Implantats hin (5 Prozent). Dr. Denglers Gesamtfazit lautete: „Es gibt mehr Evidenz zur Validität der Diagnostik und Therapie des ISG- Schmerzes als allgemein angenommen.“

Abb. 1: Verbesserungen beim ISG-Schmerz und Behinderungsgrad nach iFuse (grün) vs. konservativer Therapie (blau) nach 2 Jahren. Quelle (2)

Quelle: Lunchsymposium „Das Iliosakralgelenk – Evidenz, Kontroverse und Weiterentwicklung“. im Rahmen des 14. Deutschen Wirbelsäulenkongress, 28. November 2019, München; Veranstalter: SI-BONE

Literatur

  1. Scholz A et al. Innervation des IS-Gelenkes, kommt der Schmerz von oben? Meeting Abstract Deutscher Kongress für Orthopä- die und Unfallchirurgie 2017 – https://www.egms.de/ static/de/meetings/ dkou2017/17dkou743.shtml
  2. Dengler J et al. Randomized Trial of Sacroiliac Joint Arthrodesis Compared with Conservative Management for Chronic Low Back Pain Attributed to the Sacroiliac Joint. Journal of Bone and Joint Surgery 2019; 101: 400-411 doi: 10.2106/JBJS.18.00022
  3. Darr E et al. Long-term Prospective Outcomes After Minimally Invasive Trans- Iliac Sacroiliac Joint Fusion Using Triangular Titanium Implants. Medical Devices: Evidence and Research. 2018:11;113-121. doi: 10.2147/MDER.S160989.