Orthopädie

Therapiealgorithmus Dr. A. Häckel bei osteoporotischen Dens-axis-Frakturen

OP ist konservativer Therapie nur bei unter 80-Jährigen überlegen

Die Dens-axis-Fraktur ist bei den über 80-Jährigen die häufigste HWS-Verletzung. Eine Osteoporose ist dabei der wichtigste Risikofaktor. Die aktuellen Empfehlungen [1] der Sektion Wirbelsäule der DGOU zur Diagnostik und Therapie solcher Frakturen stellte Privatdozent Dr. Georg Osterhoff (Leipzig) bei einer Session im Rahmen des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) 2021 vor.

Das Dilemma bei diesen geriatrischen Patienten ist, dass sie wegen ihres Alters zahlreiche Komorbiditäten haben, was bei einer invasiven Therapie zu einer hohen perioperativen Morbidität und Mortalität führt. Andererseits resultieren aus der konservativen Therapie solcher Frakturen bis zu 80% Pseudoarthrosen. Anatomisch problematisch ist die Densfraktur deshalb, da die Frakturstelle bei der häufigsten Untergruppe, den Typ II-Frakturen, meist im Bereich der Kopfrotation liegt und aufgrund der reduzierten Durchblutung der Frakturstelle die Heilung oft erschwert ist. Anamnestisch findet sich oft ein Niedrigenergietrauma, etwa ein Sturz mit Anprallen des Kopfes, Stirnplatzwunden und Nackenschmerzen. Hier ist nach den Empfehlungen eine Bildgebung indiziert. Sensitiver als Röntgen ist das CT als Methode der ersten Wahl, die MRT sollte neurologischen Defiziten ohne CT-Befund vorbehalten bleiben. Eine Angiographie der hirnversorgenden Gefäße kann bei Frakturverlauf in die Foramina transversaria oder zur präoperativen Planung sinnvoll sein.

In der Klassifikation der Densfrakturen nach D‘Alonzo am häufigsten sind die schlecht heilenden Typ II-Frakturen. Bei älteren Patienten ist die Densfraktur häufig mit einer Atlasbogenfraktur und einer C1/2- Spondylarthrose („unhappy triad“) kombiniert. Hierbei ist die Heilung wegen der Instabilität der Kombination nochmals deutlich erschwert.

Konsens in der Therapieempfehlung besteht für eine konservative Behandlung von Typ-I- und Typ-III- Frakturen sowie für eine operative Versorgung bei neurologischen Ausfällen. Dagegen ist bei den häufigen Typ-II-Frakturen nach einer Meta-Analyse [2] aus 2009 die operative Heilungsrate nur bei Patienten über 55 Jahren, bei posteriorer Dislokation oder bei einer Dislokation > 4-6 mm erhöht. Dem steht ein Review [3] aus 2014 gegenüber, wonach Pseudoarthrosen (unter konservativer Therapie) trotz geringerer Fusionsraten nicht mit einem schlechterem funktionellen Ergebnis assoziiert sind und sich die Komplikationsraten im Alter zwischen 65 und 85 Jahren nicht unterscheiden. Hinsichtlich eines Mortalitätsunterschiedes zwischen operativem und konservativem Vorgehen ist die Datenlage jedoch unklar, so Osterhoff. Dementsprechend einigten sich die DGOU-Experten darauf, die Operation bis zum Alter von 80 Jahren als vorteilhaft hinsichtlich einer knöchernen Heilung und einer nicht erhöhten Komplikationsrate zu empfehlen. Bei älteren Patienten sollte im Einzelfall entschieden werden.

Die konservative Therapie beinhaltet eine Zervikalstütze meist über sechs und bis maximal 12 Wochen. Harte Orthesen sollten wegen der Gefahr eines Dekubitus (bei 10%) für maximal 48 Stunden (besser: für die Zeitdauer der Notaufnahme) zum Einsatz kommen. Engmaschige radiologische und klinische Verlaufskontrollen sollten nach 1, 2, 6 und 12 Wochen erfolgen und aktive Physiotherapie erst nach gesicherter Frakturheilung.

Operativ stellen dorsale Fusionen oder Transfixationen die häufigste Methode dar, anteriore Fixationen sind zwar bei strenger Indikation und technisch sauberer Ausführung eine weniger invasive Alternative, kommen wegen der Osteoporose allerdings meist nicht in Betracht.

Quelle: Sitzung AV-36 „Osteoporotische Frakturen der Wirbelsäule und des Sakrums“ beim Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie 2021 (DKOU)

Literatur

  1. Osterhoff G et al., Z Orthop Unfall 2019; 157:1-10
  2. Nourabakhsh A et al., J Neurosurg Spine 2009; 11:651-658
  3. Robinson Y et al., Biomed Res Int 2014 doi:10.1155/2014/231948