Osteologie

10 Jahre Denosumab in der Osteoporose-Therapie

Seit nunmehr zehn Jahren ist der RANKL-Inhibitor Denosumab (Prolia®) im klinischen Alltag verfügbar. Denosumab in der Dosierung von 60 mg alle sechs Monate ist geeignet zur Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und bei Männern mit erhöhtem Frakturrisiko, zur Behandlung von Knochenschwund im Zusammenhang mit Hormonablation bei Männern mit Prostatakarzinom mit erhöhtem Frakturrisiko sowie zur Behandlung von Knochenschwund im Zusammenhang mit systemischer Glukokortikoid-Langzeittherapie bei erwachsenen Patienten mit erhöhtem Frakturrisiko. [1] Denosumab ist ein monoklonaler Antikörper und war das erste Biologikum überhaupt, das für die spezifische Osteoporose-Therapie zugelassen wurde.

„In dieser letzten Dekade hat sich der therapeutische Zugang insbesondere bei älteren Patienten sehr verändert“, schilderte Prof. Dr. Markus Gosch, Medizinische Klinik 2, Schwerpunkt Geriatrie, Klinikum Nürnberg, bei einem Symposium im Rahmen der virtuellen DVO-Jahrestagung 2020. Der Geriater brachte das Beispiel einer 88-jährigen Patientin, deren Osteodensitometrie nach einem Sturz im Dezember 2007 hochpathologisch war, was aber ohne therapeutische Konsequenz blieb. Innerhalb von zwei Jahren kam es zu multiplen osteoporotischen Frakturen. Heute, so der Osteologe, würde eine Patientin mit dieser Anamnese eine deutlich intensiviertere und individuellere Therapie erhalten.

FLS verbessert Versorgung mit Osteoporose-Therapie

Was ist seither geschehen? Gosch fasste zusammen: „Natürlich haben wir nach wie vor große Lücken, was die Versorgung mit spezifischer Osteoporo- setherapie betrifft. Allerdings kann diese Versorgung deutlich verbessert werden, wenn wir engmaschiger und interdisziplinärer zusammenarbeiten, etwa durch Implementierung von Fracture Liasion Services (FLS)“. Dem hauseigenen FLS am Klinikum Nürnberg sei es zu verdanken, so Gosch, dass inzwischen zwei Drittel der Patienten nach einer osteoporotischen Fraktur eine entsprechende medikamentöse Therapie erhalten.

Osteoporose-Therapie auch im klinischen Alltag wirksam

Der Nürnberger Spezialist erinnerte daran, dass die Wirksamkeit einer Osteoporose-Therapie hinsichtlich der Frakturreduktion auch unter klinischen Alltagsbedingungen inzwischen gut dokumentiert sei. Demnach seien die Inzidenzraten für Frakturen nach Beginn einer Behandlung signifikant niedriger als in den zwölf Monaten vor Behandlungsbeginn, wie aus einer US-amerikanischen Analyse hervorgehe. [1] So kam es beispielsweise im Zeitraum zwölf Monate vor bis zwölf Monate nach Behandlungs- beginn mit dem RANKL-Inhibitor Denosumab zu einer signifikanten Reduktion der Inzidenzraten für klinische vertebrale Frakturen um 45% (95%-Konfidenzintervall: 39–51%). [2]

Denosumab: robuste Daten

Prof. Dr. Franz Jakob, Bernhard-Heine-Centrum für Bewegungsforschung, Universität Würzburg, bekräftigte im nachfolgenden Referat: „Die Daten zu Denosumab sind inzwischen sehr robust und Denosumab gilt heute als etablierte antiresorptive osteoporotische Therapie. Zudem ist die Substanz ein integraler Bestandteil verschiedener Therapiesequenzen bei benignen Knochenerkrankungen. Und Denosumab hat sich als wirksam bei Knochenmetastasen erwiesen, mit möglichen Anti-Tumor-Effekten.“

Der Wirkmechanismus von Denosumab, so Jakob, sei inzwischen weitestgehend aufgeklärt, die Substanz greife zentral in den Knochenstoff- wechsel ein: Denosumab simuliert im Knochenstoffwechsel die Wirkung von Osteoprotegerin durch hochspezifische Bindung an RANKL, wodurch die Bildung, die Aktivierung und die Differenzierung von Osteoklasten verhindert und der Knochenabbau gehemmt wird. [3]

Die Zunahme der Knochenmineraldichte durch Denosumab sowie die klinische Wirksamkeit hinsichtlich der Frakturreduktion wurde in den FREEDOM- und FREEDOM- Extensionsstudien über bis zu zehn Behandlungsjahre hinreichend dokumentiert. [4,5] In einer weiteren Arbeit wurde zudem der Zusammenhang zwischen höheren T-Scores an der Gesamthüfte und der Inzidenz nicht-vertebraler Frakturen
im FREEDOM-Kollektiv nach acht-jähriger Denosumab-Therapie untermauert. Demnach verbesserte sich die Knochenmineraldichte an der Gesamt-Hüfte um 8,3%. Zudem zeigte sich eine kontinuierliche Abnahme der jährlichen Inzidenz der nicht-vertebralen Frakturen von 2,6% nach einem Jahr und auf 0,7% im achten Jahr. [6] Jakob verwies zudem auf eine ganz aktuelle Metaanalyse, in der die klinische Wirksamkeit von Denosumab erneut dokumentiert wurde. Die Ergebnisse zeigten, dass Denosumab zu einer signifikanten Reduktion der Hüftfrakturrate versus Placebo führte, und zwar in einem größeren Ausmaß als parenterale und orale Bisphosphonate. [7]

Relevanz des RANK/RANKL-Pfades

„Osteoporose ist aber nicht nur mit dem Verlust und der Funktion von Knochen, sondern auch der Muskeln assoziiert“, erinnerte Jakob, „und
der Einfluss von Denosumab auf den RANK/RANKL-Pfad könnte auch für die Muskelfunktion relevant sein.“ So sei in einer rezenten gepoolten Analyse von placebokontrollierten Studien der Einfluss von Denosumab auf
die Muskelfunktion und damit auf das Sturzrisiko untersucht worden. Demnach war das Sturzrisiko in den Placebogruppen um 21% höher als bei Patienten unter Denosumab-Therapie (HR 0,79; 95%-Konfidenzintervall: 0,66–0,93; p=0,0061). [8]

Individuelle Therapieentscheidungen

Prof. Dr. Christopher Niedhart, Heinsberg, erinnerte in seiner Prä- sentation zunächst daran, dass für die Therapie der postmenopausalen Osteoporose neben den antiresorptiv wirksamen Substanzen wie Denosumab, Bisphosphonaten und selektiven Östrogen-Rezeptor-Modulatoren (SERM) auch osteoanabole Substanzen wie Parathormon und der neue Sklerostin-Hemmer Romosozumab zur Verfügung stünden. „Unsere Auswahl ist in den letzten Jahren deutlich größer geworden. Es liegt an uns, für jede Patientin eine bestmögliche, individuelle Therapieentscheidung zu treffen.“ Die möglichen Strategien seien, so Niedhart, abhängig vom Schweregrad der Osteoporose, von Kontraindikationen und möglichen unerwünschten Wirkungen, von der Adhärenz, der Wirtschaftlichkeit, aber auch vom Patientenwunsch im Sinne eines „shared decision making“.

Anhand einiger fiktiver Patientenfälle demonstrierte Niedhart die Entschei- dungskriterien. So wäre bei Patienten mit multiplen Frakturen und schwerer fortgeschrittener Osteoporose eine rasche osteoanabole Therapie indiziert. „Dieser sollte in der Regel eine antiresorptive Therapie folgen, um den raschen Knochenaufbau zu stabilisieren.“

Kontraindikationen und Komorbiditäten beachten

Bei den Kontraindikationen wiederum müssten typische Komorbiditäten des höheren Lebensalters im Auge behalten und die Medikation entsprechend ausgewählt werden. Niedhart zitierte aus einer Untersuchung, wonach beispielsweise ein Viertel der Frauen mit Osteoporose, bei über 80-Jährigen sogar 54%, eine glomeruläre Filtrationsrate (GFR) unter 35 ml/min und damit eine deutlich eingeschränkte Nierenfunktion aufweisen. [9] „Eine GFR unter 30 bis 35 ml/min gilt bei den meisten anti-osteoporotischen Substanzen jedoch als Kontraindikation. Für Denosumab bestehen hingegen keine Beschränkungen bezüglich der Nierenfunktion.“ [1]

Auch die geplante Therapiedauer müsste in die Entscheidungsfindung einfließen, so Niedhart: „Brauchen wir eine Sequenztherapie, gibt es Langzeitdaten zur Frakturreduktion, zu Therapiepausen und zur Therapieaufnahme?“ Direkte Vergleichsdaten für das Langzeittherapiemanagement wurden bislang nicht durchgeführt, Niedhart verwies aber ebenfalls auf die außergewöhnlich gute Datenlage von Denosumab mit Langzeitdaten zur Frakturreduktion über zehn Behandlungsjahre. [5]

Gute Therapietreue unter Denosumab

„Nicht zu unterschätzen ist auch eine gute Therapieadhärenz“, betonte Niedhart abschließend. „Wir wissen aus zahlreichen Studien, dass die Adhärenz insbesondere unter oralen Bisphosphonaten wenig zufriedenstellend ist.“ Bei ausbleibendem Erfolg einer spezifischen osteoporotischen Therapie sollte auch die Therapietreue hinterfragt und gegebenenfalls auf ein Arzneimittel zurückgegriffen werden, das nachweislich mit einer besseren Adhärenz assoziiert sei. Niedhart fasste die Ergebnisse einer deutschen Studie zum Thema zusammen: „Nach 24 Monaten beträgt die Adhärenz unter oralen Bisphosphonaten weniger als 20%, während immerhin noch knapp 40% der Patienten nach 24 Monaten therapietreu sind, wenn sie mit Denosumab behandelt werden.“ [10]

Quelle: Session 4, Satellitensymposium „10 Jahre Denosumab – wir feiern Geburtstag!“, im Rahmen der virtuellen DVO-Jahrestagung, 5. September 2020; Veranstalter: Amgen

Erstpublikation in der DVO-Kongressberichterstattung im Auftrag von Amgen Österreich

Literatur

1. Prolia® Fachinformation, Stand Januar 2020
2. Yusuf AA et al. Arch Osteoporosis 2018;13(1):33
3. Lewiecki EM, Bilezikian JP. Clinical Pharmacoloy & Therapeutics 2012; 91(1):123–133
4. Cummings SR et al. N. Engl J Med 2009; 361:756-765
5. Bone HG et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2017; 5(7):513–523
6. Ferrari S et al. J Bone Miner Res 2015; 30(suppl 1):S49–S50
7. Simpson EL et al. Bone 2020; 130:115081
8. Chotiyarnwong P et al. J Bone Miner Res 2020; 35(6):1014–1021
9. Klawansky S et al. Osteoporosis Int 2003; 14:570–576
10. Hadji P et al. Osteoporosis Int 2016; 27:2987–2978