Osteologie

Einfluss von Wirbelkörperfrakturen auf physische Leistungsparameter von Personen im höheren Lebensalter

Eine Querschnittstudie

Guido Schröder (1) , Anne Bende (2), Julian Ramin Andresen(3), Reimer Andresen(4), Hans-Christof Schober(5)

  1. KlinikfürOrthopädieundUnfallchirurgie,WarnowKlinikBützow,Bützow
  2.  MedizinischeFakultät,UniversitätRostock,Rostock
  3. MedizinischeFakultät,SigmundFreudPrivatuniversität,Wien
  4. InstitutfürDiagnostischeundInterventionelleRadiologie/Neuroradiologie,WestküstenklinikumHeide,Akademisches Lehrkrankenhaus der Universitäten Kiel, Lübeck und Hamburg, Heide
  5. KlinikfürInnereMedizinIV,KlinikumSüdstadtRostock,AkademischesLehrkrankenhausderUniversitätRostock,Rostock

Das Risiko für osteoporotische Insuffizienzfrakturen am Achsenskelett steigt mit zunehmender Abnahme der Knochendichte, wobei sich thorakal und thorakolumbal eine Häufung findet. Um die unterschiedliche Verteilung von Insuffizienzfrakturen entlang der Wirbelsäule besser zu verstehen, wurden morphologische und osteodensitometrische Untersuchungen mittels CT in den verschiedenen Wirbelsäulenabschnitten durchgeführt.

Patienten im höheren Lebensalter, die an Osteoporose (OP) leiden, haben zusätzlich eine verminderte Muskelmasse und Muskelkraft – Sarkopenie. Dies führt zu Funktionseinschränkungen und einem erhöhten Sturz- und Verletzungsrisiko. Die Bestimmung physischer Leistungsparameter wie Griff- und Rumpfkraft einerseits und Gleichgewichtsfähigkeit andererseits geben Auskunft über den neuromuskulären Allgemeinzustand und stellen einen Indikator für die körperliche Leistungsfähigkeit des alternden Menschen dar. Inwieweit stattgehabte osteoporotische Wirbelkörperfrakturen (VFx) zu einer Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit führen, ist bisher nicht ausreichend untersucht worden.


Abb. 1: Klinische Tests. Im Bild links Darstellung des Chair-Rising-Tests, in der Mitte Tandemstand, rechts im Bild Tandemstand.

Patienten und Methode

118 Personen (91w/ 27m) im Durch- schnittsalter von 71,5 ± 9 Jahren nahmen an der klinischen Untersu- chung teil (Ethikvotum A2020-0041). Es wurden 2 Gruppen gebildet. OP (58 Patienten, 46w/12m) und Ver- gleichsgruppe (VG) (60 Patienten, 45w/15m). In Subgruppenanalysen wurden OP­Patienten mit VFx und ohne VFx (ØVFx) betrachtet. Für alle Patienten lag ein körperlicher Status mit Griffkraft (GK), Chair­rising­Test (CRT), Tandemstand (TS), Tandem­ gang (TG) und Einbeinstand (EBS) vor.

Alle erhobenen Daten wurden mit dem statistischen Softwarepaket SPSS, Version 23.0 (SPSS Inc., Chicago, USA) analysiert. Die Be­schreibung der quantitativen Merk­male erfolgte jeweils als Mittelwert (MW) und Standardabweichung (SD) und Anzahl (n) der verfügbaren Beobachtungen und wurde mithilfe des Intervalls MW±SD dargestellt. Für Gruppenvergleiche kam der Students t­Test oder der Mann-­Whitney-­U-­Test zum Einsatz. Die Auswahl erfolgte in Abhängig­ keit vom Resultat des Kolmogorow­ Smirnow­-Tests auf Normalverteilung. In einer multiplen Regressionsanalyse ermittelten wir unabhängige Einfluss­ faktoren auf die GK. Alle p­Werte sind das Resultat zweiseitiger statistischer Tests und prinzipiell wird p ≤0,05 als statistisch signifikant angesehen.

Abb. 2: Subgruppenanalyse der Handgriffkraft der dominanten Hand in Abhängigkeit von stattgehabten Wirbelkörperfrakturen (VFs) bei Patienten mit Osteoporose.

Abb. 3: Subgruppenanalyse der Handgriffkraft der dominanten Hand in Abhängigkeit vom Geschlecht bei Patienten mit Osteoporose.

Ergebnisse

Zwischen den Gruppen OP und VG bestand hinsichtlich der Parame­ter GK, CRT, TG, TS und EBS kein signifikanter Unterschied (p>0,05). In der Subgruppenanalyse wiesen OP­Patienten mit VFx im Vergleich zu OP­Patienten ØVFx eine geringere GK auf (VFx: 24,3±10,2kg vs. ØVFx: 29,7±9,5kg, p=0,043). Der TS (VFx: 7,8±3,2s vs. ØVFx: 9,5±1,8s, p=0,012) wurde von OP­-Patienten ØVFX länger gehalten. Ihnen war es im TG möglich, mehr Schritte zu balancie­ren (VFx: 4,8±3,0 vs. ØVFx: 6,7±2,4, p=0,012). In einer Regressionsanalyse zeigte sich das Alter als stärkster un­abhängiger Einflussfaktor auf die GK (p<0,001).

Diskussion

Das Patientenalter hat einen rele­vanten Einfluss auf die GK, wobei die Ausgangsbedingungen nach diagnostizierter OP auf vergleich­ barem Niveau in dieser Altersgruppe liegen. Bei einer Subgruppe von OP-­Patienten mit VFx findet sich ein enger Zusammenhang zwischen Knochen und Muskulatur mit einer zunehmenden Verschlechterung des muskuloskelettalen Systems. Zur Prophylaxe einer Osteosarkopenie erscheint ein frühzeitiges Training sinnvoll.

Fazit für die Praxis

• Die physikalischen Performance­ Parameter sind mit diagnosti­zierter OP nicht zwangsläufig schlechter als in einer gleich­ altrigen VG.

• Das Alter, das Geschlecht und die Körpergröße sind unabhängige Einflussfaktoren der HGS.

• Bei einer Subgruppe von Patienten mit OP sowie VFs besteht ein enger Zusammenhang zwischen Knochen und Musku­latur mit einer zunehmenden Verschlechterung des muskulo­ skelettalen Systems.

• Ein an die individuelle Fitness angepasstes und frühzeitig eta­ bliertes muskuläres Trainings­programm scheint neben der leitliniengerechten medikamentö­sen OP­Therapie sinnvoll.