Osteologie

Immobilisierende lumbosakrale Schmerzen durch Insuffizienzfrakturen im Rahmen einer Osteopetrose

Julian Ramin Andresen1, Anna Schrum2, Sebastian Radmer3, Reimer Andresen2

  1. Medizinische Fakultät der Sigmund-Freud-Privatuniversität, Wien
  2. Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie / Neuroradiologie, Westküstenklinikum Heide, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universitäten Kiel, Lübeck und Hamburg, Heide
  3. Zentrum für Bewegungsheilkunde, Facharztpraxis für Orthopädie, Berlin

Die Osteopetrose ist mit einer Inzidenz von 1:200.000 eine seltene erbliche Knochenerkrankung. Durch eine Störung des Knochenstoffwechsels kommt es zu einer übermäßigen Sklerosierung des Markraums. Es werden ein autosomal-rezessiver (infantil maligne Osteopetrose mit renal-tubulärer Azidose) und ein autosomal-dominanter Erbgang (Typ 1 (ADO I), Typ 2 (ADO II, Albers-Schönberg-Krankheit)) unterschieden. Die ADO I zeigt eine generalisierte Sklerose mit Betonung in der Schädelbasis. Die ADO II zeigt die charakteristische Sandwichwirbelbildung. Die ADO I führt durch das Fehlen von matrixabbauenden Os- teoklasten zu stabileren Knochen, die weniger frakturgefährdet sind, wohingegen bei der ADO II durch eine Fehlfunktion der matrixabbauenden Osteoklasten eine Matrixinstabilität mit einhergehender erhöhter Frakturgefährdung vorliegt.

Abb. 1: links: koronares CT-Schnittbild. Stark sklerosiertes Os sacrum und Frakturzonen beidseits; rechts: sagittal reformiertes CT- Schnittbild. Deutliche Sandwichwirbel.

Methode

Wir berichten über eine 80-jährige Patientin mit akut aufgetretenen, immobilisierenden lumbosakralen Schmerzen ohne vorangegangenes Trauma. Anamnestisch ergab sich kein Anhalt für das Vorliegen eines Malignoms, eine Osteoporose war nicht bekannt. Laborchemisch fand sich ein Vit.-D-Mangel. Eine Anämie oder Hypocalcämie waren nicht nachweisbar. Zur weiteren Abklärung der Schmerzen erfolgten konventionelle Röntgenaufnahmen der LWS und des Beckens sowie ein LWS- und Becken-CT.

Ergebnisse

Die Röntgenbilder der LWS zeigten eine charakteristische 3-Schichtung der Wirbelkörper mit Mehrsklerosierung der Grund- und Deckplatten, die sogenannten Sandwichwirbel, ohne Anhalt für eine Fraktur. In den Beckenaufnahmen zeigte sich eine ausgeprägte Dichtezunahme der ossären Strukturen mit diffusen, inhomogenen Sklerosierungen. Es ergab sich außerdem der V.a. abgelaufene Frakturen im vorderen Beckenring. Die Becken-CT (s. Abb. 1) zeigte neben den für eine Osteopetrose ADO II typischen Sandwichwirbeln eine diffuse Mehrsklerosierung des Beckenskeletts sowie der Femora betont epi- und metaphysär mit Bandenbildung.

Als schmerzursächlich fanden sich komplexe Frakturen des Os sacrum beidseits (s. Abb. 1), zusätzlich ließen sich ältere Frakturen des vorderen Beckenrings detektieren.

Die Patientin wurde schmerztherapeutisch eingestellt, schmerzadaptiert mobilisiert und physiotherapeutisch behandelt. In der Folge fand sich eine deutliche Schmerzreduktion von initial VAS 8 auf VAS 3. Die Patientin konnte nach 3-wöchiger multimodaler Komplextherapie in die häusliche Umgebung entlassen werden. Der bestehende Vitamin-D-Mangel wurde substituiert.

Diskussion

Bei der ADO II liegt eine reduzierte Osteoklasten-Aktivität vor, dieses führt zu einer erhöhten Knochendichte mit gestörter Mikroarchitektur und daraus resultierendem erhöhten Frakturrisiko. Die bei unserer Patientin vorliegende komplexe sakrale Insuffizienzfraktur war ursächlich für die immobilisierenden Schmerzen. Die Entscheidung für ein konservatives oder operatives Vorgehen bei diesen Frakturen muss individuell getroffen werden.