Osteologie

Manifeste Osteoporose: Antikörper mit dualem Wirkmechanismus erweitert das Arsenal gegen Folgefrakturen

Nach ersten manifesten osteoporotischen Frakturen ist das Risiko für gravierende Folgefrakturen massiv erhöht. [1] Hier gilt es daher, mit möglichst effektiven Maßnahmen frühestmöglich entgegenzusteuern. Mit dem monoklonalen Sklerostin-Antikörper Romosozumab steht jetzt eine wirksame Behandlung zur Verfügung. Das Besondere daran: hier ist erstmals ein knochenabbauhemmender und ein knochenaufbauender dualer Effekt in einer Substanz vereint. [2-4]

Die erste osteoporotische Fraktur ist häufig der Einstieg in einen Teufelskreis aus Schmerz, Immobilisierung, Verringerung der Muskelkraft und -funktion, Unsicherheit und in der Folge erhöhter Fallneigung mit der Gefahr von Wiederholungsfrakturen. In Deutschland treten jährlich etwa 725.000 neue osteoporotische Frakturen mit immensen Kosten auf, davon sind etwa 130.000 Hüft- und 114.000 Wirbelfrakturen. [5] Für 2025 werden aufgrund der demographischen Entwicklung bereits ca. 928.000 osteoporotische Frakturen erwartet. Der Großteil der dadurch entstehenden Kosten von derzeit bereits 8,7 Mrd. Euro geht zulasten der unmittelbaren Frakturversorgung. Hiervon belaufen sich 6,6 Mrd. Euro allein auf die Kosten der Versorgung im ersten Jahr nach Fraktur. [5] Die Langzeitkosten für Anschlussrehabilitation und Pflege summieren sich dann auf weitere ca. zwei Mrd. Euro. Für die Prävention wird dagegen nur ein sehr geringer Teil der Summe aufgewendet. [5]

Die drei wesentlichen Risikofaktoren für osteoporotische Brüche sind Alter, bereits erlittene Frakturen – besonders Schenkelhals- und Wirbelkörperfrakturen – sowie die mangelhafte langfristige Compliance der Patienten. [6] Am höchsten, nämlich fünffach erhöht, ist das Risiko von Folgefrakturen unmittelbar nach der ersten Fraktur, es ist jedoch selbst zehn Jahre danach noch doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. [1] Die erste osteoporotische Fraktur als Warnsignal erfordert schnelles Handeln, um weitere Frakturen zu verhindern. [1] Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte der Arzt diagnostisch und therapeutisch reagieren, denn bereits nach einem Jahr haben etwa 10% der Patienten schon eine Folgefraktur erlitten, im Mittel bereits sogar nach nur 145 Tagen. [6]

Osteoporotische Frakturen haben einen starken Einfluss auf das Risiko weiterer Frakturen. [1] Bei nachgewiesenen WKF oder SHF können die Patienten wegen dieses Risikos sogar direkt und ohne weitere Diagnostik (bspw. einer Knochendichtemessung) behandelt werden. So ist die Belastung durch osteoporotische Frakturen ähnlich hoch wie bei Lungenkrebs oder Demenz. [8] Das Risiko für gleichartige Folgebrüche variiert zudem mit der Lokalisation der Erstfraktur: Es beträgt bei WKF nach einem Jahr fast 20%, bei SHF etwa 11% und bei distalen Radiusfrakturen ca. 14%. [7] Da jedoch Osteoporose eine generalisierte Erkrankung ist, erhöht sich auch das Risiko weiterer Frakturen anderer Lokalisation am Skelettsystem nach einem ersten Ereignis. [7] Schätzungsweise 60% der deutschen Frauen im Alter ab 50 bleiben unbehandelt innerhalb eines Jahres nach einer Knochenschwundfraktur. [8]

Abb. 1: Relative Risikoreduktion für neue vertebrale Frakturen um 48% unter Romosozumab gefolgt von Alendronat.

Sklerostin-Antikörper wirkt osteoanabol und antiresorptiv

Trotz einer ganzen Palette verfügbarer Osteoporose-Therapeutika besteht gerade bei Patienten mit hohem Risiko nach wie vor die Notwendigkeit für neue Strategien.
Zwar sind bereits osteoanabole Substanzen verfügbar, doch mit dem Sklerostin-Antikörper Romosozumab (EVENITY®) wurde nun ein neues, duales Wirkprinzip realisiert. Basierend auf der Entdeckung, dass Menschen mit genetisch bedingter fehlender Sklerostin-Produktion (Sklerostose) eine extrem erhöhte und dichte Knochenmasse auf- weisen, wurde die Funktion von Sklerostin entdeckt und dann die Sklerostinhemmung als wirksame Therapie entwickelt. Nachdem Phase-II-Studien sowohl einen hohen Knochenzuwachs als auch eine reduzierte Knochenresorption unter Romosozumab ergeben haben, hat sich der Antikörper auch in mehreren Phase-III-Studien als effektive Osteoporose-Therapie erwiesen. [9]

Der randomisierte, doppelblinde Vergleich einer zwölfmonatigen Behandlung mit Romosozumab
(210 mg s.c., 1x monatlich) gefolgt von Alendronat oder von Alendronat allein (70 mg oral, 1x wöchentlich) in der Phase-III-Studie ARCH bei 4.093 postmenopausalen Frauen mit Osteoporose und Frakturanamnese und anschließender Weiterbehandlung aller Patienten mit Alendronat bis Monat 36 führte zu einem um 6,1 Prozentpunkte höheren Zuwachs der Knochendichte am Schenkelhals (9,7% vs. 3,6%) unter Romosozumab. [10] Die Inzidenz neuer vertebraler Frakturen nach 24 Monaten als primärer Endpunkt war unter dem Antikörper um 48% geringer als unter dem Bisphosphonat (6,2% vs. 11,9%). [10] Dieser Vorteil für Romosozumab blieb für vertebrale, nicht-vertebrale und Hüftfrakturen über die Dauer der offenen Anschlussphase mit Alendronat erhalten.

Dieser Vergleich mit dem antiresorptiven Alendronat als Vergleichstherapie in der ARCH-Studie bei Patientinnen mit besonders hohem Frakturrisiko belegt damit für Romosozumab signfikante Vorteile gegenüber der Standardtherapie. Romosozumab ist bei Herzinfarkt und Schlaganfall in der Vorgeschichte kontraindiziert. Insgesamt waren die Verträglichkeitsprofile während der Zulassungsstudien ausgeglichen. [2-4] Die häufigsten Nebenwirkungen waren Nasopharyngitis (13,6 %) und Arthralgie (12,4%). [2]

Der Wechsel einer mindestens dreijährigen Bisphosphonat-Behandlung – etwa nach neuen Frakturen – zur osteoanabolen Therapie mit Romosozumab oder Teriparatid in der offenen randomisierten Phase-III- Studie STRUCTURE ergab unter dem Antikörper eine deutliche Zunahme der Knochendichte an der Hüfte, die unter Teriparatid nicht beobachtet wurde. Dieser Unterschied wurde besonders innerhalb der ersten Therapiemonate, dem osteoanabolen Fenster, beobachtet. [11] Dank des dualen Effekts des monoklonalen Antikörpers wird der Knochenaufbau gefördert und die Knochenresorption verringert. [2-4]

Die Substanz, die für postmenopausale Frauen mit manifester Osteoporose und deutlich erhöhtem Frakturrisiko indiziert ist, ist das erste Osteoporosemedikament mit einem neuartigen Wirkmechanismus, das seit 2010 in der Europäischen Union (EU) zugelassen wurde. 􏰀

Literatur

1. Van Geel TA et al. Ann Rheum Dis 2009; 689: 99-102

2. EVENITY® Fachinformation, Stand Dezember 2019

3. Cosman F et al. N Engl J Med 2016;375:1532- 1543

4. Ferrari SL. Nat Rev Rheumatol 2018; 14:128

5. Svedbom S et al. Arch Osteoporos 2013; 8; 137: 75-82

6. Hadji P et al. DVO Osteologie 2018 Dresden;Abstract und Poster P31

7. Hadji P et al. Osteoporotic Fracture and Subsequent Fractures: Imminent Fracture Risk from an Analysis of German Real World Data; DVO Osteologie 2019 Frankfurt, 28.-30. März; Abstract und Poster P19

8. RUINIERTE KNOCHEN, RUINIERTES LEBEN: Ein strategischer Plan zur Lösung der Fragilitätsfrakturkrise in Deutschland; IOF Bericht 2018

9. McClung MR Osteoporos Sarcopenia 2018; 4(1):11-15

10. Saag KG et al. N Engl J Med 2017;377:1417-1427 11. Langdahl BL et al. Lancet 2017;390:1585-94