Osteologische Aspekte bei ultrahoch- dosierter Vitamin/Prohormon D-Therapie im Rahmen des “COIMBRA-Protokolls“
PD Dr. med. Klaus Abendroth
Tatzendpromenade 2a
D-07745 Jena
E-Mail: Klaus.Abendroth@t-online.de
K. Abendroth, B. Abendroth
Zusammenfassung:
Unter immumodulierender Ultrahochdosis-Vitamin-D-Therapie – nach dem Coimbra-Protokoll – bei Multipler Sklerose (MS) ist mit einem verstärkten Knochenabbau zu rechnen. Muskelmasse und -kraft können davon ebenfalls betroffen sein. Bei der Beurteilung von Knochendichte und Muskelmasse sind MS-bedingte “halbseitige Vorschäden“ zu bedenken.
Basis des COIMBRA-Protokolls
Dr. C.G. Coimbra – Neurologe, Forschungslabor für klinisch experi- mentelle Pathophysiologie an der Universität von Sao Paulo – beschreibt die Basis des nach ihm benannten Protokolls wie folgt:
≠Das D-Hormon ist der größte Regulator des Immunsystems, es modifiziert die Funktion von Tausenden Genen. An über 3.000 Rezeptoren im Körper sei es wirksam, steuert Genexpressionen und die normale Funktion des Immunsystems. Patienten mit Auto- immunerkrankungen haben eine genetisch geprägte partielle Resistenz gegen die immunmodulatorische Wirkung des D-Hormons. Polymorphe Änderungen an einer der beiden D- Hormon-Hydroxylasen (insbesondere 1-alpha-Hydroxylase), am D-Hormon- Rezeptor oder am D-Hormon-bindenden Protein veranlagen Menschen, Autoimmunerkrankungen zu entwickeln. So besteht z.B. bei der Multiplen Sklerose eine Verwertungsstörung des Prohormons “Vitamin“ D, es erfolgt keine ausreichende Immun- modulation durch das D-Hormon trotz hoher D-Hormon-Spiegel im Blut.
Methode
(nach www.Coimbra-Protokoll)
Die physiologische Vitamin/Prohormon D-Dosis beträgt minimal 7.000 Einheiten/Tag für Erwachsene mit einem normalen BMI – die gleiche Menge produziert der Körper in ~ 10 bis 20 Minuten Sonnen-Exposition. 10.000 IE/d sind danach eine physiologische Tages-Dosis (Coimbra, Holick).
Im COIMBRA-Protokoll reichen die Prohormon D-Dosen von 30.000 bis zu über 100.000 IU pro Tag. Es wird in der Regel mit 1.000 IE pro Kilogramm Körpergewicht gestartet. Die Langzeitdosis wird nach den Laborergebnissen eingestellt. Das Prohormon D hemmt die Produktion von Parathormon(PTH). Die Reduktion des PTH-Spiegels nahe der unteren Grenze des Normalbereichs ist der Indikator für die Höhe der Vitamin D-Langzeitdosis. Während des Protokolls sind PTH- und Kalzium-Serumspiegel und Urin- Kalzium zu beobachten. Dazu eine tägliche Trinkmenge von mindestens 2,5 Litern Wasser bei strenger Caarmer Diät. Jährliche DXA-Scans zur Erfassung des Knochenabbaus – Aufgabe des Osteologen. Erste Erfahrungen mit einer MS-Patientin und diesem Protokoll zeigen, wie das System funktioniert und vor welche Probleme der Osteologe dabei gestellt werden kann.
Abb. 3a-d: DXA-Analyse, Laborparameter, Muskelfunktionen. Die Differenzen bei der DXA-Analyse zwischen links & rechts sind Folgen der MS-Schädigung der linken Extremitäten, diese sind bei der Einordnung von Osteopenie/Osteoporose und bei der Beurteilung der Progredienz unter der Vitamin D-Therapie zu bedenken.
Kasuistik
Bei einer 52 jährige Patientin mit einer seit ~ 30 Jahren aktiven Multiplen Sklerose erfolgt eine osteologische Mitbetreuung. Die Patientin erhält nach dem sog. COIMBRA-Protokoll tgl. 2x 40.000 IE Vitamin D3. Unter dieser Behandlung sind Labor- Kontrollen von PTH, Ca, Ca++, Ca- Ausscheidung im Urin, Kreatinin und TSH sowie eine jährliche DXA- Kontrolle erforderlich.
Die Patientin, in der beginnenden Menopause, bietet einen gesteigerten Knochenstoffwechsel, erhöhte Ctx- und DPYD-Werte, eine Osteopenie im Gesamtskelett, im Hüftbereich eine densitometrische Osteoporose links und eine Osteopenie rechts, eine densitometrische Sarkopenie und nach Handkraft, Chair-Rising und Up & Go-Test eine Dynapenie.
Da der angestrebte Therapie-Bereich von ~ 15-16 pg/ml PTH noch nicht erreicht ist, wurde die tägliche Vitamin D-Dosis auf 2x 60.000 IU/d gesteigert. Ein Therapieeffekt dieser speziellen Vitamin D-Therapie wird subjektiv empfunden, kann objektiv aber bei unserer Patientin z.Zt. noch nicht erwartet werden. Unabhängig davon ist nach 1 Jahr der ultrahoch- dosierten Vitamin-D-Therapie ein Knochenmasse-/Knochendichte- Verlust von 4-5% in allen Skelettregionen zu beobachten. Dabei ist auch die präklimakterische Situation pathogenetisch mit zu bedenken.
Als osteologische Präventions-und Therapie-Optionen sind nach dem COIMBRA-Protokoll Bisphosphonate möglich, ohne dass klare Erfahrungen damit bei der MS belegt sind. Eine HRT (wäre für die Patientin möglich) wird aus neurologischer Sicht zweideutig beurteilt.