Osteologie

Scapula alata – Ein seltenes neurologisches/ muskuloskelettales Phänomen

Sebastian Radmer1 , Julian Ramin Andresen2

1 ZentrumfürBewegungsheilkunde,FacharztpraxisfürOrthopädie,Berlin
2 MedizinischeFakultätderSigmund-Freud-Privatuniversität,Wien

Die Scapula alata ist ein seltenes Krankheitsbild, wobei aus äthiopathologischer Sicht neurologische, infektiöse, knöcherne und muskuläre Ursachen vorliegen können. Neben einer dumpfen Schmerzsymptomatik in der Schulterregion spielt auch der kosmetische Aspekt einer abstehenden Scapula eine Rolle. Häufigste Ursache ist eine Läsion des N. thoracicus longus mit Schwäche oder Parese des M. serratus anterior, weitere Ursachen können Infektionserkrankungen (Borreliose) oder generalisierte Muskelerkrankungen sein.

Methode

Wir berichten über einen 36­jährigen Patienten mit progredienten Schul­terschmerzen und zunehmenden Ab­stehen der Scapula unter Belastung, Kraftverlust und Missempfindungen im linken Arm.

Ergebnisse

Klinisch zeigte sich eine leichte Atrophie des M. latissimus dorsi, beim Liegestütz gegen die Wand fand sich ein zunehmendes Winging der Scapula. Des Weiteren war der Bicepssehnenreflex abgeschwächt

und es bestanden Dysästhesien im C6 Dermatom. Laborchemisch zeigten sich keine erhöhten Entzündungs­werte, das Vorliegen einer Borreliose konnte ausgeschlossen werden.

Im konventionellen Röntgen der HWS und Schulter konnten Patholo­gien ausgeschlossen werden. In der durchgeführten Elektrophysiologie konnte ein C6 Wurzelsyndrom mit Paresen im M. latissimus dorsi, des M. biceps brachii sowie der Mm. rhomboidei nachgewiesen werden.

In der daraufhin durchgeführten kontrastmittelunterstützten MRT der HWS zeigte sich eine zervikale Syrin­gomyelie im Halsmark auf Höhe des 6. HWK mit einer Längsausdehnung von 2 cm. Ein Prolaps, eine spinale Stenose oder ein Tumorgeschehen konnten ausgeschlossen werden.

Therapeutisch erfolgte eine physio­therapeutische Behandlung mit Muskelkräftigung, ­dehnung und ­detonisierung. Zusätzlich wurde eine Bedarfsmedikation mit NSAR verord­net. Hierunter fand sich im Verlauf eine Besserung der Schmerzen bei persistierendem Winging.

Abb. 1: Klinisches Bild der Scapula alata links: leichtes Winging der Scapula.

Abb. 2a-d: MRT der Halswirbelsäule.
Darstellung einer cervikalen Syringomyelie auf Höhe des 6. Halswirbelkörpers mit einer Ausdehnung craniocaudalen Ausdehnung von ca. 19 mm. Die Syringomyelie kommt in den T1-gewichteten Bildern signalarm zur Darstellung (a), in den T2-gewichteten Bildern (b), der STIR Sequenz© sowie der mFFE Sequenz kommt die Syringomylie signalreich zur Darstellung.

Diskussion

Die Scapula alata ist eine äußerst seltene Pathologie des Schulter­blatts, welche die Biomechanik des Schultergelenkes sowie die funktio­nelle Aktivität der oberen Extremität kompromittiert. Im vorliegenden Fall konnte als Ursache eine zervikale Syrinx nachgewiesen werden, welche zu den Paresen in den Versorgungs­gebieten des N. dorsalis scapulae und des N. thoracicus longus führte. Eine kurative Therapie ist nicht möglich, bei zunehmender Klinik sollte eine Größenprogression der Syrinx im MRT beurteilt werden. Eine Drainage oder Operation der Syrinx ist kompli­kationsreich und mit häufigen Rezi­diven behaftet, die Indikation sollte strenggestellt werden.

Literatur

1. Didesch JT, Tang P. Anatomy, Etiology, and Management of Scapular Winging. J Hand Surg Am. 2019; 44 (4): 321-330.

2. Gooding BW, Geoghegan JM, Wallace WA, Manning PA. Scapular Winging. Shoulder Elbow. 2014; 6 (1): 4-11.

3. Meininger AK, Figuerres BF, Goldberg BA. Scapular winging: an update. J Am Acad Orthop Surg. 2011; 19 (8): 453-462.