Osteologie

Vergleich von spongiöser Knochendichte mit dem Auftreten von Insuffizienzfrakturen im zervikalen, thorakalen, lumbalen und sakralen Wirbelsäulenbereich

Eine Leichenstudie

Claus Maximilian Kullen1, Guido Schröder2, Julian Ramin Andresen3, Marko Schulze4, Hans-Christof Schober2, Reimer Andresen1

  1. Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie / Neuroradiologie,
    Westküstenklinikum Heide, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universitäten Kiel, Lübeck und Hamburg, Heide
  2. Klinik für Innere Medizin IV, Klinikum Südstadt Rostock, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Rostock, Rostock
  3. Sigmund-Freud-Privatuniversität, Wien
  4. InstitutfürAnatomie,UniversitätsmedizinRostock,Rostock

Schlüsselwörter: Insuffizienzfrakturen, Osteoporose, QCT, spongiöse Knochendichte, Wirbelsäule

Osteoporotische Insuffizienzfrakturen treten bei deutlich reduzierter spongiöser Knochendichte vor allem thorakal, thorakolumbal und sakral – nicht jedoch zervikal auf. [1] Eine höhere Knochenmasse und eine größere Interkonnektivität der Spongiosa im HWS-Bereich wurde in einer früheren histomorphometrischen Arbeit beschrieben. [2] Um diese Verteilung zu verstehen, wurden mittels CT morphologische und osteodensitometrische Untersuchungen in den verschiedenen Wirbelsäulenabschnitten von Körperspendern durchgeführt.

Abb. 1: Visualisierung des Versuchsaufbaus, der Bildreformation und der Messungen. (1a) zeigt die Lage einer eingebetteten Wirbelsäule in der PVC-Röhre als transparente 3D-Rekonstruktion. Aus den axialen CT-Scans wurden sagittale Rekonstruktionen berechnet um Frakturen zu detektieren (1b). Eine ROI wurde in jedem der Corpora vertebrae mittvertebral positioniert und die Dichte in HE bestimmt (1c). Eine 3D Rekonstruktion ermöglichte die abschließende Einschätzung von Deformitäten und Frakturen.

Material/Methodik

Die nachfolgende in-vitro- Untersuchung wurde durch die zuständige Ethikkommission der Universität Rostock geprüft und genehmigt (Nr. A 2017-0072). Von 30 Körperspendern wurden die gesamten Wirbelsäulen, zur Simulation eines homogenen, anatomisch analogen Körperumfangs, möglichst luftfrei, in ein Plexiglas-Wasser-Phantom (KG-Rohr aus Hart-Polyvinylchlorid, PVC-U) mit einem Durchmesser von 25 cm und einer Länge von 125 cm fixiert (s. Abb. 1a). [3] Danach wurde ein hochauflösendes Spiral-CT (GE Revolution EVO/64 Zeilen CT/ laterales Scanogramm, axiale Schichtdicke < 1 mm, sowie axiale und sagittale Reformation mit einer Schichtdicke von 2 mm) durchgeführt. In den sagittal reformierten Schnittbildern (s. Abb. 1b) erfolgte die Detektion und Gradeinteilung von Wirbelkörperdeformitäten [4] durch zwei unabhängige Radiologen. Zu diesem Zeitpunkt wurden Wirbelsäulen mit Metastasen, einer diffusen idiopa- thischen Skeletthyperostosis oder ausgeprägten Skoliose von der weiteren Untersuchung ausgeschlossen, so dass 26 von 30 Spenderwirbelsäulen (Durchschnittsalter 81.2 ± 8,1 Jahre) weiter ausgewertet wurden.

Abb. 2: Lumbaler Knochenmineralgehalt (KMG in mg/ml) bezogen auf die Anzahl der Frakturen. Dabei ist ein KMG von unter 80 mg/ml definiert als Osteoporose, bei Werten unter 60 mg/ml steigt das Frakturrisiko signifikant. Deutlich reduzierter KMG führt zu erhöhter Frakturanzahl im thorakalen Bereich sowie im thorakolumbalen Übergang und lumbal. Es fanden sich keine Frakturen in den cervikalen Abschnitten der untersuchten Wirbelsäulen.

Zur Visualisierung der gesamten Wirbelsäulenanatomie erfolgte eine 3D-Volumendarstellung an einer externen Workstation (GE AW- Server® Version 2.0. Vermessung der Wirbelsäulen in GE Centricity RIS-i® Version 5.0) (s. Abb. 1c). Eine Knochenmineralgehaltsbestimmung erfolgte mittels QCT (GE Revolution EVO / 64 Zeilen Computertomograph sowie Mindways Software 3D Volu- metric QCT Spine). Die Bestimmung des spongiösen Knochenmineral- gehalts erfolgte im Volumenblock auf Höhe von LWK 1, LWK 2 und LWK 3, der Mittelwert angegeben in mg/ml wurde zur Abschätzung einer Osteo- porose herangezogen. Es erfolgte eine zusätzliche Messung der CT- morphologischen Spongiosadichte in Hounsfield-Einheiten (HE-Werte) der einzelnen Wirbelköper von HWK 3 bis SWK1 (insgesamt 598 Wirbelkörper), jeweils durch eine manuell positionierte ROI im spongiösen Raum.

Abb. 3: Mittvertebrale Densitäten (in HE) in Abhängigkeit der Wirbelkörperlokalisation. Die graphische Visualisierung zeigt eine deutliche Abnahme der CT-morpholischen mittvertebralen Spongiosadensitäten der Corpora vertebrae von 26 Wirbelsäulen im kraniokaudalen Verlauf.

Ergebnisse

Bei allen Wirbelsäulen lag eine Osteoporose vor. Bei einem Knochenmineralgehalt unterhalb von 60 mg/ ml fanden sich signifikant vermehrte Sinterungsfrakturen im thorakalen und thorakolumbalen Bereich (s. Abb. 2). Frakturen im HWS-Bereich fanden sich insgesamt nicht. Die Spongiosadichte war signifikant (p < 0,001) höher in den zervikalen (183,3 HE im Mittel) als in den thorakalen (94,2 HE im Mittel), lumbalen (64,1 HE im Mittel) und sakralen (59,4 HE im Mittel von SWK 1) Wirbelkörpern aller untersuchten Wirbelsäulen. Eine Verteilung der mittvertebralen Spongiosadichte über die gesamten Wirbelsäulen zeigt einen kontinuierlichen Dichteanstieg in Richtung der Halswirbelkörper (s. Abb. 3).

Schlussfolgerung

Ein Verlust an Knochenmineralgehalt in der Wirbelkörperspongiosa führt zu einem erhöhten Frakturrisiko [5], welches sich auch bei unseren Wirbelsäulen zeigte. Jedoch wird im zervikalen Bereich ein frakturkritischer Schwellenwert der spongiösen Knochendichte für das Auftreten von Sinterungsfrakturen, auch bei manifester Osteoporose, scheinbar nicht unterschritten. Welche Bedeutung hier die spongiöse Textur [6,7], der kortikale Ring [8], die Wirbelkörpergröße mit Höhe und Fläche [9] sowie Krafteinleitung [10] haben, ist zurzeit Gegenstand weiterlaufender Untersuchungen.

Literatur

  1. Schröder G, Wendig D, Jabke B, Schulze M, Wree A, Kundt G, Manhart J, Martin H, Sahmel O, Andresen R, Schober HC. Vergleich der Spongiosamorphologie aus humaner Halswirbelsäule (HWS), Brustwirbelsäule (BWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) einer 102-jährigen Körperspenderin. Osteol 2019; 28 (4): 283-288.
  2. Grote HJ, Amling M, Vogel M, Hahn M, Pösl M, Delling G. Intervertebral variation in trabecu- lar microarchitecture throughout the normal spine in relation to age. Bone 1995; 16 (3): 301-308.
  3. Andresen R, Radmer S, Banzer D, Felsenberg D, Wolf KJ. Quantitative Knochenmineral- gehaltsbestimmung (QCT) – Systemvergleich baugleicher Computertomographen. (The quantitative determination of bone mineral content – a system comparison of similarly built computed tomographs). Fortschr Rönt- genstr 1994; 160 (3): 260-265.
  4. Genant HK, Wu CY, van Kuijk C, Nevitt MC. Vertebral fracture assessment using a semi- quantitative technique. J Bone Miner Res 1993; 8 (9): 1137-1148.
  5. Andresen R, Radmer S, Banzer D. Bone mineral density and spongiosa architecture in correlation to vertebral body insufficiency fractures. Acta Radiol 1998; 39 (5): 538-542.
  6. Haidekker MA, Bidesi A, Radmer S, Andresen R. Texturparameter zur Bestimmung osteoporotisch bedingter Strukturveränderungen im CT-Bild der Wirbelkörperspongiosa – eine Vergleichsstudie. Osteol 2006; 15 (2): 120-130.
  7. Muehlematter UJ, Mannil M, Becker AS, Vokinger KN, Finkenstaedt T, Osterhoff G, Fischer MA, Guggenberger R. Vertebral body insufficiency fractures: detection of vertebrae at risk on standard CT images using texture analysis and machine learning. Eur Radiol 2019; 29(5): 2207-2217.
  8. Andresen R, Werner J, Schober HC. Contribu- tion of the cortical shell of vertebrae to me- chanical behaviour of the lumbar vertebrae with implications for predicting fracture risk. Br J Radiol 1998; 71 (847): 759-765.
  9. Stern D, Njagulj V, Likar B, Pernuš F, Vrtovec T. Quantitative vertebral morphometry based on parametric modeling of vertebral bodies in 3D. Osteoporos Int 2013; 24 (4): 1357-1368.
  10. Martin H, Werner J, Andresen R, Schober HC, Schmitz KP. Noninvasive assessment of stiffness and failure load of human vertebrae from CT-data. Biomed Tech 1998; 43 (4): 82-88.

Claus Maximilian Kullen

Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie / Neuroradiologie Westküstenklinikum Heide
Esmarchstraße 50
25746 Heide

E-Mail: ckullen@wkk-hei.de