Versorgungsforschung der Osteoporose in Deutschland
Prof. Dr. med. Peyman Hadji
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe
2. Vorsitzender des Dachverbandes Osteologie e.V.
Frankfurter Hormon- und Osteoporosezentrum Goethestr. 23
60313 Frankfurt am Main
Aktuelle Forschungsergebnisse 2019
Die im Jahr 2013 veröffentlichte Erhebungsstudie “BEST“ (Bone Evaluation Study) hatte seinerzeit ergeben, dass in Deutsch- land im Jahr 2009 ca. 5,4 Mio. Menschen an Osteoporose erkrankt waren. Die Volkskrankheit betraf ca. 23% aller Frauen sowie 7% aller Männer über dem 50. Lebensjahr.
In jenem Jahr 2009 kam es zu rund 750.000 osteoporosebedingten Knochenbrüchen. Besonders Ober- schenkelhalsfrakturen – aber auch Wirbelkörperfrakturen – führen häufig zu chronischen Schmerzen und damit zu Immobilität, zu dramati- schen Einschränkungen der Lebens- qualität und zur Verkürzung der Lebenserwartung (Mortalitätsraten von ca. 20%-24% nach einer osteopo- rosebedingten Fraktur).
Die “International Osteoporosis Foundation“ (IOF) hat nun in einer aktuellen Analyse die Versorgungsfor- schungsdaten und die gesundheits- ökonomischen Folgen in sechs europäischen Ländern ausgewertet. Die spezifische Auswertung der Versorgungssituation für Deutschland ergab, dass im Jahr 2010 durch Osteo- porose verursachte Kosten von ca.9 Mrd. Euro entstanden sind und 246.000 “qualitätskorrigierte Lebens- jahre“ (quality-adjusted life years, QALYs: Kennzahl für die Bewertung eines Lebensjahres in Relation zur Gesundheit) der Osteoporose zuzu- ordnen sind.
In 2017 waren die Kosten nach der IOF Studie auf ca. 11 Mrd. Euro und die QALYs auf 300.000 angestiegen. Die Anzahl der Frakturinzidenz wird der Studie nach im Jahr 2030 auf 18,5% der Gesamtbevölkerung (gegen- über 14,1% in 2017) angestiegen sein.
Um diesem Anstieg entgegenzuwir- ken, ist die Identifikation von Frauen und Männern mit hohem Fraktur- risiko in der täglichen Praxis von besonderer Bedeutung. Vor diesem Hintergrund wurden zwei aktuelle, bislang unveröffentlichte Versorgung- forschungsstudien durchgeführt, deren Ergebnisse im Rahmen des Kongresses „Osteologie 2019“ erstma- lig vorgestellt wurden.
Für die erste Studie standen die Daten der Versicherten von “AOK PLUS“ (mit 3,2 Millionen Versicherten) im Zeitraum von 2010-2016 zu Verfü- gung. Die Studie hat alle AOK-Plus- Patienten mit der Diagnose Osteo- porose bzw. einer entsprechenden osteoporosebedingten Fraktur (ICD- 10 Codes M80.*/M81.*) aus dem Jahr 2016 eingeschlossen. Die Ergebnisse zeigen hochgerechnet, dass in 2016 – bezogen auf die deutsche Gesamt- bevölkerung – ca. 3,63 Million Men- schen diagnostiziert wurden (4,45% der Gesamtbevölkerung; 82,67% Frauen und 17,33% Männer). Anhand dieser Datenbankanalyse waren 2016 umgerechnet 588.184 Patienten neu an Osteoporose erkrankt (451.759 Frauen und 136.425 Männer). Davon wiesen 333.702 Patienten eine Wirbelkörper- oder Oberschenkelhalsfraktur auf (275.785 Frauen, 57.917 Männer). Basierend auf dieser Studie hatten 2016 in Deutschland 1,32 Mio. Patien- ten nach aktuellen DVO S-III Leitli- nien ein sehr hohes und behand- lungsbedürftiges Frakturrisiko.
In einer zweiten Untersuchung wurde das Risiko für Folgefrakturen nach einem Knochenbruch ermittelt. Hierbei wiesen Patienten in den ersten Jahren nach einer osteoporose- bedingten Fraktur mit ca. 20% das größte Risiko für Folgefrakturen auf. Frauen im Alter von 50-80 Jahren haben ein fünffach erhöhtes Risiko für eine Folgefraktur im ersten Jahr nach einem osteoporosebedingten Kno- chenbruch. Hieraus ergibt sich die dringliche Notwendigkeit, Patienten nach Frakturen frühzeitig zu identifi- zieren und nach DVO S-III Leitlinien zu behandeln, um das stark erhöhte Risiko für Folgefrakturen deutlich senken zu können.
Quelle: Pressekonferenz Update Osteologie 2019, 27. März 2019, Frankfurt a.M.; Veranstalter: Dachverband Osteologie e.V. (DVO e.V.) in Kooperation mit dem Bundesselbsthilfeverband für Osteporose (BfO e.V.) und dem Osteoporose Selbsthilfe- gruppen Dachverband Deutschland (OSD e.V)