Sklerotherapie empfiehlt sich bei allen Varizenformen – Neue europäische Leitlinie zur Behandlung chronischer Venenerkrankungen
Parallel zur steigenden Prävalenz chronischer Venenerkrankungen in der europäischen Bevölkerung wächst das Spektrum an Behandlungsoptionen. Vor allem minimal-invasive endovenöse Verfahren wie die Sklerotherapie mit flüssigem oder aufgeschäumtem Polidocanol gewinnen zusehends an Bedeutung.
Wie auch in anderen internationalen und nationalen Leitlinien erweist sich die Sklerotherapie in der kürzlich veröffentlichten Leitlinie der European Society for Vascular Surgery (ESVS) [1] zur Behandlung chronischer Venenerkrankungen als die einzige Behandlungsmethode, mit der alle Typen von Varizen erfolgreich und schonend behandelt werden können – einschließlich insuffizienter Stammvenen. Besonders empfohlen wird die Sklerotherapie laut Leitlinie bei Seitenastvarizen und neuerdings auch bei Rezidivvarizen, bei deren Behandlung sich die Schaum-Sklerotherapie zur weltweit am häufigsten angewendeten Methode etabliert hat. [2-4] Außerdem ist die Sklerotherapie auch der neuen Publikation zufolge Gold- standard bei der Behandlung retikulärer Varizen und Besenreiser, da sie sich als äußerst effektiv und weniger schmerzhaft als die transdermale Lasertherapie erwiesen hat.
Im Fokus der jetzt erschienenen europäischen Leitlinie stehen chronische Venenerkrankungen wie Varizen der unteren Extremitäten, die bis zu 60% der erwachsenen Bevölkerung betreffen können und unbehandelt zu progressiven Verläufen bis hin zu Hautveränderung und venösen Ulcera (C3 bis C6 nach CEAP) führen können. Nach Ansicht der Autor*innen sollte Patient*innen daher spätestens bei symptomatischen Krampfadern (C2s nach CEAP) zu interventionellen Therapien geraten werden.
Ultraschallgesteuerte Sklerotherapie ersetzt operative Eingriffe
Bis vor wenigen Jahren wurden Varizen in der Regel operativ entfernt. Inzwischen ersetzen jedoch patientenfreundlichere endovenöse Verfahren immer häufiger chirurgische Methoden wie Ligatur und Stripping – eine Entwicklung, die nicht zuletzt durch den obligatorischen Einsatz von Ultraschall im Rahmen der Venendiagnostik und -therapie forciert wurde. Dies gilt in besonderem Maße für die ultraschallgesteuerte Sklerotherapie. Anders als bei thermischen Verfahren wie Laser- und Radiofrequenztherapie kann bei der Sklerotherapie auf ein Anästhetikum verzichtet werden.
In Deutschland ist ausschließlich das nicht-ionische Detergens Polidocanol (Aethoxysklerol®) für die Sklerotherapie zugelassen. Wie in der Leitlinie erläutert, kann das Sklero- sierungsmittel mittels Kanüle, Butterfly oder seltener über einen längeren Katheter in die Zielvenen appliziert werden. Dabei gebe es keine Evidenz für die Überlegenheit einer speziellen Injektionsmethode. Die Schaum-Sklerotherapie sei bei größeren Varizen etwa doppelt so effektiv wie die Flüssigsklerosierung bei vier- bis fünffach niedrigerem Verbrauch an Sklerosierungsmittel.
Auch größere Stamm- und Seitenastvarizen lassen sich sklerosieren
Mithilfe der Schaum-Sklerotherapie können nach ESVS-Leitlinie auch Varizen der Stammvenen unter Ultraschallkontrolle erfolgreich behandelt werden – besonders erfolgreich jene mit weniger als 6 mm Durchmesser. Bei Seitenastvarizen empfehlen die Experten insbesondere die minimal-invasive Schaum-Sklerotherapie neben der Phlebektomie. Weiterhin wird die Sklerotherapie als sinnvolle Ergänzung für die Seitenäste nach Behandlung der Stammvarizen mit thermischen oder chirurgischen Verfahren empfohlen. Das therapeutische Potenzial der Sklerotherapie zeige sich darüber hinaus auch bei insuffizienten Perforansvenen. Hier sei die Sklerotherapie in der Praxis die am häufigsten angewendete Behandlungsmethode, da sie kosteneffektiv, leicht im ambulanten Bereich anzuwenden sei und keine Anästhesie benötige.
Besonders hervorgehoben wird die Schaum-Sklerotherapie bei der Behandlung jeglicher Arten von Rezidivvarizen, da die Therapie minimal-invasiv sei, von den Patient*innen gut toleriert werde und beliebig oft wiederholbar sei. Die Erfolgsraten nach einem Jahr würden hier von 87% bis 91% reichen und die ultraschallgesteuerte Sklerotherapie sei laut ESVS-Leitlinie somit ebenso effektiv wie operative Methoden.
Bei Besenreisern ist die Sklerotherapie Goldstandard
Behandlungsmethode der Wahl be- ziehungsweise Goldstandard ist die Sklerotherapie gemäß ESVS-Leitlinie nach wie vor bei retikulären Varizen und Besenreisern, wobei hier anders als bei größeren Varizen in der Regel flüssiges Sklerosierungsmittel genutzt werde. Es wird empfohlen, auch hier vor der Behandlung einen Ultraschall durchzuführen, um tieferliegende Probleme und Nährvenen nicht zu übersehen. Die Sklerotherapie sei bei retikulären Varizen und Besenreisern nicht nur effektiv, sondern auch deutlich schmerzärmer als die transdermale Lasertherapie. Der Behandlungserfolg bei Verwendung von Polidocanol liege nach Studienlage bei 95%.
Sklerotherapie ist vielseitig, verträglich und leitliniengerecht
Wie aus der ESVS-Leitlinie her- vorgeht, handelt es sich bei der Sklerotherapie mit flüssigem oder aufgeschäumtem Polidocanol um das einzige Verfahren, mit dem alle Varikoseformen erfolgreich be- handelt werden können. Da die Sklerotherapie obendrein leicht anzuwenden und beliebig oft wiederholbar sei, habe sie sich zur am häufigsten durchgeführten nicht-thermischen Ablationstechnik entwickelt, heißt es in der aktuellen Publikation. Bestätigt wird zudem die gute Verträglichkeit der Sklerotherapie. Anders als operative oder thermische Verfahren erfordere sie keine Anästhesie und könne keine thermisch bedingten Hautverletzungen hinterlassen.
Speziell für übergewichtige oder mit Antikoagulantien behandelte Patient*innen, bei denen andere Behandlungsmethoden kontraindiziert seien, sollten endovenöse Verfahren wie die Sklerotherapie erwogen werden, so die Autor*innen. Obwohl sich die Empfehlungen der ESVS-Leitlinie primär an der Behandlungseffektivität und den klinischen Ergebnissen der unter- schiedlichen Varizentherapien orientieren, wird auch auf die Kosten als entscheidender Einflussfaktor bei der Therapieentscheidung verwiesen. Die Sklerotherapie ist unter allen endovenösen Verfahren die kosten- günstigste Methode, was ihre Bedeutung in der phlebologischen Praxis weiter stärken dürfte.
Quelle: MW Office GmbH
Literatur
1. De Maeseneer MG et al. European Society for Vascular Surgery (ESVS) 2022 Clinical Practice Guidelines on the Management of Chronic Venous Disease of the Lower Limbs. Eur J Vasc Endovasc Surg 2022;63:184-267.
2. Rabe E et al. European guidelines for sclerotherapy in chronic venous disorders. Phlebology, 2014;29(6):338-54.
3. Rabe E et al. Leitlinie Sklerosierungsbehand- lung der Varikose. AWMF-Leitlinien-Register- Nr. 037-015. Entwicklungsstufe: S2k. Stand: 31.12.2018.
4. Pannier F et al. S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Varikose. AWMF-Register Nr. 037/018. Stand 03/2019.