Implantatregister: gesetzliche Grundlagen und Praxisrelevanz
Interview mit Astrid Tomczak (München)
Seit dem PIP-Skandal sind Brustimplantate im besonderen Fokus des Gesetzgebers. Mit der Medizinproduktverordnung (MDR) wurden bereits einige weitreichende neue Regelungen eingeführt. Dazu gehören u.a. mehr klinische Daten, der verpflichtende Implantatpass und die Möglichkeit der Benannten Stellen, auch unangekündigte Audits bei Herstellern und deren Zulieferern durchführen zu können. Doch damit nicht genug: nun gibt es, wie in anderen europäischen Ländern, ein Implantatregister in Deutschland. Dieses wurde in enger Kooperation zwischen dem Gesetzgeber und der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (DGPRÄC) sowie der Arbeitsgemeinschaft für ästhetische, plastische und wiederherstellende Operationsverfahren in der Gynäkologie (AWOgyn), einer Sektion der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, aufgebaut. Die Brustimplantate sind auch die ersten Implantate, die erfasst werden. Im Folgenden sollen aber auch Endoprothesen und Aortenklappen in das Register aufgenommen werden. Mit Medizinconsultant Astrid Tomczak LL.M. (Pharmarecht) haben wir über die gesetzlichen Grundlagen und die Bedeutung des Registers für Ärzt*innen und Patientinnen gesprochen.
MÄC: Welche gesetzlichen Grundlagen wurden für den Aufbau des Implantatregisters geschaffen?
Astrid Tomczak: Zunächst gibt es das Implantateregistergesetz (IRegG), das als Grundlage für die Errichtung des Implantatregisters dient. Es ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Ergänzend dazu ist am 1. Oktober 2021 die Implantatregister-Betriebsverordnung (IRegBV) in Kraft getreten, die die rechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb mit Echtdaten schafft und Details zum Betrieb des Registers regelt. Die Implantateregister-Gebührenverordnung (IRegGebV) ist am 20. Dezember 2023 in Kraft getreten. Sie legt die jährlichen Gebühren für Gesundheitseinrichtungen und Produktverantwortliche fest sowie die Gebühren, die bei Datenauswertungen fällig werden. Der Regelbetrieb mit verpflichtenden Meldungen von Brustimplantaten ist bereits zum 1. Juli 2024 gestartet.
MÄC: Gesundheitseinrichtungen müssen sich selbst für das Register anmelden. Was passiert bei der Selbstregistrierung?
Astrid Tomczak: Im Zuge der Selbstregistrierung erhält jede Gesundheitseinrichtung ein eigenes IRD-Kennzeichen gem. § 15 Abs. 1 IRegBV, das für die Datenübermittlung benötigt wird und verpflichtender Bestandteil jeder Meldung ist. Nach der Selbstregistrierung muss ein Ausdruck der eingegebenen Daten von einer zeichnungsberechtigten Person aus der Gesundheitseinrichtung unterschrieben und auf dem Postweg an das IRD geschickt werden. Mit der Unterschrift werden die allgemeinen Nutzungsbedingungen für Gesundheitseinrichtungen zur Teilnahme am Implantateregister Deutschland anerkannt.
Im Register werden dabei nur so genannte implantatbezogene Maßnahmen erfasst. Diese umfassen alle Maßnahmen mit Brustimplantaten und Expandern (§ 2 Nr. 4 IRegG), d.h. jede Implantation, Revision oder Explantation. Die Verpflichtung, diese Operationen zu melden, besteht unabhängig davon, ob es sich um eine rekonstruktive oder ästhetisch motivierte Brustbehandlung handelt.
MÄC: Wer muss Daten melden bzw. zur Verfügung stellen?
Astrid Tomczak: Um das Register zu versorgen, müssen alle beteiligten Parteien Daten liefern. Die verantwortlichen Gesundheitseinrichtungen gemäß § 2 Nr. 5 IRegG müssen die durchgeführten Maßnahmen melden. Diese Verpflichtung besteht unabhängig davon, ob die Behandler den oben genannten Fachgesellschaften angehören oder nicht. Auch Belegärzte müssen ihre implantatbezogenen Maßnahmen melden. Eine implantatbezogene Maßnahme darf nur von einer Gesundheitseinrichtung an das IRD übermittelt werden. Sofern die Voraussetzungen gem. § 4 Abs. 3 IRegG erfüllt sind (z.B. dass ein in der Produktdatenbank registriertes Produkt verwendet wurde), erhält die meldende Gesundheitseinrichtung (im o.g. Fall der verantwortliche Belegarzt) im Gegenzug eine Meldebestätigung. Diese Meldebestätigung dient als Nachweis gegenüber den Kostenträgern, dass sie ihrer Meldepflicht nachgekommen ist. Ohne diese Meldebestätigung droht ein Vergütungsausschluss gem. § 35 IRegG. Für jede Meldung fällt eine Gebühr von 6,24 € an (§ 2 IRegGebV), die zum Ende des Jahres fällig wird.
Die Patientinnen sind ebenfalls zur Teilnahme verpflichtet und müssen z.B. den unveränderbaren Teil der lebenslangen und deutschlandweit einheitlichen Krankenversichertennummer und die ID ihrer Krankenkasse dem Behandler zur Verfügung stellen (§ 17 Abs. 1 IRegG).
Die Produktverantwortlichen, also Hersteller von Implantaten, deren Bevollmächtigte oder Sponsoren (bei klinischen Studien) müssen die Produktinformationen in das System einpflegen (§ 2 Nr. 6 IRegG). Für jedes gemeldete Implantat fallen 1,93 € an, die der Produktverantwortliche zu tragen hat (§ 3 IRegGebV).
Die Verarbeitung der patientenidentifizierenden Daten erfolgt über eine Vertrauensstelle beim Robert-Koch-Institut (§ 8 Abs. 1 IRegG), die Verarbeitung und Auswertung der medizinischen und organisatorischen Daten über die Registerstelle beim Bundesgesundheitsamt (§ 3 Abs. 1 IRegG).
MÄC: Welche technische Infrastruktur benötigen Gesundheitseinrichtungen?
Astrid Tomczak: Die Anbindung an das Implantateregister ist technisch nicht unaufwändig. So benötigt jede Gesundheitseinrichtung:
• mindestens ein eHealth-Kartenterminal,
• einen Konnektor (einschl. TI VPN-Zugangsdienst) oder einen Dienstleister, der TIaaS (TI as a Service) anbietet und damit Konnektoren für sie zentral betreibt,
• eine Institutionskarte (SMC-B), um sich mit der TI zu verbinden sowie zur Authentifizierung bei einer Meldung an das IRD. Im KV-Bereich wird die SMC-B auch „Praxisausweis“ genannt.
Für Privatpraxen, die nicht an der Regelversorgung teilnehmen, muss die SMC-B vom Praxisinhaber – bei einem MVZ von der ärztlichen Leitung – beantragt werden. Voraussetzung für die Erteilung der SMC-B ist ein elektronischer Heilberufsausweis. Ist dieser noch nicht vorhanden, muss er zunächst beantragt werden.
Für Privatkliniken, die nicht an der Regelversorgung teilnehmen, muss die SMC-B von einer Person, die für die Privatklinik vertretungs- und zeichnungsberechtigt ist, beantragt werden. Zudem muss die Klinik über ein Institutionskennzeichen (IK) verfügen oder ggf. bei der ARGE·IK beantragen. Liegt das Institutionskennzeichen vor und kann bei der Antragstellung der Privatklinik ein Inhaber eines elektronischen Heilberufsausweises zugeordnet werden, kann die SMC-B Privatklinik webbasiert über das Antragsportal der D-Trust GmbH beantragt werden. Diese insgesamt sehr aufwändigen Melde- und Einrichtungsverfahren haben bereits jetzt dazu geführt, dass private Praxen mit niedrigen Eingriffszahlen keine implantatbezogenen Maßnahmen mehr anbieten.
MÄC: Und was hat es mit dem Implantatpass auf sich?
Astrid Tomczak: Unabhängig vom Implanateregister sieht die Medizinprodukteverordnung (vgl. Art. 18 MP-VO) ebenso wie die deutsche Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBetreibV) die Ausstellung eines Brustimplantatpasses für Patientinnen durch den Behandler vor. Der Implantatpass muss gemäß § 15 Abs. 1 MPBetreibV folgende Informationen enthalten: Vor- und Zuname der Patientin, Name und die Adresse der Einrichtung, in der die Implantation durchgeführt wurde, und das Datum der Implantation. So soll sichergestellt werden, dass die Patientinnen jederzeit wissen, wer ihr Ansprechpartner ist. Der Implantatpass ist im Gegensatz zum Implantatregister jedoch keine Neuerung.
DISKURS Dermatologie: Sehr geehrte Frau Tomczak, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte S. Höppner.