Plastische Chirurgie

Moderne Forschung und patientenorientierte Anwendung in der Klinik

Bericht vom Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG)

Dr. E.M.W. Koch

Der diesjährige Kongress der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie fand in der zweiten Juni-Woche in Dresden statt. Der Kongresspräsident Prof. Dr. Dr. Günter Lauer hatte gemeinsam mit den wissenschaftlichen Leitern des Praxisführungsseminars Dr. Dr. Martin Bonsmann (Düsseldorf) und Prof. Dr. Dr. Matthias Schneider (Dresden) ein attraktives Programm zusammengestellt, das unter anderem unter der Überschrift “Translationale Medizin in der MKG-Chirurgie“ die Grundlagenforschung mit der klinischen Anwendung verband und dabei in die Zukunft reichende Diagnostik- und Therapieansätze darstellte.

Die Jahres-Pressekonferenz anlässlich dieses Kongresses bot wiederum ein großes und attraktives Spektrum mit interessanten wissenschaftlichen Beiträgen zur Forschung und zum klinischen Vorgehen in diesem außerordentlichen Spezialfach. Wie auch in den Vorjahren imponierten die eindrucksvollen Demonstrationen klinischer Fälle unter Ein- beziehung der persönlichen Berichte von betroffenen Patienten. Die Kasuistiken belegten die Bedeutung einer fachgerechten diagnostischen Vorgehensweise unter Berücksichtigung anamnestischer Angaben sowie des oft stufenweisen Vorgehens chirurgischer Maßnahmen.

Kasuistik 1: Gesichtsschwund nach Zeckenbiss – Transplantation von Fettgewebe

Der 56-jährigen Patientin war vor langer Zeit ein allmählich zunehmender Gewebeschwund im Bereich der linken Gesichtshälfte – ausgehend von einer Fettgewebe-Atrophie – an der Schläfe aufgefallen. In der Vor-geschichte wurde sie wegen einer Acrodermatitis chronica atrophicans wahrscheinlich infolge einer Borrelien-Infektion antibiotisch in der Dermatologie behandelt. Eine MRT-Aufnahme belegte den Verlust des gesamten Unterhautfettgewebes zwischen Unterkiefer, Augenhöhle und Ohr.

Bei der stationär aufgenommenen Patientin wurde dann 2009 in Vollnarkose die Transplantation eines mikrovaskulären Haut-Fettgewebe-areals vom Bauch unter die Haut der linken Gesichtshälfte vorgenommen. Der Ast von Arterien und Venen (epigastrica inferior) wurde im Bereich der Leiste entnommen und dann an die rechten Halsgefäße (Arteria und Vena thyreoidea inferior) rechts angeschlossen.

Einige Monate nach dem ersten Eingriff wurden Korrekturen zum Ausgleich der Übergangszonen an der Nasolabialfalte und in der Infraorbitalregion durchgeführt. 2 Jahre später wurden mit Hilfe von Fett-gewebe-Injektionen weitere Korrekturen am Mundwinkel und am Unterkiefer vorgenommen, so dass sich mit Hilfe der mikrochirurgischen Techniken eine ausgeglichene Gesichtskontur ergab (s. Abb. 1a-b).

Kasuistik 2:Dreifacher Unterkieferbruch – Behandlung mit selbstauflösender Magnesiumschraube

Der 25-jährige Patient zog sich bei einem Fahrrad-Unfall eine diakapituläre Kiefergelenk-Fraktur links, eine Fraktur des Kiefergelenkfortsatzes rechts und eine mediane Unterkieferkörper-Fraktur zu.

Die Frakturen am Unterkieferkörper und am Kieferkörpergelenkfortsatz wurden mit Platten und Schrauben aus Titan versorgt. Es kann als eine besondere Spezialität der MGK-Klinik in Dresden angesehen werden, dass dort auch diakapituläre Frak-turen operiert werden können, wozu erstmals resorbierbares Osteosynthese-Material in Form von biotransformierbarem Metallwerkstoff auf Magnesium-Basis verwendet wird.

Der Zugang zum betroffenen Kiefergelenkköpfchen erfolgte über einen Schnitt am Ohr. Dass innere Fragment des Kiefergelenkköpfchens wurde mobilisiert und reponiert. Nach Fixierung wurde das Fragment mit einer speziellen kanülier-ten Schraube aus Magnesium (Magnezix®) an den seitlichen Pol des Unterkiefergelenkkopfes angeschraubt.

Nach 3 Monaten postoperativer Versorgung zeigten sich eine weit-gehend normale Mundöffnung und eine regelrechte Seitenbewegung des Unterkiefers. Die Elastizität des Schraubenmaterials Magnezix® ist der des Kieferknochens vergleichbar, die Stabilität entspricht jedoch der von Metallen. Infolge der allmählichen Auflösung des Schraubenmaterials erübrigt sich eine zusätzliche operative Behandlung.

Kasuistik 3: Lippen-Kiefer-Gaumenspalte – Tissue Engineering

Der Patient wurde mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte geboren. Während des Säuglingsalters erfolgte nacheinander ein Verschluss von Weich- und Hartgaumen. Im 6. Lebensjahr wurde eine Nachoperation zur Sprachverbesserung durchgeführt.

Im Alter von 10 Jahren wurde dem Jungen ein Stück Oberkieferknochen entnommen, die Mutter spendete Venenblut, dessen Serum für die Anzüchtung der Knochenzellen benötigt wurde. Nach ausreichender Vermehrung der Zellen in der Kultur (Osteoblasten) wurden sie auf Osteovit als Trägermaterial angesiedelt. Drei Tage später wurde dann die Kieferosteoplastik mit dem autologen Tissue-Engineering-Knochen durchgeführt, was nach wenigen Wochen zum Spontan-Durchbruch der Eckzähne 13 und 23 führte, die noch kieferorthopädisch ausgerichtet wurden. Zur weiteren Optimierung wurden nach Abschluss des Kieferwachstums noch zwei weitere Operationen am Kiefer und eine Lippen- Nasenkorrektur vorgenommen.

Der zur Zeit 21-jährige Patient zeigt keinerlei Beeinträchtigungen oder Beschwerden im operierten Bereich (s. Abb. 2a-b). Mit bildgebenden Verfahren konnte die Verknöcherung im transplantierten Bereich belegt werden.

3D-Bioprinting zur Herstellung von individuell geformten Knochen, Blutgefäßen und komplexen Geweben

In der MKG-Chirurgie werden – z.B. beim Kieferaufbau – häufig Ausformungen von kompliziertem dreidimensionalem Material zur Deckung von Knochendefekten benötigt. Inzwischen hat sich als Ergebnis umfassender Forschungs-arbeit herausgestellt, dass diese Werkteile immer häufiger mit Hilfe von 3D-Druckern geformt werden können. Das neue Verfahren des 3D-Bioprintings umfasst die Computer-gesteuerte Fertigung mit der Me- thode des Tissue Engineerings, so dass das Material strukturmäßig individuell an den bestehenden Defekt angepasst werden kann.

Typische Indikationen für den Einsatz dieses lebenden Gewebes sind Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten oder Knochenschwund in bestimmten Kieferteilen, in die – wegen der komplexen Formen – herkömmlich hergestellte Ersatzteile nur bedingt eingepasst werden können.

Die Anfertigung  der individuellen Implantate (Scaffolds) erfolgt mit Hilfe von Computerprogrammen, die eine Ausbildung vorgegebener Designs ermöglichen (Computer Aided Design – Manufacturing). Als Materialien werden Titan, PEEK, Keramiken oder Hydroxylapatit verwendet. Besonders vorteilhaft ist Biomaterial (nanokristalines Hydroxylapatit), das – im Unterschied zu den herkömmlichen Werkstoffen – bei Raumtemperatur abbindet und aus dem Gerüststrukturen hergestellt werden können, so dass lebende Zellen beim Drucken mit einbezogen werden können. Als Trägermaterialien für die lebenden Zellen werden Gele (Agar, Fibrin, Alginat) verwendet.

Bei der Methode, biologisches Gewebe durch 3D-Drucker nachzubauen und dabei Zellen und extra-zelluläre Matrix miteinander zu vermischen wird z.B. eine Paste aus Kalziumphosphat-Zement mit einer Hydrogel-Zellsuspension kombiniert, so dass sich eine Knochenbildung erwarten lässt. Dabei kann die Integration von mesenchymalen Stromazellen in den Scaffolds schon während des Druckens und damit sehr homogen erfolgen, was mit bisherigen Verfahren nicht möglich war. Es zeigt sich auch praktisch kein Verlust von Zellmaterial.

Darüber hinaus wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem sich durch 3D-Drucker hohle Stränge herstellen lassen, die als “Leitschienen“ für das Einwachsen von Gefäßen dienen und damit die Blutversorgung des künstlichen Gewebes ermöglichen. Es wird erprobt, diese schlauchförmigen Strukturen mit Endothelzellen zu versehen, so dass ein Knochen-gewebe entsteht, das dem freien autologen Knochentransplantat entspricht. Auf diese Weise können operative Entnahmen vermieden werden.

Abb. 1a-b: Kasuistik 1: Erscheinungsbild nach Abschluss der Behandlung.

Abb. 2a-b: Kasuistik 3: Patient im Alter von 2 Wochen (l.) bzw. im Alter von 20 Jahren.