Plastische Chirurgie

Schwerbrandverletzt: Ein langer gemeinsamer Weg

„Im Dezember 2006 passierte es. Marius S., damals fast zweijährig, lief in Togo versehentlich über noch glühende Kohlen, stürzte und zog sich schwere Verbrennungen zweiten und dritten Grades an Händen und Füßen zu“, berichtet Prof. Dr. Henrik Menke, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen und Ästhetischen Chirurgen. Vor Ort sei eine angemes- sene Versorgung nicht möglich gewesen. „Die Ärzte rieten dringend dazu, die Behandlung in Europa durchführen zu lassen. Und so fand Marius mit seinen Eltern bereits kurz nach dem Unfall den Weg zu uns ins Zentrum für Schwerbrandverletzte Offenbach. Seither begleite ich Marius und freue mich besonders, dass unsere Fachgesellschaft ihn in diesem Jahr als ‘besonderen Patienten‘ auszeichnet.“

Vielfältige Möglichkeiten der Rekonstruktion

„In Offenbach“, so Menke, „konnten wir die Verletzungen zunächst mit Hauttransplantaten decken. Im weiteren Verlauf wurden mit mehr als 12 operativen Eingriffen bei dem kleinen und heranwachsenden Jungen wiederholte Maßnahmen zur Korrektur durchgeführt, u.a. mit individuell angepassten Z- und Verschiebeplastiken sowie wiederholten Vollhauttransplantaten, die aus der Unterbauch- und Leistenregionen beidseits sowie den Oberarminnenseiten entnommen wurden“, berichtet Menke. Die letzte Korrekturmaßnahme im Bereich der Hände sei erst vor wenigen Wochen erfolgt. „Diese Vielzahl von Eingriffen ist notwendig, um funktionelle Einschränkungen zu vermeiden und den Bedürfnissen eines wachsenden Organismus in den anspruchsvollen Regionen der Hände und Füße nachzukommen,“ führt Menke weiter aus. Zwar würden Brandverletzte zumeist ein Leben lang behandelt, da Narbengewebe sich verhärte oder wuchere und Funktionalität so eingeschränkt werde, bei brandverletzten Kindern ergäben sich aber besondere Herausforderungen. „Die Narben wachsen nicht mit und führen immer wieder zu korrekturbedürftigen Einschränkungen der Bewegung, insbesondere an Händen und Füßen. Die vorhandenen Narben müssen über Jahre immer wieder ausgeglichen bzw. erweitert werden.“ Regelhaft ergänzt wurden die operativen Maßnahmen durch physiotherapeutische Übungen, regelmäßiges Tragen von Kompressionskleidung zur Narbenbehandlung und eine behutsame, auch den psychischen Bedürfnissen angepasste Patientenführung. „In einem solchen Fall wächst mit den Jahren ein durchaus besonderes Arzt-Patientenverhältnis“, konstatiert Menke.

Beharrlichkeit und Ausdauer

„Der Junge lernte früh, mit den immer wieder auftretenden Limitierungen umzugehen und sich damit zu arrangieren, aber auch Vertrauen in die behandelnden Ärzte und Pfleger zu entwickeln“ blickt Menke zurück. Seine stete Zuversicht habe Marius auch geholfen, dem durch seine musizierenden Geschwister angeregten Wunsch nachzugehen, Klavier zu spielen. Heute habe er eine hohe Perfektion bis zur Konzertreife entwickelt und ein Jugendstudium an der Universität Frankfurt begonnen, was auch ihn als behandelnden Plastischen und Ästhetischen Chirurgen mit Stolz erfülle.

„Insgesamt ist Marius ein Paradebeispiel für die Effizienz vielfältiger plastisch-chirurgischer Möglichkeiten in einer spezialisierten Einheit. Er kann ohne Einschränkungen sportlichen Aktivitäten nachgehen. Es wurde ein weitgehender Funktionserhalt an Händen und Füßen erreicht, was bei der Schwere und Lokalisation dieser Verbrennungen ungewöhnlich ist und ohne Marius‘ eigenen außerordentlichen Einsatz nicht möglich gewesen wäre. So hat sein Klavierspiel maßgeblich dazu beigetragen, die Beweglichkeit der Hände zu sichern“, ist Menke überzeugt, der sich besonders gefreut hat zu hören, dass Marius nach seinem Abitur Medizin studieren möchte. „Es hat ihm also offenbar bei uns gefallen und wenn er einen Platz für sein ‘Praktisches Jahr‘ sucht, ist er uns auch als angehender Arzt immer willkommen“, schließt Menke.

Quelle: Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen