Psoriasis

Die Haut (allein) ist nicht genug – die komplexe Beziehung von Haut und Psyche

A. Müller

Prof. Dr. med. Manfred Schedlowski (Essen) und PD Dr. med. Athanasios Tsianakas (Bad Bentheim) informierten bei einer Veranstaltung im Rahmen der 25. Tagung der Dermatologischen Wissenschafts- und Fortbildungsakademie NRW (DWFA) in Köln über die komplexe Beziehung von Haut und Psyche sowie über Konzepte zur menschenorientierten Versorgung.

Um den Zusammenhang zwischen Haut und Psyche zu erhellen, erklärte Schedlowski zunächst die Placebo- Antwort, die in erster Linie von der Erwartungshaltung der Patient*innen bezüglich der Wirkung einer medizinischen Intervention gespeist wird. „Diese Erwartung wiederum wird durch die Qualität und Quantität der Arzt-Patient-Kommunikation beeinflusst sowie durch assoziative Lern- und Konditionierungsprozesse“, so Schedlowski. Placebo-Effekte treten demnach in allen physiologischen Systemen auf, finden aber besonders im Bereich der Neurologie und der Schmerzforschung wissenschaftliches Interesse.

Schedlowski zeigte anhand eines Experiments unter Beteiligung eines Parkinson-Patienten, dass die Placebo-Antwort weit mehr ist als nur eine Befindlichkeitsänderung, sondern mit neurobiologischen Veränderungen einhergeht: In dem Experiment wurde dem Patienten gesagt, dass er ein neues, stark dopaminerges Medikament erhalte, bei dem es sich realiter aber um ein Schein- präparat handelte. Eine Positronen-Emissions-Tomografie des Gehirns des Patienten zu Baseline und nach Verabreichung des Placebos zeigt den erstaunlichen Effekt, dass der Patient in seiner Erwartungshaltung begann, endogen Dopamin zu produzieren.

Untersuchungen zu offenen und verdeckten Injektionen eines Schmerz- mittels konnten nach Information Schedlowskis zeigen, dass das Wissen der Patient*innen über das „Wann?“ einer Injektion und die Verabreichung durch einen Arzt oder eine Ärztin anstelle einer automatisierten Gabe die Wirkung des Schmerzmittels signifikant beeinflusst (Nat Rev Neurosci. 2005 Jul;6(7):545-52).

Wo im Gehirn entsteht nun aber diese Placebo-Antwort? Unter Zuhilfenahme verschiedener bildgebender Verfahren wie der Magnet-Resonanz-Tomografie konnte laut Schedlowski dargestellt werden, dass besonders die präfrontalen Strukturen des Gehirns, also dort, wo das Denken stattfindet, an der Formulierung der Placebo-Anwort beteiligt sind.

Auch im dermatologischen Bereich gibt es zur Placebo-Antwort durch Studien gesicherte Erkenntnisse:
So konnte in einer Untersuchung zur wundbezogenen Lebensqualität (J Dtsch Dermatol Ges. 2020 Feb;18(2):103-110) bei Patient*innen mit Ulcus cruris venosum gezeigt werden, dass die induzierte Erwartungshaltung der Patient*innen („Wir geben Ihnen nun eine neuartige, hochwirksame Wundtherapie…“) zwar nicht den Heilungsprozess der Ulzeration selbst beeinflusste, jedoch die wundbezogene Lebensqualität (Angst, Depressivität, Schmerz) in der Interventionsgruppe wesentlich besser ausfiel als in der Kontrollgruppe. In einer 2021 publizierten Studie (Clin Pharmacol Ther. 2021 Aug;110(2):486-497) konnten die Autoren laut Schedlowski nachweisen, dass gezielte Placebo-Antworten auch den experimentell erzeugten Juckreiz bei Patient*innen mit Atopischer Dermatitis reduzieren können.

„Die zugrundeliegenden Mechanismen (Erwartung/Kommunikation/Lernen) der Placebo-Antworten sollten gezielt genutzt werden, um die Wirksamkeit und Verträglichkeit von pharmakologischen und medizinischen Behandlungen zu optimieren“ so Schedlowski abschließend zu dem Themenfeld Placebo. Diese Erkenntnisse sollten seiner Ansicht nach in der Aus- und Weiterbildung von Heilberufen sowie in der klinischen Praxis wesentlich stärkere Berücksichtigung finden.

Tsianakas postulierte in seinem Referat eine menschenorientierte Versorgung nach Vorgabe der WHO. Diese versteht Gesundheit als einen „Zustand vollständigen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit und Gebrechen“, wie es in der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation heißt. Folgerichtig müssten der Patient bzw. die Patientin als Ganzes stärker in den Fokus ärztlich-medizinischer Maßnahmen rücken. Laut Tsianakis finde sich die Grundlage für eine solche, stärker am Menschen orientierte Versorgung auch im Deutschen Sozialgesetzbuch V, wo es in § 1 heißt: „Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Das umfasst auch die Förderung der gesundheitlichen Eigenkompetenz und Eigenverantwortung der Versicherten. Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich; sie sollen durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden.“

Daraus ergehe, so Tsianakis, ein gesetzlicher Auftrag an die Patient*innen, nämlich ein Auftrag zur Eigenverantwortlichkeit und zum aktiven Beitragen zur eigenen Gesunderhaltung. Das bedeute für die Versorgung:

• Die Wiederherstellung des Wohlbefindens der Patient*innen ist Teil des Zielauftrages der ärztlichen Versorgung.

• Damit verbunden sind individuelle Therapieziele zum Wohlbefinden und die Prüfung der Zielerreichung, was die Messung des Wohlbefindens und vergleichbarer Outcomes voraussetze.

• Für die Zielerreichung sind partizipative Entscheidungen hilfreich.

• Die Erreichung des Wohlbefindens und aller Therapieziele ist nicht ausschließlich in ärztlicher Verantwortung, sondern ebenso in der Eigenverantwortung der Patient*innen.

In einer werteorientierten Medizin übersetzen PROs (patient oriented outcomes) die Behandlungsentscheidungen und -ergebnisse in Werte, die wiederum einen der Eckpfeiler evidenzbasierter Medizin darstellen. In der Dermatologie finden nach Dafürhalten Tsianakis noch zu sehr Systeme Anwendung, die diese Anforderungen nicht aus- reichend erfüllen, etwa der DLQI. Dieser messe körperliche Lebensqua- lität und negative Emotionen, nicht aber die psychische Lebensqualität oder positive Affekte. Auch eine 2022 publizierte Querschnittsstudie (Eur J Dermatol. 2022 Apr 1;32(2):220-226) kommt laut Tsianakis zu einer ähnlichen Bewertung: Der DLQI allein spiegelt das Wohlbefinden nur teilweise wider.

Tsianakis verwies abschließend auf eine momentan laufende inter- nationale Beobachtungsstudie mit Real-World-Daten zur Bewertung des von Patient*innen berichteten Wohlbefindens unter Therapie mit Tildrakizumab (POSITIVE- Studie; clinicaltrials.gov/ct2/show/ NCT04823247). Über 500 Psoriasis- Patient*innen nehmen in 119 dermatologischen Zentren Europas an POSITIVE teil. Laut Tsianakis wurde das Wohlbefinden von Patient*innen in der Dermatologie bisher eher selten gemessen, was diese Studie zu einem Vorreiter bei der Anwendung von menschenorientierter Versorgung in der Dermatologie im Allgemeinen und bei Patient*innen mit Psoriasis im Speziellen mache.

Mit freundlicher Unterstützung der Almirall Hermal GmbH