„Menschenorientierte Versorgung“ bringt Vorteile für Psoriasis-Betroffene
Was können Ärztinnen und Ärzte in der Behandlung von Menschen mit Psoriasis besser machen? Diese Frage treibt die Forschenden vom Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf um. Der Direktor des Instituts, Prof. Dr. Matthias Augustin, und die Leiterin der Forschungsgruppe „Menschenorientierte Versorgung“, PD Dr. Rachel Sommer, sind davon überzeugt, dass mit einem Ansatz, der die beteiligten Menschen mehr in den Vordergrund stellt, eine erfolgreichere Behandlung der Psoriasis möglich ist.
Für diese andere Art von Behandlung werben die beiden bei allen an der Versorgung Beteiligten. Zunächst definieren sie das Ziel einer geglückten Gesundheitsversorgung: das Erreichen von Wohlbefinden bei den Betroffenen. Damit folgen die beiden der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Gesetz in Form des Sozialgesetzbuches V, die jeweils das Wohlbefinden der Menschen als wichtigstes Element von Gesundheit ansehen.
Die WHO schreibt in ihrer Satzung folgendermaßen: „Gesundheit ist ein Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“
Weil das Wohlbefinden etwas sehr Individuelles ist, beschäftigen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Versorgungsforschung damit, welche Faktoren für die Betroffenen dieses Wohlbefinden ausmachen. Sie nennen das die Werte der Patientinnen und Patienten. Diese Werteorientierung ist in den vergangenen Jahren immer mehr in den Blickpunkt der Forschung gerückt. Das bedeutet, dass die Perspektive der Patientinnen und Patienten eine Rolle bei der Frage spielt, ob eine Therapiemaßnahme ihren Zweck erfüllt oder nicht.
Die WHO hat in einem kurzen Video zusammengefasst, was sie unter „Menschenorientierter Versorgung“ und der „Werteorientierten Medizin“ versteht. Es ist in einer deutschen Übersetzung zu finden unter: www.psoriasis-bund.de/wissen/informationen-von- anderen
Mängel im Praxisalltag
Eines der zentralen Elemente der Menschenorientierten Versorgung ist die Beteiligung der Patientinnen und Patienten an der Entscheidungsfindung für ihre Therapie. Dafür ist es unerlässlich, dass sie gut informiert sind. Augustin und Sommer sehen hier noch sehr viele Mängel im Praxisalltag. Studien belegen beispielsweise, dass der Kontakt zu einer Ärztin oder einem Arzt in Deutschland im Schnitt bei acht Minuten liegt, wobei die Patientinnen und Patienten beim Sprechen spätestens nach 20 Sekunden unterbrochen werden. Oftmals verstehen sie nur 50% der erhaltenen Informationen und weniger als die Hälfte findet die Vermittlung von Informationen zu Behandlungsmöglichkeiten „sehr gut“. Untersuchungen zeigen zudem, dass rund 70% der Patientinnen und Patienten noch nie von ihrer Hausärztin beziehungsweise ihrem Hausarzt in die Therapieentscheidung einbezogen wurden. Bei Fachärztinnen und Fachärzten sind es 65%.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Einerseits sind Ärztinnen und Ärzte heute mit dem Konzept der gemeinsamen Entscheidungsfindung noch nicht so vertraut. Andererseits trauen sich Patientinnen und Patienten nicht immer, all ihre Fragen und Meinungen zu äußern, weil sie befürchten, dann als schwierig abgestempelt zu werden. Augustin und Sommer sind aber überzeugt – und Studien belegen dies –, dass eine gemeinsame Entscheidungsfindung letztendlich sowohl auf ärztlicher Seite als auch bei den Patientinnen und Patienten zu einer besseren Therapieentscheidung führt. Die gemeinsame Entscheidungsfindung trägt damit maßgeblich zu einer effektiveren Behandlung der Symptome, zu größerer Zufriedenheit sowohl bei Ärztinnen und Ärzten als auch bei Patientinnen und Patienten, zu weniger Therapieabbrüchen, zu weniger Konsultationszeit, zu weniger Kosten und zu einer besseren Krankheitsbewältigung bei.
In der Ausbildung von jungen Ärztin- nen und Ärzten wird das Konzept der gemeinsamen Entscheidungsfindung heute unterrichtet. Der Fachmann Augustin wendet sich aber auch an die Patientinnen und Patienten, die er ermutigt, eine gemeinsame Entscheidungsfindung einzufordern.
„Sie haben ein Anrecht darauf“, sagte er kürzlich den Teilnehmenden an einem Online-Seminar des Deutschen Psoriasis Bunds e.V. zum Thema. „Das ist keine Wunschvorstellung. Das sollte der Standard sein.“ Nicht nur im Praxisalltag, auch in der medizinischen Forschung ist Menschenorientierung wichtig. Dort wird immer häufiger mit „Patientenorientierten Endpunkten“ gearbeitet.
Mit einem Endpunkt bezeichnen Medizinerinnen und Mediziner das Ziel oder Ergebnis einer (klinischen) Studie. Wichtig bleiben natürlich „objektive“ Endpunkte wie etwa die Verbesserung der Haut, die in solchen Studien häufig mit dem Messinstrument des Psoriasis Area and Severity Index (PASI) ermittelt wird. Inzwischen ist jedoch bekannt, dass eine Verbesserung des PASI nicht immer auch die Lebensqualität der Betroffenen verbessert. Die Lebensqualität ist ein Patientenorientierter Endpunkt, weil sie sich von außen (durch Ärztinnen und Ärzte) nicht beurteilen lässt, sondern immer nur durch die Betroffenen selbst. Forschungsteams wie das von der Referentin Sommer sind deshalb auf der Suche nach geeigneten, subjektiven – also menschen- bzw. patienten- orientierten – Endpunkten für klinische Studien im Bereich der Psoriasis.
Der Mensch gehört in den Mittelpunkt
Augustin und Sommer wissen, dass es ein weiter Weg sein wird, bis sich die Menschenorientierte Versorgung in der medizinischen Praxis und Forschung durchgesetzt haben wird. Aber die beiden sind der festen Überzeugung, dass sie der Standard medizinischen Handelns werden sollte. Dafür arbeiten sie einerseits daran, die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen zu informieren und zu überzeugen, und andererseits daran, die Patientinnen und Patienten über ihre Rolle in der Menschenorientierten Versorgung aufzuklären und sie zu ermuntern, sich aktiv und informiert an der Entscheidungsfindung für ihre individuelle Behandlung zu beteiligen, denn sie haben ein Anrecht auf eine gemeinsame Entscheidungsfindung.
Quelle: PSO Magazin