Rheumatischer Formenkreis

Nutzt Bewegung, und wenn ja, wieviel? – Trainingstherapie bei rheumatischen Erkrankungen

Für eine Reihe von Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis wie rheumatoide Arthritis, Spondylitis ankylosans und auch systemischer Lupus erythematodes ist der positive Einfluss körperlichen Trainings eindeutig nachgewiesen. Dessen Ausmaß muss allerdings individuell dosiert werden, betonte der Rheumatologe Professor Dr. Wolfgang Hartung, Universität Regensburg und Asklepios Klinikum Bad Abbach, bei einer Session im Rahmen des diesjährigen DGRh-Kongresses.

Da die Bandbreite der Rheumapatienten vom schwerkranken Älteren bis hin zum Hochleistungssportler reicht, könnten für den Aspekt Ausdauer im einen Fall fünf halbstündige Spaziergänge mit dem Hund ausreichen, im anderen Fall dagegen eher ein ebenso häufiges 30-60-minütiges Training mit 80% der maximalen Herzfrequenz. Entscheidend ist, so eine aktuelle EULAR-Empfehlung (2018), dass die Empfehlung und Förderung körperlicher Aktivität integraler Bestandteil der Standardversorgung während des gesamten Krankheitsverlaufs sein sollte, allerdings unter Berücksichtigung spezifischer Kontraindikationen.

Abb. 1: Sportliche Aktivitäten von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen (Erhebung aus dem Jahr 2014) (Quelle: Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin)

Tab. 1: Sportarten und Trainingsmethoden, die laut Amerikanischer Gesellschaft für Sportmedizin für Patienten mit rheumatoider Arthritis geeignet sind. (Quelle: mod. nach [7])

Die optimale Dauer der wöchentlichen Aktivität wird in mehreren

Studien durch eine „umgekehrte J-Kurve“ beschrieben, ein Hinweis darauf, dass zuviel Sport die prinzi- piellen Vorteile der Aktivität gegenüber der Inaktivität wieder zunichte machen kann. Diese Gefahr ist jedoch eher gering, wie eine Befragung des Deutschen Rheumazentrums aus 2014 über die tatsächliche Aktivität von Rheumapatienten ergeben hat. Hier waren zwar Frauen insgesamt etwas aktiver als Männer und insbesondere Patienten mit ankylosierender Spondylitis (AS) die aktivste Subgruppe aller Rheumapatienten. Nur etwa 50% aller Patienten waren jedoch mindestens eine Stunde pro Woche sportlich aktiv, etwa ein Viertel der Patienten gaben sogar an, überhaupt keine sportlichen Aktivitäten auszuüben.

Die Vorteile eines angepassten körperlichen Trainings liegen jedoch auf der Hand. Sowohl die Akkumulation viszeralen Fettes als auch die Sarkopenie durch schwindende Muskelmasse fördern chronische systemische Entzündungsprozesse, erläuterte Hartung. Körperliche Aktivität, richtig eingesetzt, reduziert körperliche Schmerzen, wirkt der Sarkopenie entgegen, führt zu funktionellen Verbesserungen und reduziert den Kraftverlust. Dazu kommt, dass das Training der Muskulatur nicht nur in Bewegung und Wärme umgewandelt wird, sondern zusätzlich, über eine gesteigerte Freisetzung von Myokinen, einen direkten antientzündlichen Einfluss auf rheumatische Erkrankungen hat. Diese hormonähnlichen Peptide beeinflussen die Funktion sehr vieler Organsysteme des Körpers positiv. „Wir müssen Rheumakranken also zunächst klarmachen, dass Bewegung nicht schadet, sondern eher nutzt“, so der Rheumatologe.

Die Resultate mehrerer Studien mit unterschiedlichen Trainingsschwerpunkten ergaben, dass körperliches Training den Verlauf verschiedener rheumatischer Erkrankungen nicht verschlechtert, hierunter also die Krankheitsaktivität nicht aufflammt (flares), klinische und funktionelle Parameter hingegen verbessert werden. So zeigte eine Studie [1] zum Effekt eines kombinierten Kraft- und Ausdauertrainings bei 20 Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) im mittleren Alter von knapp 60 Jahren, dass nach einem solchen überwachten Training über sechs Monate weder die mittlere Krankheitsaktivität, gemessen mit dem DAS28, noch funktionelle Parameter des HAQ-DI verschlechtert, sondern tendenziell (p=0,06) sogar verbessert sind. Statistisch signifikante Verbesserungen zeigte das Training in der Interventionsgruppe bei der allgemeinen Gesundheit (p=0,04) und der krankheitsspezifischen Schmerzintensität (p=0,05) sowie bei der Zunahme der maximalen Beinkraft (p<0,01). Ähnliche Effekte zeigten sich in einer weiteren Studie [2], bei der ebenfalls für sechs Monate zusätzlich ein individualisiertes aerobes Ausdauertraining absolviert wurde. Die Interventionsgruppe profitierte hier von einer Abnahme des DAS28 und des systolischen Blutdrucks, wobei der Entzündungsparameter CRP – anders als in der Kontrollgruppe – nicht nennenswert anstieg.

Ähnlich ermutigende Resultate liegen auch für Patienten mit ankylosierender Spondylitis (AS) [3,4] vor,
so Hartung weiter. Hier verbesserte körperliche Aktivität über 10 bzw. 12 Wochen klinische Parameter (BASD, BASDI, BASMI, jeweils p<0,001) hochsignifikant. Eine Pilotstudie [5] deutet zudem darauf hin, dass sich durch die trainingsbedingte signifi- kante Schmerzverringerung sogar die Dosierung von DMARD (Etanercept) und NSAR reduzieren ließe.

Eine Metaanalyse [6] zeigt auch für den systemischen Lupus erythematodes (SLE), dass diese Kollagenose bei stabiler oder niedriger Krankheitsaktivität durch Sport nicht verschlechtert wird, während die aerobe Kapazität der Patienten zunimmt und ihre Depressionswerte zugleich ebenso abnehmen wie die bei SLE sonst schwer beeinflussbare Fatigue.

Hinweise darauf, welche Sportarten und Trainingsformen für Patienten mit rheumatoider Arthritis prinzipiell geeignet sind, gibt ein Schema der US-amerikanischen Gesellschaft für Sportmedizin. [7] Danach ist eine Kombination aus Kraft-, Mobilitäts- und Ausdauertraining anzustreben. Da es im fortgeschrittenen Alter allerdings primär um Erhalt oder Wiedergewinnung von Alltagsfähigkeiten wie selbstständiges Aufstehen vom Stuhl oder das sichere Treppensteigen gehe, gelte zudem der Grundsatz, „je älter der Patient ist, desto wichtiger werden Kräftigung und Koordinationsschulung und desto weniger wichtig wird die Ausdauer“, betonte der Rheumatologe abschließend.

Quelle: Session 20 „Sport und Bewegung“ beim 49. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, 16. September 2021,

Literatur

1. Strasser B. et al., Clin Rheumatol 2011; 30: 623-632

2. Stavropoulos-Kalinoglou A. et al., Ann Rheum Dis 2013; 72:1819-1825

3. Yigit S, Rheumatol Int 2013; 33:71-77
4. Aitekin E, Clin Rheumatol 2012; 31:91-97 5. Meier et al., J Rheumatol 2014; 41:1
6. O ́Dwyer et al., dx.doi.org/10.1016/j.semathrit.2017.04.03
7. Hartung et al., Z Rheumatol 2021, Apr.

80(3): 2511-262.doi: 10.1007/s00393-021- 00970-z.