Wenn Muskeln und Skelett medikationsbedingt betroffen sind
Dr. A. Häckel
Es gibt zwar ein breites Spektrum von muskuloskelettalen Nebenwirkungen bei Rheumapatient*innen, doch in der klinischen Praxis sind nur einige besonders relevant. Dazu gehören neben Myositiden und Myopathien auch Arthritiden, Bindegewebserkrankungen, Knochenerkrankungen und periartikuläre Syndrome, erläuterte Dr. Peter Korsten, Universität Göttingen, bei einer Veranstaltung im Rahmen des diesjährigen Deutschen Rheumatologiekongress in Berlin.
Bekannt sind Myopathien und Myositiden vor allem nach Einnahme von Statinen. In einer Studie [1] zu anti- HMG-CoA-Reduktase assoziierten Erkrankungen mit Patient*innen im mittleren Alter von 68 Jahren fand
sich allerdings nur bei 2/3 eine Statineinnahme. Die Kreatinkinase CK war meist hoch (12.800) mit ausgeprägten Nekrosen, „da geht richtig Muskel kaputt“, so Korsten. Bei allen Patient*innen fanden sich im MRT Veränderungen. Standardtherapie war eine Prednisolon-Induktion (als hoch dosierter Stoß oder 1 mg/kg/KG) sowie Azathioprin mit oder ohne intravenöse Immunglobuline (IVIGs). Hierunter kam es fast bei allen Patient*innen zur Komplettremission (definiert als Normalisierung von Muskelkraft und CK). Hilfreich zur Verlaufskontrolle ist hier die Bestimmung von Antikörpertitern.
Myalgien treten unter Statinen häufiger auf (v.a. bei stationären Patient*innen) als Myositiden. Häufig sind jedoch Hyperurikämie und Gicht, so Korsten. Induziert werden diese bei Patient*innen mit kardiovaskulären oder -renalen Erkrankungen etwa durch klassische Medikamente wie niedrigdosiertes (low dose) ASS oder – nach einer Transplantation – Ciclosporin A. Low dose ASS ist besonders dafür bekannt, die Harnsäuresekretion über den organischen Anionentransporter III zu reduzieren, dagegen hemmt hoch dosiertes ASS die Wiederaufnahme von Harnsäure aus dem Urin, hat also einen positiven Effekt. [2]
Auch Thiazid- und Schleifendiuretika können häufig Gichtanfälle induzieren. Pseudogicht, eine schwierig zu behandelnde Erkrankung, tritt oft nach Operationen auf, mit Knieschmerzen und deutlicher CRP-Erhöhung. Radiologisch findet sich häufig eine Chondrokalzinose (bei ca. 8% aller >50-Jährigen). Hier gibt es allerdings kaum gut wirksame Immunsuppressiva als medikamentöse Option. Begünstigend für eine Chondrokalzinose sind nach einer neuen Studie bei insgesamt 5.272 evaluierten Kniegelenken vor allem PPI und Thiazid-Diuretika (aufgrund der dadurch induzierten Hypomagnesämie). Schleifendiuretika sind dagegen kaum Ursache einer Chondro- kalzinose.
Aromatasehemmer (AI) bei Mamma- Ca-Patientinnen können über eine vermehrte Produktion von IL-17 unterschiedlich stark ausgeprägte muskuloskelettale Symptome (AIMSS) induzieren. Therapeutisch stehen hier eher unspezifische Maßnahmen wie Duloxetin, Omega-3-Fettsäuren, Sport oder Akupunktur zur Verfügung.
Kollagenosen können durch eine ganze Reihe verschiedener Medikamente ausgelöst werden. [3] Neben Procainamid, Hydralazin, Minocyclin und Ethosuccinimid kann dies auch durch vermeintlich harmlosen Kastanienextrakt (Aesculus extract) geschehen. Für den TNF-Blocker Infliximab ist eine medikamentenassoziierte Sarkoidose beschrieben.
Für medikamenteninduzierte Knochenerkrankungen sind u.a. Bisphosphonate und MTX relevant. So können unter Bisphosphonaten seltene atypische Femurfrakturen (AFF) auftreten, deren Prävalenz mit steigender Einnahmedauer der Präparate deutlich zunimmt. Die (seltene) MTX-Osteopathie tritt nach systematischen Reviews [4,5] vor allem an der distalen Tibia (51%), am Calcaneus (35%) sowie an der proximalen Tibia (27,5%) auf. Am häufigsten ist jedoch die rheumatoide Arthritis als Folge einer Psoriasisarthritis nach MTX-Einnahme über im Mittel sieben Jahre. Hier findet sich auch eine typische Ausprägung im MRT.
Schäden an periartikulären Strukturen wie Tendinopathien schließlich finden sich oft nach Antibiotika-Einnahme. Auslöser sind meist Zweitgenerations-Chinolone, v.a. Ciprofloxacin, oder Drittgenerations- Chinolone wie Moxifloxacin und vor allem Levofloxacin. [6,7] T
Quelle: Sitzung: „Therapie-induziertes Rheuma – Fakten und Mythen“ beim Deutschen Rheumatologiekongress, 1. September 2022, Berlin
Literatur
1. Rademacher JG et al., Clin Exp Rheumatology 2022
2. https://tmedweb.tulane.edu/pharmwiki/doku. php/aspirin
3. Arnaud et al., Ann Rheum Dis 2019
4. Ruffer et al., Semin Arthritis Rheum 2021
5. Robin et al., Osteoporosis International 2021
6. Goshwami and Gosh, Ind J Rheumatol 2019 7. Scavone et al., Front Pharmacol 2020