Rheumatischer Formenkreis

Zur Akzeptanz der Biologika

Seit 2002 ist das Biologikum Enbrel (Etanercept), ein sogenannter TNF-Alpha-Antagonist, nun zur Behandlung der Psoriasis-Arthritis und seit 2004 zur Behandlung der mittelschweren bis schweren Psoriasis der Haut (Plaque-Typ Psoriasis) zugelassen. In den Jahren 2004 beziehungsweise 2005 folgten aus derselben Substanzgruppe Remicade (Infliximab), 2005 beziehungsweise 2007 Humira (Adalimumab) sowie nachfolgend weitere Präparate.

Prof. Dr. med. Joachim Barth, Leipzig

Dies bedeutet, dass mit dieser Gruppe gentechnisch hergestellter Eiweiße, die das Entzündungsgeschehen bei Psoriasis gezielt unterdrücken, nunmehr etwa 20-jährige therapeutische Erfahrungen bestehen. Letztere bestätigen nicht nur deren eindrucksvolle therapeutische Wirkung, sondern auch ihre vergleichsweise gute Verträglichkeit.

In den meisten klinischen Vergleichsstudien mit den herkömmlichen Systemtherapeutika, insbesondere auch mit den bewährten Fumarsäureestern (Fumaderm), schnitten die Biologika besser ab. Diese Vergleichsstudien dienten auch dazu, die gesundheitspolitischen Entscheidungsträger von den Vorteilen der neuen, teureren Substanzen gegenüber den bewährten Therapie möglichkeiten (neben Fumarsäureestern auch Acitretin, Methotrexat, Ciclosporin und Phototherapien inklusive PUVA-Therapie) zu überzeugen und deren Verordnungsnotwendigkeit für relevante Fälle zu begründen. Schließlich sind die Kassen angehalten, mit den Beiträgen ihrer Mitglieder verantwortungsvoll umzugehen, wenn neue, teurere Therapieverfahren auf den Markt kommen. Eine wichtige Entscheidungshilfe liefert dabei bekanntlich der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen.

Zu den TNF-Alpha-Antagonisten gesellten sich in der Folgezeit neue, größtenteils noch effektivere Biologika,

die bestimmte entzündungsfrödernde Interleukine hemmen. Die Interleukine 12/23 durch den Wirkstoff Ustekinumab, das Interleukin 17 durch Secukinumab, Ixekizumab und Brodalumab sowie das Interleukin 23 durch Guselkumab, Tildrakizumab sowie Risankizumab. Der damit weiter gestiegene finanzielle Druck auf die Kassen wurde inzwischen dadurch reduziert, dass von den eingangs erwähnten drei TNF-Alpha-Antagonisten infolge des Patentablaufs zehn preislich günstigere, weitgehend identische Nachfolgepräparate (Biosimilars) auf den Markt gekommen sind. Weitere werden folgen. Sie stehen nach den bisherigen Erfahrungen in Wirkung und guter Verträglichkeit den Originalpräparaten nicht nach.

Unter diesen, auf die TNF-Alpha-Antagonisten folgenden Substanzgruppen, hat sich inzwischen ein neuer Wettbewerb entwickelt, der sich nicht nur vorteilhaft auf die Preisgestaltung auswirkte, sondern auch zur Herausarbeitung bestimmter Vorteile und Besonderheiten der einzelnen Substanzen führte. Dies bezieht sich unter anderem auf die Dynamik des Wirkungseintritts, die Wirkungsdauer aber auch leicht divergierende Nebenwirkungsaspekte.

Um die Spezifitäten der einzelnen Präparate zu verifizieren, werden gegenwärtig auch Vergleichsstudien (Head-to-Head-Studien) zwischen den Substanzen dieser insgesamt sehr effektiven Nachfolgergruppen der TNF-Alpha-Antagonisten durchgeführt. Dank dieser genaueren Charakterisierung kann den Patientinnen und Patienten eine immer präzisere, individuell zugeschnittene Therapie angeboten werden. Die beeindruckende Effektivität dieser neuen Biologika lässt sogar die Frage aufkommen, ob es gelingen kann, eine lebenslange Erscheinungsfreiheit der Haut beziehungsweise der Gelenke durch permanente Unterdrückung des anlagebedingten Entzündungsprozesses der Psoriasis zu erreichen. Immer deutlicher zeichnet sich auch ab, dass mit einer rechtzeitig einsetzenden, kontinuierlichen Therapie mit Biologika die Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) günstig beeinflusst werden können und somit ihr Voranschreiten, der sogenannte „psoriatische Marsch“, gestoppt werden kann.

Abb. 1: Die Struktur eines Biologika-Eiweißes (hier: Adalimumab) ist komplex. (Foto: Wikimedia Commons)

Wenn man bedenkt, dass einschließlich der Biosimilars auf dem Biologika-Sektor in den letzten zwei Jahrzehnten über 20 neue Medikamente zur Behandlung der Psoriasis beziehungsweise der Psoriasis- Arthritis auf den Markt gekommen sind, dann wird deutlich, welche neuen Herausforderungen und Chancen für Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzten erwachsen sind. Hinzu kommt aus der Gruppe der „kleinen Moleküle“ das Apremilast, weitere neue Substanzgruppen sind in Erprobung. Für die Dermatologinnen und Dermatologen bedeutet dies ein permanentes Bemühen um fachliche Fortbildung und kollegialen Erfahrungsaustausch. Besondere Unterstützung finden sie dabei in den speziell dafür gegründeten, bundesweit agierenden Psoriasisnetzen beziehungsweise Hautnetzen. Alle dermatologisch tätigen Ärztinnen und Ärzte sind angehalten, diese neuen Kernaufgaben ihres Fachgebietes umzusetzen und auf der Basis aktueller Leitlinien den Patientinnen und Patienten die nunmehr mögliche, optimierte, individuelle Therapie zukommen zu lassen.

Unter diesen Gesichtspunkten ist nicht nachvollziehbar, warum die Nutzung der mit den Biologika gegebenen Möglichkeiten und Chancen in den einzelnen Bundesländern immer noch in so unterschiedlichem Ausmaß erfolgt. Nach wie vor besteht ein deutliches Nord-Südbzw. Ost-West-Gefälle in der auf die Bevölkerungszahl bezogenen Verordnungshäufigkeit und damit wohl auch der ärztlichen Akzeptanz des Einsatzes von Biologika. Um diese zu fördern und einzufordern, sollten die Patientinnen und Patienten ihre berechtigten Interessen nachhaltiger einbringen. Speziell für sie wurde bekanntlich auch eine Patientenversion der S3-Leitlinie zur Behandlung der Psoriasis erarbeitet, die beim Deutschen Psoriasis Bund e.V. (DPB) abrufbar ist. Ihr ist zu entnehmen, welche vielfältigen therapeutischen Möglichkeiten gegenwärtig zur Bewältigung des Psoriasis-Problems verfügbar sind.

Dabei soll nicht verkannt werden, dass die Akzeptanz neuer Behandlungsmethoden auch für chronisch kranke Psoriasis-Patientinnen und -Patienten mit einem oft langen Leidensweg nicht einfach ist. Therapeutisch eingefahrene Gleise sind nicht leicht zu verlassen und Bewährtes hat durchaus immer noch seine Berechtigung. Jede und jeder Betroffene sollte aber überdenken, ob im persönlichen Fall der Schritt zu einer neuen Behandlungsqualität nicht weitere Lebensqualität erwirkt. Das heute angestrebte Therapieziel ist eine weitestgehend erscheinungsfreie Haut, verbunden mit einer Reduzierung oder Ausschaltung eventueller Begleitkrankheiten. Es geht somit um langfristige Lebensgestaltung mit einer nunmehr gut beherrschbaren, chronischen Entzündungskrankheit und diese kann nur durch zielstrebiges, gemeinsames Handeln von Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzten gelingen. ª

Quelle: PSO Magazin 5/2020