Fokus auf Schmerz-Reduktion bei RA-Patienten
Potenziale der Therapie mit JAK-Inhibitoren ausloten
Neben den molekularen Mechanismen zur Wirkweise der JAK-Inhibitoren (JAKi) erläuterten ausgewiesene Experten der Rheumatologie bei einem virtuellen Symposium im Rahmen der diesjährigen DGRh-Tagung die Potenziale der Therapie zum Beispiel in Bezug auf Schmerzreduktion bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA).
Januskinasen (JAKs) sind Enzyme, die intrazelluläre Signale von Zelloberflächenrezeptoren für über 50 verschiedene Zytokine (z.B. IL-6, IL-12, IL-15 und IL-21) vermitteln, die u.a. an Entzündungs- und Immunabwehr- Prozessen beteiligt sind, erläuterte Prof. Dr. med. habil Eugen Feist, Chefarzt der Abteilung für Rheumatologie in der Helios Fachklinik in Vogelsang-Gommern. Baricitinib moduliert beispielsweise die enzymatische Aktivität von JAK1 und JAK2 und reduziert somit auch die Aktivierung der STAT-Signalwege (Signal Transducers and Activators of Transcription).
Kurze Halbwertszeit von JAKi kann Vorteile bieten
JAKi zeichnen sich durch relativ kurze Halbwertszeiten von z.B. 3 (Tofacitinib), 12 (Baricitinib) oder 9–14 Stunden (Upadacitinib) aus. Laut Feist können die kurzen Halbwertszeiten für RA-Patienten unter Therapie von Vorteil sein, zum Beispiel bei Infektionen, Toxizität, geplanten Interventionen, Therapiewechsel und geplanter Schwangerschaft. JAKi wie Baricitinib haben einen festen Stellenwert im Therapiespektrum der RA. Baricitinib ist seit etwa drei Jahren eine Behandlungsoption bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver RA, die auf konventionelle DMARDs (disease modifying anti-rheumatic drugs) unzureichend angesprochen oder diese nicht vertragen haben, als Monotherapie oder in Kombination mit MTX (Methotrexat).
Bessere Schmerzreduktion möglich
Die möglichen Therapieziele einer wirksamen Therapie bei RA sind breit gefächert. Zu den Wichtigsten zählen das Anstreben einer Remission derRA, der Erhalt der Lebensqualität, der Erhalt der beruflichen Kompetenz, Vorbeugung von Folgeerkrankungenund Reduzierung bzw. Vorbeugung von Schmerzen, so Feist. „Wir müssen uns mehr der Schmerzwahrnehmung widmen und neue Wege finden, um die Behandlung unserer Patienten diesbezüglich zu optimieren“, betonte der Experte. Die Kombination Baricitinib (oral, 4 mg/Tag) plus MTX zeigte eine signifikante Überlegenheit gegenüber Adalimumab plus MTX für die absolute Reduktion des ACR20 und die mittlere Veränderung des DAS28-CRP (Disease Activity Score-28 for Rheumatoid Arthritis with CRP) jeweils in Woche 12. Baricitinib zeichnet sich neben einer gleichwertigen bis überlegenen Wirkung gegenüber dem TNF-Blocker Adalimumab durch eine bessere Schmerzreduktion aus, hob der Experte hervor. So erreichten in der RA-BEAM-Studie im Vergleich zu Baseline 61% der Patienten unter Baricitinib plus MTX (293/482 Patienten) nach Woche 24 eine Reduktion des Schmerzes (pain VAS, Visual Analog Scale) um mindestens die Hälfte im Vergleich zu 52% unter Adalimumab plus MTX (170/327) und 32% Placebo plus MTX (155/483). Eine 50%ige Verbesserung des Schmerz- Scores wurde im Median jeweils nach vier (Baricitinib), acht (Adalimumab) bzw. 14 Wochen (Placebo) (jeweils in Kombination mit MTX) verzeichnet, ergänzte der Experte (vgl. Abb. 1). [1]
Daten zur Langzeitsicherheit von Baricitinib
Prof. Dr. Klaus Krüger, Rheumatologe aus München, ergänzte das Langzeitsicherheitsprofil von Baricitinib mit gepoolten Daten analysen über einen Zeitraum von 8,4 Jahren aus insgesamt zehn Studien mit 3.770 Behandlungsverläufen. Im Zeitverlauf wiesen sämtliche beobachteten Neben wirkungen konstante Inzidenzraten auf, die konsistent mit vorherigen Analysen waren. Die mit am häufigsten beobachteten Neben wirkungen waren Infektionen mit Herpes Zoster und schwere Infektionen, wobei ältere Patenten ab 65 Jahre ein höheres Infektionsrisiko aufweisen als jüngere, wie der Experte zu bedenken gab. In Bezug auf schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (SAEs) wurden keine auffälligen Signale z.B. bei Malignomen und MACE (kardiovaskulären Ereignissen) bezügliche Gesamtrate und zeitlichem Verlauf verzeichnet. Lediglich in Bezug auf thrombo embolische Risiken sollten JAKi generell bei Patienten mit Risikofaktoren für TVT/LE (tiefe Venenthrombose und Lungen entzündung) wie beispielsweise höheres Alter, Adipositas und TVT/LE in der Vorgeschichte des Patienten mit Vorsicht angewendet werden, so der Rat des Experten. [2]
Real-World-Analysen zu Baricitinib
Prof. Dr. med. Torsten Witte von der Klinik für Immunologie und Rheumatologie der medizinischen Hochschule in Hannover stellte erste Auswertungen mit Real-World-Daten aus dem RABBIT-Register vor. Im Register wurden RA Patienten eingeschlossen, die unter Baricitinib neu begannen (n=117 mit 84% auf 4 mg/Tag) oder darauf geswitcht wurden (n=286 mit 83% auf 4 mg/Tag). Die RABBIT-Daten wurden mit Daten aus der RA BEACON-Studie verglichen, einer Phase-III-Studie mit 177 Patienten, die unter TNF_-Inhibitoren unzureichend eingestellt waren. Im Verlauf von drei Monaten lag das therapeutische Ansprechen in Bezug auf ACR20 in der RA-BEACON-Kohorte bei 56% und in der RABBIT-Kohorte bei 46%. Die Treat-to-Target-Ziele wie Remission und niedrige Krankheitsaktivität wurden allerdings häufiger in der RABBIT-Kohorte erreicht. [3]
Verordnungsverhalten von JAKi
Eine Auswertung zum internationalen Verordnungsverhalten von JAKi aus 17 verschiedenen Registern (JAK-POT-Register) mit 3804 RAPatienten, die neu auf JAKi eingestellt wurden, zeigte eine große Variabilität im Verordnungsverhalten aufgrund unterschiedlicher Empfehlungen zum Einsatz und unterschiedlicher Verfügbarkeit von JAKi. Dennoch konnten, so Witte, auch Gemeinsamkeiten festgestellt werden: JAKi wurden immer nach csDMARDs (konventionelle synthetische Medikamente wie z.B. MTX) verordnet und zwar bei RA- Patienten, die durchschnittlich über 50 Jahre alt sind und eine über zehnjährige Krankheitsaktivität aufwiesen. In Deutschland wurde bei knapp 60% der behandelten Patienten die RA- Behandlung mit JAKi als Monotherapie verordnet. Damit zählt Deutschland im internationalen Vergleich zu den Spitzenreitern beim Einsatz von Monotherapien bei RA, so das Fazit des Experten. [4]
In einer prospektiven Kohorten-Studie aus der Schweiz wurde die Real-World-Wirksamkeit von Baricitinib anhand von Daten aus dem Swiss Clinical Quality Management (SCQM)-Register analysiert. Zu den Baseline-Charakteristika konnte festgestellt werden, dass Baricitinib signifikant häufiger bei älteren Patienten mit langer Krankheitsdauer und höherer Anzahl an Vortherapien verordnet wurde als bDMARDs (Biological DMARDs). Eine Analyse des Verbleibens auf der Therapie ergab, dass eine Therapiebeendigung unter TNF_-Inhibitoren wahrscheinlicher ist als unter Baricitinib, so dass auch der Verbleib auf einer Baricitinib- Therapie signifikant länger war. „Die Real-World-Daten spiegeln die Daten aus den klinischen Studien weitestgehend wider“, schlussfolgerte Witte. [5] ª
Quelle: Virtuelles Symposium „Baricitinib – Prime Time in der Rheumatologie“ im Rahmen der DGRh-Jahrestagung, 11. September 2020; Veranstalter: Lilly
Literatur
- Taylor PC et al. J Clin Med 2019;8(6):831.
- Genovese MD et al. Ann Rheum Dis 2020; 79(Suppl. 1): 638, Poster: FRI0123.
- Meißner Y et al. Poster presented at DGRh 2018. Abstract RA.05.
- Lauper K et al. Ann Rheum Dis 2020, 79 (Suppl. 1): 14, Poster: OP0231.
- Gilbert B et al. Ann Rheum Dis 2020; 79(Suppl. 1): 321, Poster: THU0203.