Rheumatologie

Entzündete Wirbelsäule, verknöcherte Gelenke – was ändert sich für die Patienten mit der neuen Morbus-Bechterew-Leitlinie?

Unter dem Terminus “axiale Spondyloarthritis (SpA)“ wird eine entzündlich-rheumatische Wirbelsäulenerkrankung verstanden, die mit verschiedenen muskuloskelettalen und extraskelettalen Manifestationen vergesellschaftet ist (Prävalenz der gesamten Gruppe der SpA etwa ein Prozent). Die ersten Symptome einer axialen SpA – meist Rückenschmerzen, oft mit entzündlichem Charakter – treten im Durchschnitt im zweiten bis dritten Lebensjahrzehnt auf. Der Krankheitsverlauf ist initial durch Entzündungen an der Wirbelsäule charakterisiert und ist im weiteren Verlauf durch strukturelle Veränderungen am Knochen, meist in der Form von Knochenneubildung, gekennzeichnet.

Der Hauptvertreter der Gruppe der axialen SpA zeichnet sich durch knöcherne Veränderungen (= Ankylosen) an den Kreuz-Darmbein-Gelenken (Sakroiliakalgelenken) und der Wirbelsäule (= Syndesmophyten) aus. Diese Form der SpA wird ankylosierende Spondylitis (im Deutschen auch Morbus Bechterew) genannt – innerhalb des Krankheitsprozesses eine eher fortgeschrittene Manifestation. Das frühe Krankheitsstadium ohne strukturelle Veränderungen an den Knochen wird heute als nicht-röntgenologische axiale SpA bezeichnet. Beide Subgruppen werden in den ASAS (Assessment of SpondyloArthritis International Society)-Kriterien seit 2009 als axiale SpA klassifiziert. Die axiale SpA ist somit eine potenziell schwerwiegende Erkrankung, die neben den muskuloskelettalen Manifestationen auch extraartikuläre Manifestationen wie Uveitis, Psoriasis und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen aufweist und die ein koordiniertes multidisziplinäres Vorgehen unter der Koordinierung eines Rheumatologen erfordert.

Chronische Rückenschmerzen als Frühsymptom der Erkrankung werden bei SpA-Patienten häufig als unspezifische Kreuzschmerzen fehlgedeutet und es kommt nicht selten weder zu einer klaren Diagnose noch zu einer effektiven Therapie. Die im Jahre 2013 publizierte S3-Leitlinie “Axiale Spondyloarthritis inklusive Morbus Bechterew und Frühformen“ (AWMF-Leitlinien Register Nummer: 060/003) hat dazu beigetragen, dass sich die Versorgungsqualität in Deutschland gebessert hat. Dies ist aus Daten der Kerndokumentation ersichtlich, die zeigen, dass die Länge der Diagnoseverzögerung reduziert ist und sich die Anzahl der Patienten unter einer Biologika-Therapie erhöht hat. Innerhalb von 20 Jahren ist der Anteil der Patienten, die innerhalb eins Jahres die Diagnose axSpA erhalten haben, von 30 auf 50 Prozent angestiegen. Der Anteil der Patienten mit Biologika-Therapie hat sich in demselben Zeitraum auf 52 Prozent erhöht.

Unter den rheumatischen Erkrankungen zeichnet sich die axiale SpA durch eine besonders lange Diagnoseverzögerung aus. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass nicht ein einzelnes Symptom wegweisend für die Diagnose ist, sondern dass die “richtigen“ Patienten aus der großen Gruppe der Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen möglichst optimal vorselektiert werden müssen. Das Update der Leitlinie präzisiert hier das interdisziplinäre Vorgehen, die koordinierte Versorgung bei Komorbiditäten und das Management im Langzeitverlauf. Für die Diagnosestellung durch den internistischen Rheumatologen ist bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen die Feststellung einer Sakroiliitis mit Röntgen und/oder MRT wichtig. In die Leitlinie neu aufgenommen wurden Erkenntnisse zur geringeren Spezifität von in MRT sichtbaren Sakroiliitiden oder Osteitiden. Die Indikationsstellung für die Bildgebung sollte bei Patienten in der Primärversorgung eher zurückhaltend gestellt werden und möglichst in Abstimmung mit dem Rheumatologen erfolgen.

Die von der Leitlinie empfohlene evidenzbasierte Therapie beruht auf mehreren Säulen: Bewegungsübungen, medikamentöse Therapieverfahren und Patientenschulungen. Das optimale Management für Patienten mit axialer SpA sollte eine Kombination aus nicht pharmakologischen und pharmakologischen Maßnahmen beinhalten. Wie auch schon in der ersten Fassung der Leitlinie wird die Bedeutung der Bewegungsübungen hervorgehoben. Bewegungsübungen sollten regelmäßig, bevorzugt als angeleitete Gruppentherapien, durchgeführt werden. Multimodale Rehabilitation mit intensiver Bewegungstherapie und strukturierter Patientenschulung kann zu einer Verbesserung der Krankheitsbewältigung und zur Reduktion der Krankheitskosten führen. Unverändert zur Leitlinie von 2013 werden nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) inklusive Coxibe als Mittel der ersten Wahl bei symptomatischen Patienten mit axialer SpA empfohlen. Die Dosierung und Dauer der NSAR inklusive Coxibe richtet sich nach der Intensität der Beschwerden des Patienten.

Die Effektivität einer solchen Therapie kann nach zwei bis vier Wochen beurteilt werden. Wenn ein NSAR einschließlich Coxibe nicht gewirkt hat, sollte innerhalb von zwei bis vier Wochen ein zweites NSAR versucht werden. Bei Patienten mit persistierend aktiver axialer SpA und unzureichendem Ansprechen auf eine NSAR-Therapie soll eine Therapie mit Biologika begonnen werden. Aufgrund der neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der medikamentösen Therapie kann neben den etablierten TNF- Inhibitoren bei Patienten mit ankylosierender Spondylitis auch eine Therapie mit IL-17-Inhibitoren empfohlen werden. Bei neu eingeleiteten Therapien soll die Wirksamkeit nach zwölf Wochen überprüft werden. Die Leitlinie präzisiert das Vorgehen, wenn Biologika aufgrund von Wirkverlust oder von Nebenwirkungen gewechselt werden müssen oder wenn eine Remission erreicht werden konnte und die Patienten über eine Dosisreduktion beziehungsweise über ein Absetzen der Biologika informiert werden können.