Rheumatologie

Infektionen,Impfungen und Krankheitsschübe – gibt es einen Zusammenhang?

Dr.A.Häckel

Die Frage, ob durch Infektionen oder Impfungen Schübe von Autoimmunerkrankungen ausgelöst werden, wird – vermehrt seit der SARS-CoV-2-Pandemie – heftig diskutiert. Hierzu gibt es meist feste Meinungen in der Fachwelt und viele Rheumatologen sind offenbar davon überzeugt, dass dem so ist. „Wir alle denken JA, aber bislang gibt es wenig Evidenz“, pointierte es Dr. med. Johanna Mucke von der Universitätsklinik Düsseldorf bei einer Veranstaltung im Rahmen des diesjährigen Deutschen Rheumatologiekongress in Berlin. Die bisher dafür vorliegende Evidenz ist nämlich alles andere als eindeutig, wie sie in einer Übersicht des aktuellen Wissensstandes darlegte.

Beispiele für durch Mikroorganismen ausgelöste rheumatische Autoimmun­erkrankungen gibt es durchaus seit längerem, so Mucke. Sie beruhen auf gemeinsamen inflammatorischen Mecha­nismen und Signalwegen von Körperzel­ len und Mikroorganismen. So sind etwa bei der ACP-A­positiven Rheumatoiden Arthritis (RA) Aggregibacter actinomy­cetemcomitans oder Porphyromonas gingivalis als Auslöser bekannt. Auch beim systemischen Lupus (SLE) gilt das EBV­Virus als ein ursächlicher Faktor, Damit gilt: „Alle Mikroorganismen, die mit dem Immunsystem interagieren, können potenziell die Balance zwischen Toleranz, Abwehr und Autoimmunität modifizieren“, so Mucke. Schwierig ist dabei allerdings in Klinik und Forschung die Differenzie­rung zwischen Schub und Infektion. In der Literatur finden sich beim SLE-Daten einer chinesischen Kohorte [1], in der bei Patienten ein SLE mit Erstmanifes­tation oder ein Lupus­ähnlicher Schub mit einer CMV­-Infektion assoziiert war. Lediglich einzelne Fallberichte hierzu liegen auch für Parvovirus B19 vor. Bei EBV­Infektion fanden sich zwar keine Hinweise auf vermehrte SLE­Schübe, allerdings war die Viruslast bei Patienten mit aktivem SLE erhöht. [2] Eine ak­tuelle Studie [3] aus den Niederlanden konnte wiederum lediglich für schwere SLE­Schübe und Infektionen einen Zu­ sammenhang nachweisen.

Ebenfalls auf wackligen Beinen steht ein möglicher Zusammenhang zwischen Impfungen gegen Influenza, HBV oder Pneumokokken und der Induktion von rheumatischen Erkrankungen. Hier ließen sich lediglich transiente Anstiege von Antikörper­-Titern nachweisen, aber keine Erhöhung des Schubrisikos. [4] Ebenfalls öfter diskutiert als Auslöser für Autoimmunität wurden Aluminiumhaltige Adjuvanzien. Das in diesem Zu­sammenhang postulierte ASIA­-Syndrom [5] (Autoimmune Syndrome Induced by Adjuvants) zeichnet sich nach Ansicht von Mucke vor allem durch „sehr nebulöse Diagnosekriterien“ aus. Hinzu kommt, dass die Publikationen zu ASIA meist aus der gleichen Arbeitsgruppe stammen und von Aluminium­haltigen-Immun­therapien sogar ein reduziertes AI­-Risiko bekannt ist.

Die allgemeine Datenbasis hat sich durch Analysen während der SARS­-CoV­-2-­Pandemie allerdings zunehmend erweitert. So fand eine Studie [6] in der Phase vor der Verfügbarkeit von Impfungen nach einer SARS­-CoV­-2­-Infektion eine mit 34,2% deutlich höhere AI­-Erkrankungsrate als bei nicht infizierten Rheumapatienten (12,7%). Eine zweite Studie [7] fand bei Autoimmunerkrankungs-Patienten eine (hohe) Schubrate nach Infektion von 41%, allerdings gab es hier keine Kontrollgruppe und etwa die Hälfte der Patienten hatte ihre immunsuppressive Medikation wegen der Infektion unter­brochen. Für den Einfluss der SARS­-CoV-2­-Impfung auf die Schubrate gibt es Daten aus vier Registern mit ca. 9.000 Teilnehmern. Die hierbei berichteten Schubraten liegen zwischen 3% und 13,4%, unterscheiden sich also nicht signifikant von der spontanen Schubrate von etwa 7%, so Mucke. COVAX als davon einziges auf ärztlicher Analyse basierendes Register mit 5.151 Patienten fand eine mit 4,4% nur leicht erhöhte Rate von Arthritis­-Schüben mit milder bis moderater Krankheitsaktivität. Eine Analyse der Johns Hopkins Universität konnte als Risikofaktoren Schübe rheumatischer Erkrankungen innerhalb von sechs Monaten vor der Impfung, eine durchgemachte COVID­-Infektion sowie eine rheumatologische Kombinations­ therapie identifizieren. Als Fazit hieraus zitierte die Rheumato­login dazu die beim Kongress geäußerte Expertenmeinung von Professor Chris­tian Kneitz: „Natürlich können wie z.B. bei SARS-CoV-2 sowohl Impfungen wie auch Infektionen Schübe auslösen, wenn auch selten. Studien gibt es kaum, so dass eine absolute Aussage schwierig ist.“

Quelle: Sitzung: „Stimmt es eigentlich, dass…“ beim Deutschen Rheumatologiekongress, 3. September 2022, Berlin

Literatur

1. Zhang J et al., Lupus 2014;23(9):889-897 2. Piroozmand A et al., Asian Pac J Cancer Prev 2017;18(2):523-7
3. El-Hadyen, EULAR 2022, OP0143, vol 81, suppl 1, p. 92
4. Wan L et al., Medicine (US) 2016;95(19):1-7 5. Shoenfeld Y et al., J Autoimmun 2011;36:4-8 6. Felten et al., Arthritis Research & Therapy (2021) 23:188
7. Di Iorio et al., Semin Arthritis Rheum 2022 Aug;55:152025