Rheumatologie

Periphere Neuropathien bei Arthritiden

Ein Symposium beim 51. Deutschen Rheumatologiekongress in Leipzig thematisierte periphere Neuropathien bei Arthritiden in Bezug auf die Diagnostik und mögliche Therapieansätze. Es referierte Dr. med. Jan Leipe, Sektionsleiter Rheumatologie an der Universitätsklinik Mannheim.

Von peripheren Neuropathien spreche man, so Leipe, sobald Nerven aus dem Rückenmark austreten. Es werden drei Formen der Neuropathie unterschieden. Bei der Mononeuropathie wird akut oder subakut ein isolierter Nerv befallen; es treten sensible Ausfälle wie Taubheitsgefühle oder motorische Ausfälle wie isolierte Lähmungen im Versorgungsgebiet des Nervs auf, die häufig schmerzhaft sind. Bei der Mononeuropathia multiplex sind mehrere Nervenstämme gleichzeitig oder zeitlich versetzt betroffen, i.d.R. in einem asymmetrischen Schwerpunktmuster. An den Händen oder Beinen treten die gleichen Symptome wie bei der Mononeuropathie an unterschiedlichen Bereichen zeitgleich auf, mit erheblich schlimmeren Schmerzen wie bspw. einer schmerzhaften Parese. Die Polyneuropathie breitet sich in diversen Körperregionen meist distal mit symmetrischem Muster aus; zudem dominieren sensible Ausfälle wie Taubheit, ein vermindertes Schmerzempfinden oder sensible Reizsymptome wie Dysästesien.

Auffällig sei, so Leipe, dass die meisten Fälle der manifesten Neuropathien bei RA-Patient*innen auftreten; gut ein Drittel der RA-Patient*innen weisen dabei Neuropathien auf. Subklinische elektrophysiologische Studien zeigten, dass 50-75% der RA-Patient*innen subklinische Neuropathien aufzeigen (Agarwal V. Clin Rheumatol. 2008).

Bei Arthritiden werde zwischen zwei Gruppen unterschieden, den häufiger auftretenden Kompressionsneuropathien (Karpaltunnelsyndrom) und den selteneren, nicht-kompressionsbedingten Neuropathien (rheumatoide Vaskulitis). Die Kompressionsneuropathien treten meist durch einen Erguss, Synovialitis, Tenosynovitis und Gelenkdeformitäten auf. Häufig werden die Beschwerden der Patient*innen an den Handgelenken beschrieben, wobei meist darüber berichtet wird, dass es den Patient*innen schwer falle, eine Flasche zu öffnen, oder sogar, dass die Hand nachts einschlafe. Hier werde empfohlen, auch einen Neurologen zu Rate zu ziehen, um eine optimale Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) bei Karpaltunnelsydromen zu ermöglichen. Gleiches gilt bei der Psoriasis, die eine ebenso häufige Prävalenz zeige wie die RA.

Zur Diagnostik kommt die Neurographie mit eingeschlossener Analyse der Nervenleitgeschwindigkeit zur Anwendung. Auch die Elektromyographie kann zur Diagnostik herangezogen werden, um eine akute von einer chronischen Läsion zu unterscheiden, was jedoch eher selten geschehe.

Zur Therapie werde sich, so Leipe, an einer S3-Leitlinie orientiert, die bei häufig auftretenden oder anhaltenden typischen Beschwerden berücksichtigt werde; nicht jedoch bei pathologischen, elektrophysiologischen Befunden ohne klinische Symptome. Die konservative Therapie schreibe vor, eine nächtliche Handgelenksschiene anzulegen, begleitet durch eine zweiwöchige Glukokortikoid (GC)-Therapie und eine ultraschallgesteuerte, lokale GC-Infiltration. Diese Therapie zeige schnellere Resultate als eine Operation, jedoch erfolge die Schmerzreduktion nur temporär, dafür aber umgehend wirksam und komplikationsarm.

Die operative Therapie werde durch eine offene oder endoskopische Retinakulumspaltung realisiert. Diese setze man ein, wenn motorische Ausfallserscheinungen, eine Beeinträchtigung der Stereoästhesie oder das Nachlassen der Abduktions- und Oppositionskraft des Daumens beobachtet werden. Die operative Therapie führe jedoch nicht zu einer Verbesserung der schmerzhaften Parästesien.

Ein weiteres Krankheitsbild stelle das Tarsaltunnelsyndrom dar, das eine Prävalenz von 5-25% bei RA zeige. Dabei trete eine Kompression des Nervus tibialis auf, die subklinisch in elektrophysiologischen Studien nachgewiesen wurden. Risikofaktoren seien zum einen die Sehnenscheidenentzündung (Tenosynovitis) und zum anderen die Valgusdeformität der Fußgelenke.

Bei den nicht-kompressionsbedingten Neuropathien wird systematisch unterschieden zwischen der distal sensorischen, der sensomotorischen und der autonomen Form. Die distal sensorische Polyneuropathie sei mit RA, nicht aber mit rheumatoider Vaskulitis assoziiert, trete aber bei Diabetes mellitus, C2-Einnahme und Chemotherapie auf. Häufige Symptome seien symmetrische Parästhesien, die sich durch ein Brennen in den Füßen und Händen zeigen. Untersuchungsbefunde zeigen herabgesetztes Berührungs-Vibrations- und Nadelstichempfinden und eine verminderte Beobachtung von Reflexen. Distale sensorische Polyneuropathien seien jedoch schwierig zu diagnostizieren, da die Aussagekraft der empfohlenen Biopsie oft gering ausfällt, da die milden pathologischen Veränderungen kaum detektierbar seien. Es gebe jedoch Bereiche, in denen man evtl. eine axonale Degeneration oder segmentaler Demyelinisierung feststellen kann.

Eine kombinierte sensomotorische Neuropathie werde u.a. durch die RA-Dauer, den hohen Rheumafaktor oder durch ein männliches Geschlecht diagnostiziert. Diese Form sei schwerer und akuter als die distale sensorische Neuropathie, da sie mit erheblichen Schmerzen einhergehe. Die beobachtete Schwäche der Patient*innen trete innerhalb von Stunden oder Tagen nach dem Auftreten der Symptome auf. Dabei werden Hand- und Fußsenkungen am häufigsten festgestellt. Zudem seien die Sehnenreflexe vermindert oder nicht vorhanden.

Die autonome Neuropathie zeige, so Leipe abschließend, eine erhöhte Inzidenz bei RA und werde oftmals bei RA-Patient*innen mit abnormen kardiovaskulären Reflexen festgestellt.

Quelle: Symposium „Rheumatologie meets Neurologie: Periphere Neuropathien“ im Rahmen des 51. Deutschen Rheumatologiekongresses, 1. September 2023, Leipzig