Rheumatologie

Telemedizinische Anwendungen und digitale Hilfsmittel in der Rheumatologie

Telemedizinische Anwendungen und digitale Hilfsmittel bergen das Potenzial, in der rheumatologischen Sprechstunde Freiräume zu schaffen, Routine-Aufgaben zu erleichtern und den relevanten Patienten-Kontakt zu intensivieren. Wie digitale Möglichkeiten optimal eingesetzt werden können, um beispielsweise auch die Therapietreue von Patienten zu fördern, wurde anlässlich des diesjährigen Kongresses des Berufsverbands Deutscher Rheumatologen diskutiert.

Mit dem Ausbruch der COVID- 19-Pandemie haben sich die routinemäßigen rheumatologischen Abläufe in vielen Bereichen geändert. Um Patienten und Personal einen ausreichenden Infektionsschutz zu gewährleisten, kommen zunehmend telemedizinische Anwendungen (insbesondere Telefon- und Videokonsultationen) zum Einsatz. Telemedizinische Ansätze bieten in der Rheumatologie eine wertvolle Ergänzung des Betreuungsangebots, schilderte Dr. Martin Welcker, Facharzt für rheumatologische Erkrankungen aus Planegg.

Vor- und Nachteile der Videosprechstunde

Die Rheumatologie beschäftigt sich hauptsächlich mit der Versorgung von chronisch kranken Patienten, die von telemedizinischen Sprechstunden in der Routineversorgung profitieren können. Die telefonische Betreuung von Patienten ist bereits weit verbreitet und eine etablierte Form der Telemedizin in der Rheumatologie. Per Videosprechstunde können örtlich und zeitlich flexible Visiten bedarfs- gerecht abgehalten werden, die unter Umständen Versorgungslücken schließen, so Welcker. Jedoch verlangen telemedizinische Anwendungen eine gewisse „Digitalkompetenz“, so dass der Zugang zu entsprechender Technik bei einigen Patienten zum Beispiel altersbedingt eine Hürde darstellen kann. Des Weiteren ist die Betreuung der Patienten via Videosprechstunde, abgesehen von den qualitativen Einschränkungen (keine körperliche Untersuchung, kein Labor, kein Sono), meistens auch aus wirtschaftlichen Gründen unattraktiv, da die bisher vorgesehene Honorierung die Kosten für Technik und Personal nicht deckt. [1]

Therapieadhärenz ist ein unterschätztes Problem

Die Therapieadhärenz ist auch in der Rheumatologie ein unterschätztes Problem, konstatierte PD Dr. Philip Sewerin, Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie an der Uniklinik in Düsseldorf. Durchschnittlich sind nur etwa 50% der Patienten adhärent. Insbesondere konventionelle DMARDs scheinen deutlich häufiger nur unregelmäßig oder gar nicht eingenommen zu werden, so die Einschätzung von Sewerin.

Eine Studie zur Bewertung der Adhärenz unter einer Therapie mit MTX bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (n=606) ergab, dass die persönlichen Überzeugungen der Patienten und Multimorbidität stark mit der Nichteinhaltung einer Therapie zusammenhängen. Daher sollten die individuellen Therapieziele und Interventionen zur Verbesserung der Adhärenz regelmäßig in der Sprechstunde aufgegriffen werden, so der Rat von Sewerin. Hierzu zählt auch, sich explizit die Zeit dafür zu nehmen nachzufragen, ob und wobei Ängste oder Sorgen des Patienten bezüglich einer verordneten Therapie – zum Beispiel aufgrund von Nebenwirkungen aufkommen – empfahl Sewerin. [2]

Um die Adhärenz zu optimieren, sollte sich der Rheumatologe in der Sprechstunde ein gezieltes Feedback vom Patienten einholen und konkrete Lösungsvorschläge anbieten. Neben einer klaren und offenen Arzt-Patienten-Kommunikation können auch digitale Tools (z.B. Pill- Reminder in digitalen Kalendern oder Apps) zur Verbesserung der Adhärenz beitragen.

Adhärenz unter Anti-TNF-α- Therapien

Anti-TNF-α-Therapien sind wirksame Behandlungsoptionen für mittelschwere bis schwere chronisch entzündliche Erkrankungen, wie rheumatoider Arthritis (RA), axialer Spondyloarthritis (axSpA), Psoriasis-Arthritis (PsA), Plaque-Psoriasis und Morbus Crohn. Die meisten Anti- TNF-α-Therapien werden subkutan verabreicht, die von Patienten selbst injiziert werden. Für Patienten kann eine Selbstinjektion jedoch problematisch sein, zum Beispiel aufgrund einer Nadelphobie oder mangelnden Vertrauens in sich selbst, die Injektionen sicher und effektiv zu setzen. Infolgedessen ist die Adhärenz von Anti-TNF-Behandlungsregimen häufig suboptimal, was sich negativ auf die Krankheitskontrolle auswirken kann. [3]

Neues E-Device zur Optimierung der Therapietreue unter Certolizumab Pegol

Im Bereich der Rheumatologie ist jetzt ein elektromechanisches Injektionsgerät (ava Connect®) entwickelt worden, um die Therapietreue und das Therapiemanagement unter Certolizumab Pegol zu optimieren. Es ermöglicht komfortable Injektionen, bei denen die Injektionsintervalle des Patienten protokolliert werden, die in der CimplyMe®-Begleit-App visualisiert und mit dem Arzt geteilt werden können. Das ava Connect® E-Device ermöglicht somit eine objektive Aufzeichnung der Patientenadhärenz, so Sewerin. In der Begleit-App können außerdem Krankheitssymptome und personalisierte Injektionserinnerungen abgespeichert werden. Das ava Connect®-System wird per Bluetooth über ein Smartphone mit CimplyMe®-App gekoppelt.

Ergebnisse aus einer Pilotstudie

In einer Pilotstudie mit 59 Patienten wurde gezeigt, dass Patienten die Bedienung des E-Devices nach Schulung als einfach empfunden wurde und mit der Selbstinjektion zufrieden waren. 57,1% der Patienten bevorzugten das E-Device gegenüber ihrem vorherigen Selbstinjektionsgerät. [3]

Weitere Features des E-Devices sind, dass Hautsensoren eine Injektion automatisch stoppen, wenn kein Hautkontakt mehr besteht, und die Nadel wird in das Gerät zurückgezogen. Nach erneuter Positionierung kann die Injektion fortgesetzt werden, wodurch Medikamentenverschwendung vermieden und dazu beigetragen wird, dass Patienten die vollständige Dosis erhalten. Sicherheitsfunktionen sorgen dafür, dass die Medikamentenpatrone vor der Injektion automatisch auf Medikamentenidentität, Verfallsstatus und Verwendungsstatus geprüft wird.

Eine große Start/Pause-Taste und die Wahl der Injektionsgeschwindigkeit geben dem Patienten die Kontrolle über jede Injektion. Der Informationsbildschirm ermöglicht den Zugriff auf Schritt-für-Schritt-Anweisungen, bestätigt den Abschluss der Injektion und informiert über das Injektionsdatum.

Das ava Connect® und die Einweg-Patrone für das Dosiergerät werden zur Selbstinjektion von Certolizumab Pegol verwendet, welches zur Behandlung von Erwachsenen mit rheumatoider Arthritis, axialer Spondyloarthritis, Psoriasis-Arthritis und Psoriasis zugelassen ist.

Quelle: Virtuelles Symposium „Ziel Therapietreue: neue Chancen, neue digitale Möglichkeiten!“ im Rahmen des BDRh-Kongresses, 24. April 2021; Veranstalter: UCB

Literatur

1. Krusche M et al. Z Rheumatol 2020; 79(9): 883-892.

2. Hope HF et al. Rheumatology 2020; 59:213- 223.

3. Pouls B et al. Expert Opinion on Drug Delivery 2020;17(5):705-711.