Spondyloarthritiden

Spondylodiszitis erkennen und behandeln

Aktualisierte S2K-Leitlinie

Anlässlich der im Jahr 2020 verabschiedeten Aktualisierung der S2K-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Spondylodiszitis stellten ausgewiesene Experten der Orthopädie bei einem Symposium im Rahmen des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie 2021 (DKOU) wichtige Aspekte daraus vor.

Aufgrund von unspezifischen klinischen Symptomen, Laborwertkontrollen und unspezifischen nativen Röntgen-Befunde kann die Diagnose der Spondylodiszitis im Behandlungsalltag eine Herausforderung darstellen, erläuterte Dr. med. Nicolas H. von der Höh, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie in Leipzig.

Infektionen (z.B. S. aureus) der Bandscheibe bzw. der angrenzenden Endplatten, unter anderem auch mit multiresistenten Erregern, nehmen bei geriatrischen, multimorbiden oder immunsupprimierten Patienten zu. Die Sterblichkeitsrate ist relativ gering (etwa 5%), jedoch verzeichnen schätzungsweise ein Drittel der Patienten residuale Einschränkungen. Zur Abklärung sollte zunächst eine ausführliche Anamnese bis zu zwölf Monate zurück erfolgen, zum Beispiel dahingehend, ob es Hinweise auf eine durchgemachte bakterielle nicht-wirbelsäulenspezifische Infektion gibt. Starke nächtliche Schmerzen, Infiltrationsbehandlungen an der Wirbelsäule, Komorbidität und Immunsuppression zählen zu den so genannten „Red Flags“. Wenn mindestens zwei Faktoren zutreffen, erhöht sich die Treffsicherheit der Diagnose Spondylodiszitis, so von der Höh. Außerdem geben die anamnestische Kontrolle des Zahnstatus, Urinuntersuchungen, Herzecho, Röntgen-Thorax und Labordiagnostik (CRP-Wert, Leukozytenzahl und ggf. PCT bei Sepsiskriterien) weitere Hinweise auf diese Erkrankung.

CRP als diagnostischer Parameter

Das C-reaktive Protein (CRP) ist in bis zu 95% der Fälle erhöht und ist ein guter diagnostischer Parameter, der auch zur Therapiekontrolle herangezogen werden kann, so von der Höh. Die Leukozyten sind bei etwa einem Drittel der Patienten erhöht, deren Interpretation ist jedoch bei Immunkompromittierten und Patienten über 60 Jahre limitiert, gab der Experte zu bedenken.

Röntgen-Untersuchungen werden als Basisbefund und zur Verlaufskontrolle mit einer Sensitivität von 82% und Spezifität von 57% empfohlen. Goldstandard ist ein MRT (Magnetresonanztomographie) bei sehr guter Sensitivität von 100% insbesondere bei epiduralen und spinalen Abszessen, schilderte von der Höh. Damit keine Abszesse übersehen werden, sollte die gesamte spinale Achse bei der Suche berücksichtigt werden, da etwa 13% der Patienten multifokale Spondylodiszitis-Lokalisationen aufweisen. [1]

MRT versus PET-CT

Ein PET-CT ist mindestens gleichwertig zum MRT, wobei es sensitivere Befunde in den ersten zwei Wochen für paravertebrale (94%) und Psoas-Abzesse (100%) mit guter Differenzierung zwischen Knochen- und Weichteilbefall liefert. Allerdings sind PET-CT-Befunde problematisch bei Patienten mit Diabetes mellitus, Neoplasien (Tumornekrose) und Degenerationen. Nach erfolgter Diagnostik, die auch einen Erregernachweis beinhalten sollte, wird idealerweise interdisziplinär über die geeignete Therapie entschieden. Bei Notfällen mit neurologischen Ausfällen, Sepsis oder intraspinalen Empyem erfolgt stets ein operatives Vorgehen. Relative Indikationen für eine Operation sind Kyphosierung über 20°, Translation über 5° und Wirbelkörperkollaps von über 50%, so von der Höh.

Konservative Therapieansätze

Konservative Therapieansätze sind für Spondylodiszitis-Patienten ohne Komplikationen sicher und wirksam. Zur den nicht-operativen Therapieoptionen zählen die Gabe von Antibiotika (primär parenteral), eine adäquate Schmerztherapie und Bettruhe (max. 10-14 Tage) sowie Immobilisation. Zur Ruhigstellung und Vermeidung einer Deformität eignen sich zum Beispiel reklinierende Orthesen an der Halswirbelsäule oder Hartschalenkorsetts an der Brustwirbelsäule, nannte der Experte.

Eine Ruhigstellung im Korsett von etwa acht Wochen, gefolgt von einem schrittweisen Abtrainieren der Rumpforthesen zeigte bei Patienten ohne Komplikationen ein gutes Outcome mit Heilungsraten von bis zu 90% nach zwölf Monaten. Allerdings sind eine MRSA-Infektion sowie die Dauer der Symptome mit schlechteren Behandlungsergebnissen assoziiert, gab von der Höh zu bedenken, so dass diese Patientenkohorte engmaschiger kontrolliert werden sollte. [2]

Hinweise zur Antibiotikatherapie

Vor Beginn der Antibiotikatherapie sollte ein Erregernachweis angestrebt werden. Zum Erregernachweis sollten innerhalb von 24 Stunden mindestens 3 Blutkulturenpaare (aerob/anaerob) abgenommen werden. Eine Breitband-Antibiose kommt nach Blutkulturgewinnung und/oder Gewebegewinnung in Betracht. Die Antibiotikatherapie sollte mindestens sechs Wochen dauern, davon 2-4 Wochen zunächst parental, danach mit Umstellung auf orale Gabe. Bei bestimmten Risikofaktoren wie Alter, Diabetes, Fieber, Niereninsuffizienz, MRSA-Infektion kann eine verlängerte antibiotische Therapie über acht Wochen sinnvoll sein.

Operative Verfahren

Nach Therapieversagen unter konservativer Therapie zum Beispiel bei nicht beherrschbaren Schmerzen, progressiver Deformität und Immobilität kommt ebenfalls eine operative Therapie in Betracht, so PD Dr. med. Matti Scholz, Chefarzt am Wirbelsäulenzentrum Mittelhessen an der orthopädischen Klinik Braunfels. Operative Verfahren gehen mit einer raschen Mobilisation und einem signifikanten Anstieg der Lebensqualität einher, sind aber auch mit operationsbedingten Belastungen sowie einer hohen Mortalität assoziiert, gab der Experte zu bedenken. [3]

Während der OP erfolgt eine radikale Infektsanierung (Nekrosektomie, Debridement, Drainage) unter Vermeidung neurologischer Defizite (Dekompression und Stabilisierung) sowie Rekonstruktion des sagitta- len und frontalen Profils (dorsale ggf. ventrale Stabilisation/Fusion). Im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule (BWS/LWS) erfolgt primär eine dorsale Stabilisation und ggf. eine isolierte Dekompression. An der Halswirbelsäule primär eine ventrale Fusion plus Dekompensation. Bei großen Defekten, progredienter knöcherner Destruktion oder sagittaler Dysbalance kann auch ein kombiniertes Vorgehen (dorsal + ventral) nach individueller Entscheidung in Abhängigkeit vom klinischen Zustand in Frage kommen.

Quelle: Symposium „Diagnostik und Therapie der Spondylodiszitis – die neue S2K Leitlinie“ im Rahmen des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie, 29. Oktober 2021

Literatur

1. Henkelmann J, Denecke T, Pieroh P, et al. BMC Musculoskelet Disord. 2021;22(1):78.
2. Ascione T, Balato G, Di Donato SL, et al. Eur Spine J. 2017;26(Suppl 4):489-495.
3. Yagdiran A, Otto-Lambertz C, Lingscheid KM, et al. Eur Spine J. 2021;30(6):1721-1731.