Hämophilie A: Individuelle Therapie mit natürlichem Fc -Fusionsprotein kann die Gelenkgesundheit und Lebensqualität verbessern
Studienergebnisse
Hämophilie A ist eine seltene, genetisch bedingte Erkrankung, bei der die Blutgerinnung aufgrund einer fehlenden oder verminderten Aktivität von Faktor VIII herabgesetzt ist. Die Folge ist eine Blutungsneigung, die zu Schmerzen, irreversiblen Gelenkschäden oder lebensbedrohlichen Blutungen führen kann. Laut der World Federation of Hemophilia (WFH) leben weltweit geschätzte 140.000 Menschen mit Hämophilie A. In Deutschland gibt es schätzungsweise 6.000 bis 8.000 Betroffene.
Gelenkblutungen sind eine der größten Herausforderungen für Patienten mit Hämophilie A, denn bereits eine Einblutung kann zu bleibenden Schäden am betroffenen Gelenk führen. [1,2] Ein früher Prophylaxebeginn ist daher entscheidend, um die Gelenkgesundheit zu erhalten. [3,4]
Eine prophylaktische Behandlung mit Efmoroctocog alfa (Elocta®), einem natürlichen Faktor-VIII-Fc-Fusionsprotein mit verlängerter Halbwertszeit, kann langfristig vor Gelenkblutungen schützen und die Gelenkgesundheit selbst bei schweren Schäden verbessern. [1,3,5,6] So kann die Aktivität gefördert und die Lebensqualität der Patienten gesteigert werden. [7,8]
Großteil der Hämophilie-A-Patienten hat Gelenkblutungen
Der Großteil der über zwanzigjährigen Hämophilie-A-Patienten hat Gelenkblutungen, bei schwerer Hämophilie A sind es sogar über 90 %. [9] In etwa 80 % der Fälle sind die Sprung-, Knie- und Ellenbogengelenke betroffen. [10] Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung von Gelenkblutungen kann für den Erhalt der Gelenkfunktion entscheidend sein: Die erste Arthropathie im Sprunggelenk tritt im Median nach nur zehn Jahren ein, da nicht diagnostizierte Gelenkschäden selbst unter einer Prophylaxe-Therapie fortschreiten können. [11] „Das erklärte Therapieziel lautet darum: null Gelenkblutungen“, betonte Dr. med. Georg Goldmann, Facharzt für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie am Universitätsklinikum Bonn, auf einer Pressekonferenz von Sobi im Rahmen der 63. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e.V. (GTH) Ende Februar in Berlin.
Verlängerte Wirkdauer ermöglicht individuelle Faktortherapie
Substitutionstherapien sind die Eckpfeiler in der Behandlung der Hämophilie, doch selbst eine konsequente Prophylaxe mit plasmatischen oder rekombinanten Faktor-VIII-Präparaten kann das Auftreten von Gelenkschäden nicht verhindern. [11] Einen sehr guten Schutz vor Gelenkblutungen ermöglicht der Einsatz von Efmoroctocog alfa (Elocta®), dem ersten Präparat mit verlängerter Halbwertszeit (enhanced life, EHL) bei Hämophilie A, wie die Auswertungen der Zulassungsstudien A-LONG und Kids A-LONG sowie deren Folgestudie ASPIRE nahe legen. [1,3,5,6,12]
Durch die längere Wirkdauer kann das rekombinante Faktor-VIII-Fc-Fusionsprotein (rFVIIIFc) darüber hinaus individuelle Behandlungsmöglichkeiten eröffnen: eine intensivere Prophylaxe mit höheren Talspiegeln, die Spontanblutungen besser verhindern kann, oder verlängerte Injektionsintervalle, die die Spritzenlast verringern und so die Adhärenz erhöhen können. [13] „Die meisten Patienten wünschen sich beides – und oft kann Elocta® auch beides ermöglichen“, erläuterte Dr. Goldmann.
Langfristiger Schutz vor Gelenkblutungen und bessere Gelenkgesundheit
Die finalen Ergebnisse der Folgestudie ASPIRE bestätigen das bewährte Sicherheitsprofil und die Wirksamkeit von Efmoroctocog alfa in der Langzeitanwendung über mehr als vier Jahre bei vorbehandelten Patienten mit Hämophilie A. [1,3,5,6,14] In allen drei untersuchten Prophylaxe-Gruppen war die mediane annualisierte Blutungsrate (annualised bleeding rate, ABR) niedrig. [6] Unter individueller Prophylaxe wurden im Median keine spontanen Gelenkblutungen beobachtet (Jugendliche und Erwachsene: 0,00 [0,0–0,7], Kinder: 0,00 [0,0–0,6]). [6] Darüber hinaus verbesserte sich der Gelenkstatus, gemessen am mHJHS (modified Haemophilia Joint Health Score). [6]
Vom Ausgangswert der ASPIRE-Studie betrug die durchschnittliche Änderung bis zum Studienende -2,5 für die Teilnehmer aus A-LONG (n = 72) und -0,5 für die Teilnehmer aus Kids A-LONG (n = 35), wobei negative Werte eine Verbesserung darstellen. [6] Damit zeigt Efmoroctocog alfa einen klinischen Nutzen, der weit über den Blutungsschutz hinausgeht. Denn frühere Studien zu Efmoroctocog alfa zeigten bereits: In der Regel geht ein verbesserter Gelenkstatus mit einem Mehr an Lebensqualität und körperlicher Aktivität einher. [1,7,8] Wie bereits in den Zulassungsstudien wurde auch in der Folgestudie ASPIRE keine Bildung von Hemmkörpern beobachtet. [6]
Mehr Bewegung und Lebensqualität
Für eine von Dr. Goldmann betreute Patientin hat sich seit der Umstellung auf Efmoroctocog alfa eine neue Welt aufgetan: „Ich hatte früher immer erhebliche Gelenkbeschwerden und Muskelschmerzen – das hat mich oftmals ausgebremst“, so die begeisterte Bergsteigerin. „Jetzt leide ich darunter gar nicht mehr und kann viel freier meinen Hobbies nachgehen.“ Zu Hause hält sie sich mit Yoga fit.
„Sport ist enorm wichtig für Hämophilie-Patienten“, weiß Dr. Axel Seuser, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in Bonn. „Neben der medikamentösen Therapie brauchen die Patienten gezielte körperliche Aktivität, denn der gezielte Aufbau von Muskeln kann Gelenke stärken und die Schmerzen reduzieren.“
Besonders wichtig seien Dehnübungen und Gleichgewichtstraining, so der Spezialist. Das könne zum Beispiel eine Balanceübung auf einem Bein sein, zunächst mit offenen, dann mit geschlossenen Augen. „Wichtig ist, zumindest in der Anfangszeit unter Anleitung eines Physiotherapeuten zu üben“, betont Dr. Seuser. „Denn wenn es der Patient übertreibt, kann es wiederum zu Mikroverletzungen und Folgeblutungen kommen.“ Dass Sport möglich ist, Spaß macht und die Lebensqualität verbessert, hat die Patientin selbst erfahren: „Früher war ich noch vorsichtig, aber heute fühle ich mich mit Elocta® sicher.“
Die ASPIRE-Studie
ASPIRE ist eine offene, nicht randomisierte, mehrjährige Folgestudie für Patienten, die bereits die Phase-3- Zulassungsstudien A-LONG und Kids A-LONG beendet hatten. [6,14] An der Studie nahmen 211 männliche Patienten teil. Von diesen hatten 150 (98 %) die A-LONG und 61 (91 %) die Kids A-LONG abgeschlossen. Primärer Endpunkt war die Entwicklung von Inhibitoren. Die sekundären Endpunkte umfassten unter anderem die annualisierte Anzahl von Blutungsepisoden (annualized bleeding rate, ABR) pro Studienteilnehmer, die Expositionstage unter Efmoroctocog alfa (Elocta®) sowie die Beurteilung des Behandlungserfolgs einer Blutung seitens des Patienten.
Die wichtigsten Ergebnisse noch einmal im Überblick: [6]
- Insgesamt blieben die medianen ABRs bei den Studienteilnehmern unter einer prophylaktischen Behandlung während ASPIRE niedrig, insbesondere im Studienarm mit individueller Dosierung.
- Bei den Studienteilnehmern mit individueller Prophylaxe traten im Median über alle Altersgruppen hinweg keine spontanen Gelenkblutungen auf. In dieser Gruppe wurden darüber hinaus mediane Gelenk-ABRs von < 0,6 beobachtet.
- Erwachsene und Jugendliche (n = 72), die prophylaktisch mit Efmoroctocog alfa behandelt wurden, erlebten eine mittlere Verbesserung des Gelenkfunktions-Scores mHJHS (modified Haemophilia Joint Health Score) von -2,5 (Standardabweichung 7,1; der negative Wert zeigt eine Verbesserung an) vom Ausgangswert zum Studienende von ASPIRE. Bei Kindern (n = 35) betrug die durchschnittliche Änderung -0,5 (Standardabweichung 1,7).
- Bei mehr als 92 % der Probanden wurde das Dosierungsintervall während der Studiendauer verlängert oder blieb unverändert.
- Die niedrigen ABRs und verbesserten Gelenkfunktions-Scores in ASPIRE belegen den klinischen Nutzen von Efmoroctocog alfa, der über die reine Blutungsprävention hinausgeht.
Quelle: Sobi
Literatur
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