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Ursachen, Folgen und Therapie der Hypophosphatasie

Hypophosphatasie (HPP) ist eine erbliche, langsam fortschreitende und sehr seltene Stoffwechselkrankheit mit schweren Auswirkungen auf verschiedene Körperfunktionen. Patienten mit HPP können höchst belastenden und in einigen Fällen sogar lebensbedrohlichen gesundheitlichen Folgen ausgesetzt sein. [1,2]

Ursachen

HPP ist eine Erbkrankheit, die durch einen Gendefekt (Mutation) ausgelöst wird. Das betroffene Gen ist für die Produktion des Enzyms TNSALP (alkalische Phosphatase, AP) zuständig. [1,3] Durch die Mutation wird alkalische Phosphatase (AP) in zu geringer Konzentration oder mit geringerer Aktivität im Körper hergestellt. [1,3,4]

Arbeitet das Enzym AP effektiv, können sich zwei wichtige Mineralien, Kalzium und Phosphat, miteinander verbinden, damit gesunde mineralisierte Knochen entstehen. [3,5] Bei HPP-Patienten ist die AP- Aktivität jedoch niedrig, was zu einer unzureichenden Mineralisierung der Knochen mit Kalzium und Phosphat führt. [6] Stattdessen können sich Pyrophosphat, Kalzium und Phosphat an verschiedenen Stellen im Körper ansammeln und zu den entsprechenden Konsequenzen der HPP führen. [6]

Folgen

Die Erkrankung ist durch eine gestörte Mineralisierung der Knochen gekennzeichnet, die zu einer Verformung der Knochen oder anderen Veränderungen der Knochenstruktur führen kann. Dazu können weitere systemische Komplikationen wie stark ausgeprägte Muskelschwäche und – bei schweren Formen in der frühen Kindheit – auch Krampfanfälle und Atemversagen kommen, die zum vorzeitigen Tod führen können. [1,2,7]

HPP kann Männer und Frauen jeden Alters treffen und schwere Folgen haben. [1] Viele HPP-Patienten haben schwache, untermineralisierte oder weiche Knochen, was zu häufigen Frakturen und Verformungen des Skeletts führt. [1,2,7] Diese Fehlbildungen können das kindliche Wachstum beeinträchtigen und zudem alltägliche Bewegungen wie Gehen, Laufen, Stehen, Springen oder Treppensteigen behindern. [8,9]

Speziell Säuglinge und Kleinkinder können besonders schwere HPP-Symptome wie Krämpfe und Atemversagen aufweisen. [1] In der Vergangenheit hatten Säuglinge, die in den ersten 6 Monaten erste schwere HPP-Symptome zeigten, eine besonders hohe Sterberate – 73% starben innerhalb der ersten fünf Lebensjahre. [10]

Diagnose und Therapie

Da die Symptome der HPP anderen, häufigeren Erkrankungen ähneln können, ist die Möglichkeit einer Ver- wechslung der Diagnosen groß und es dauert oft lange, bis die Erkrankung erkannt wird. [1,11] Dabei kann man HPP einfach durch eine Kombination aus einer vollständigen, klinischen Beurteilung und einem einfachen Bluttest diagnostizieren, der die AP-Aktivität entsprechend dem Geschlecht und dem Alter überprüft. [1,12] Eine frühe, korrekte Diagnose ist entscheidend, um die Patienten richtig zu behandeln. [1,12]

Asfotase alfa (Strensiq®) ist das erste und bislang einzige in der EU zugelassene Arzneimittel, mit dem die der HPP zugrundeliegende Ursache, der Mangel an AP, behandelt wird. Indem es AP ersetzt, zielt das Medikament darauf ab, die Mineralisierung der Knochen zu verbessern und die Symptomatik der Erkrankung zu reduzieren. Asfotase alfa ist zugelassen als Langzeit-Enzymersatztherapie für Kinder und Erwachsene mit Hypophosphatasie, bei denen die ersten Symptome vor Vollendung des 18. Lebensjahres aufgetreten sind, und wird durch subkutane Injektionen verabreicht. [13]

Studienergebnisse

Verbesserung des Überlebens

Bei Kindern im Alter von unter 3 Jahren lag nach 5 Jahren die Überlebenswahrscheinlichkeit der Studienteilnehmer bei 82% (ein Patient verstarb im Lauf der Studie an einer Sepsis). Bei Kindern unter 5 Jahren überlebten 80% der Patienten bis Studienende nach 6 Jahren. [14,15] Daten der historischen Vergleichsgruppe deuten auf eine hohe Mortalität bei Kleinkindern mit unbehandelter HPP hin (Überlebenswahrscheinlichkeit nach 5 Jahren: 25%). [16]

Weniger Beatmung

Während bei Kindern unter 3 Jahren 10 von 11 Patienten bei Studienbeginn Atemunterstützung benötigten, war dies nach Studienende bei keinem der Patienten mehr nötig. [17] Bei den Unter-Fünfjährigen brauchten zu Studienbeginn 46% (11/24) eine Beatmung, nach 2,5 Jahren keiner mehr. Von 45 Patienten, die zu Beginn der Studie keine Unterstützung der Atmung brauchten, war dies am Ende der Studie noch bei 43 der Fall. [14,15]

Verbesserung der Mobilität

Bei Kindern unter 3 Jahren zeigten 82% der Patienten über einen Zeitrum von 7 Jahre Verbesserungen der altersentsprechenden Scores für Grob- und Feinmotorik sowie für die kognitive Entwicklung. [17] Bei den 6-12-Jährigen zeigten nach 5 Jahren 7 von 9 Patienten im 6MWT (6-Minuten-Gehtest) einen altersentsprechend unauffälligen Wert
(> 80% des Sollwertes). [18]

Verbesserung des Wachstums

Bei Kindern unter 3 Jahren holten über den gesamten Studienzeitraum 55% (5/11) der Patienten beim Wachstum auf. [17] Bei den Unter-Fünfjährigen war eine signifikante Zunahme bei Körpergröße und -gewicht im Vergleich zu Gleichaltrigen zu beobachten. [14,15] Ein verbessertes Wachstum war auch bei Kindern im Alter zwischen 6 und 12 Jahren festzustellen. [18]

Verbesserung der Knochenmineralisierung und der Knochenentwicklung

Die Bewertung erfolgte anhand radiologischer Endpunkte, beurteilt nach Rachitis-Schweregrad RGI-C (Radiographic Global Impression of Change). Die radiologischen Befunde zeigten bei Kindern unter 3 Jahren eine bedeutende Verbesserung des RGI-C-Scores +2, die nach Abschluss der Extensionsphase bei allen Patienten zu beobachten war. [17] Bei Kindern im Alter von unter 5 Jahren erzielten nach 6 Monaten 58% (40/69) der Patienten RGI-C-Scores > 2, nach einem Jahr waren es 72%. [14,15] Kinder zwischen 6 und 12 Jahren zeigten eine rasche Verbesserung des Röntgenbefundes an Handgelenken und Knien bis zur nahezu vollständigen Normalisierung bei 9 von 13 Patienten (RGI-C von +2 bzw. +3). Zu Studienende wiesen 92% der Patienten dieser Altersgruppe eine bedeutende Verbesserung des radiologischen Befundes auf. [18]

Verbesserung der Mobilität und weiterer funktioneller Endpunkte

Bei Jugendlichen und Erwachsenen im Alter von 13-66 Jahren normalisierte sich bei 11 von 19 Patienten im Rahmen der fünfjährigen Studie die Mobilität anhaltend (bei Studienbeginn waren 15 von 19 auffällig in ihrer Mobilität eingeschränkt, mit einem 6MWT-Wert < 84%). [19] Außerdem verbesserten sich im Rahmen der Studie Grobmotorik und Muskelkraft für einige Patienten deutlich; zudem waren weniger Patienten nach 5 Jahren auf Gehhilfen angewiesen als zu Studienbeginn. [19] Ein weiterer Effekt der Behandlung war eine Verbesserung der Knochenmineralisierung im Vergleich zu historischen Kontrollpatienten. [19] 􏰉

Quelle: Alexion:

Literatur

1. Rockman-Greenberg C. Hypophosphatasia. Pediatr Endocrinol Rev. 2013; 10(suppl 2):380- 388.
2. Fraser D. Hypophosphatasia. Am J Med. 1957;22(5):730-746.
3. Whyte MP. Hypophosphatasia: nature’s window on alkaline phosphatase function in humans. In: Bilezikian JP, Raisz LG, Martin TJ, eds. Principles of Bone Biology. Vol 1. 3rd ed. San Diego, CA: Academic Press; 2008:1573- 1598.
4. Whyte MP. Hypophosphatasia. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D, eds. The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease. Vol 4. 8th ed. New York, NY: McGraw- Hill; 2001;5313-5329.
5. Whyte MP. Physiological role of alkaline phos- phatase explored in hypophosphatasia. Ann N Y Acad Sci. 2010;1192:190-200.
6. Beck C, Morbach H, Stenzel M, et al. Hypo- phosphatasia – recent advances in diagnosis and treatment. Open Bone J. 2009;1:8-15.
7. Whyte MP, Greenberg CR, Salman N, et al. Enzyme-replacement therapy in life threa- tening hypophosphatasia. N Engl J Med. 2012;366(10):904-913.
8. Seshia SS, Derbyshire G, Haworth JC, Hoog- straten J. Myopathy with hypophosphatasia. Arch Dis Child. 1990;65(1):130-131.
9. Weber t, et al. Burden of disease in adult patients with hypophosphatasia: Results from two patient-reported surveys. Metabolism. 2016 Oct;65(10):1522-30.
10. Whyte MP, Leung E, Wilcox W, et al; for Study 011-10 Investigators. Hypophosphatasia: a re- trospective natural history study of the severe perinatal and infantile forms. Poster presen- ted at: 2014 Pediatric Academic Societies and Asian Society for Pediatric Research Joint Meeting; May 3-6, 2014; Vancouver, BC.
11. Mohn A, De Leonibus C, de Giorgis T, et al. Hypophosphatasia in a child with widened anterior fontanelle: lessons learned from late diagnosis and incorrect treatment. Acta Paediatr. 2011;100(7):e43-e46.
12. Mornet E, Nunes ME. Hypophosphatasia. In: Pagon RA, Bird TD, Dolan CR, Stephen K, eds. Gene Reviews. Seattle, WA: University of Washington, Seattle; 1993.
13. Strensiq® Fachinformation. Alexion Pharmaceuticals.
14. Whyte MP, et al. J Clin Endocrinol Metab. 2016; 101(1):334-42.
15. Hoffmann CE et al. and the ENB-010-10 Study Group. J Clin Endocrinol Metab. 2019;104(7):2735–2747.
16. Whyte MP, et al. J Peds 2019; 209:116–124.
17. Whyte MP, et al. Lancet Diabetes Endocrinology 2019; 7:93–105.*
18. Alexion Pharmaceuticals. Protokoll ENB-006-09/ENB-008-10. 2010; www.ClinicalTrials.gov. Last Update posted: March 13, 2019.
19. Kishnani PS, et al. Bone 2019; 121:149–162.