weitere Hauterkrankungen

STI in Zeiten zunehmender Resistenzen am Beispiel der Gonokokken

Partieller Schutz vor Tripper durch bestimmten Meningokokken-B-Impfstoff

Die Zahlen sexuell übertragbarer Krankheiten (STI) wie Gonorrhoe, Syphilis und Chlamydien steigen weiter an. Gleichzeitig nehmen Resistenzen bei den zur Behandlung und zur Prophylaxe eingesetzten Antibiotika zu. Welche Entwicklungen sich auch für Deutschland abzeichnen, was eine Sexualaufklärung zu STI für Kinder und Jugendliche leisten könnte, welche Bedeutung bereits vorhandene Impfstoffe für die Prävention auch jetzt schon haben könnten, diskutierten Expertinnen und Experten der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft e.V. (DDG) bei einer Online-Fachpressekonferenz zum Auftakt der diesjährigen DDG-Tagung in Berlin.

(Foto: Klara Kulikova @Unsplash)

Nach Angaben des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) nehmen STI in Europa drastisch zu. Die Zahl der gemeldeten Fälle im Vergleich zum Vorjahr stieg im Jahr 2022 deutlich an: Gonorrhoe-Fälle um 48%, Syphilis-Fälle um 34% und die Chlamydien-Fälle um 16%. Die Gonorrhoe, bekannter unter dem Namen Tripper, ist eine der häufigsten sexuell übertragbaren Infektion weltweit. Im Jahr 2018 war die Gonorrhoe mit über 100.000 Infektionen aus 28 Ländern die zweithäufigste gemeldete STI in der Europäischen Union. Für Deutschland gibt es noch keine landesweiten Daten – eine Meldepflicht für Gonokokken-Infektionen ist erst 2022 eingeführt worden. Aber Daten aus Sachsen (Labormeldepflicht) zeigen, dass sich dort die Gonorrhoe-Diagnoserate in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat. Die Gründe für den Anstieg und die Verbreitung bei jungen, sexuell sehr aktiven Menschen und bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), sind vielfältig: Sex ohne Kondom gehört dazu. „Gonorrhoe wird nicht immer gleich erkannt, viele Infizierte haben keine Symptome, können den Erreger dann aber trotzdem weitergeben“, so Prof. Dr. med. Norbert Brockmeyer, Präsident der Deutschen STI Gesellschaft (DSTIG) und Mitglied im Vorstand der DDG.

Zu den Komplikationen der Gonorrhoe gehören Entzündungen des Hodens und Nebenhodens oder der Prostata sowie Harnwegsverengungen bei Männern, Entzündungen des weiblichen Genitaltrakts, Eileiterschwangerschaft und Unfruchtbarkeit bei Frauen. Abhängig von der Sexualpraktik kann die Gonorrhoe auch im Mund- oder Rachenraum sowie im Analbereich (hier oft beschwerdefrei oder nur leichte Rötung und Reizung) auftreten. An einer Gonorrhoe kann man mehrmals erkranken. Für die Behandlung der Gonorrhoe gilt als Standardtherapie die Gabe des Antibiotikums Ceftriaxon, bei dem sich der Resistenzanteil in Deutschland in den letzten Jahren auf niedrigem Niveau jeweils unter 1% beläuft. In China liegt die Rate jedoch in einigen Regionen schon bei 25%. Anders sieht es bei dem bis vor einigen Jahren als First-Line-Antibiotikum eingestuften Azithromycin aus. Hier stieg die Resistenz von 3,5% im Jahr 2018 auf 24,6% im Jahr 2023. „Wenn die Zunahme der Fälle voranschreitet und zugleich die Wirksamkeit der eingesetzten Antibiotika schwindet, wird die Gonorrhoe in naher Zukunft unbehandelbar“, mahnte Brockmeyer. Zum Thema antibiotische STI-Prophylaxe, die beim Schutz vor HIV- und Syphilis-Infektion (Doxy-PrEP) durchaus sinnvoll sein kann, sagte Brockmeyer: „In Deutschland sind aktuell unter 10% der Gonokokken empfindlich für Doxycyclin. Entsprechend ist auch keine Schutzwirkung gegen Gonorrhoe zu erwarten.“

Wegen der hohen Krankheitslast der Gonorrhoe und der besorgniserregenden Resistenzsituation wäre eine Impfung das Nonplusultra. „Leider waren die Versuche einer Gonorrhoe-Impfung bislang nicht erfolgreich“, so Brockmeyer. Umso aufmerksamer wurden STI-Fachleute durch die Ergebnisse verschiedener Beobachtungsstudien, die auf eine Kreuzprotektion einer Meningokokken-B-Vakzine gegen Gonorrhoe hinweisen. Meningokokken können eine gefährliche Hirnhautentzündung hervorrufen und sind mit den Gonokokken, den Erregern der Gonorrhoe, verwandt. In den USA werteten Forschende Daten von Gesundheitsämtern der Städte New York und Philadelphia aus. Dabei verknüpften sie Daten von 167.706 (16- bis 23-jährigen) Personen in den Jahren 2016–2018. Untersucht wurde das Verhältnis von Gonokokken- und Chlamydien-Infektionen und dem jeweiligen MenB-4C Impfstatus zum Infektionszeitpunkt. Drei Gruppen wurden verglichen: Vollständig Geimpfte (mindestens zwei Impfungen mit MenB-4C), unvollständig Geimpfte (nur eine MenB-4C-Impfung) und Ungeimpfte. Es zeigte sich, dass in den ersten sechs Monaten nach der letzten Impfung in der Gruppe der unvollständig Geimpften 26% weniger Gonokokken-Infektionen auftraten. In der Gruppe der vollständig Geimpften betrug die Reduktion sogar 40% gegenüber der ungeimpften Gruppe.

Eine zweite Untersuchung zu den New-York- und Philadelphia-Daten zeigte, dass die Auswahl des MenB-Impfstoffs eine zentrale Rolle für den Schutz vor Gonorrhoe spielt. So wurde diese Schutzwirkung nur für den 4CMenB- (Bexsero®), aber nicht den MenB-fHbp-Impfstoff (Trumenba®) gezeigt. Die DSTIG spricht sich dafür aus, Personen mit entsprechendem Bedarf – also Menschen mit einem sehr aktiven Sexualleben, mit kondomlosen Sexualkontakten und wechselnden Partner*innen – eine Impfung mit dem tetravalenten 4CMenB-Impfstoff als zusätzliche Präventionsmaßnahme anzubieten. „Anhand der aktuell vorliegenden klinischen Daten kann man nicht abschließend einschätzen, ob eine breit angelegte Impfung sinnvoll ist“, merkte Brockmeyer an. Darüber hinaus besteht ein zusätzlicher Benefit in der Verminderung des Risikos einer invasiven Meningokokken B-Erkrankung, von der gerade MSM in der Vergangenheit durch Ausbrüche, zum Teil mit Todesfolge, betroffen waren. „Eine breite Aufklärung zu STI, die bereits im Kindes- und Jugendalter beginnt, ist die einzige mögliche Strategie“, merkte Prof. Dr. med. Julia Welzel, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Augsburg, Medizincampus Süd, Tagungspräsidentin und Präsidentin der DDG an. Informationen zu STI und dem Schutz vor Infektionen z.B. durch den Gebrauch von Kondomen, die zumindest bis zu 60% vor sexuell übertragbaren Infektionen schützen, gehören auf den Lehrplan. „Ich wende mich aber auch an die dermatologische Kollegenschaft: Sprechen Sie alle Patientinnen und Patienten aktiv auf das Thema STI an und informieren Sie über Präventionsmöglichkeiten“, appellierte die DDG-Präsidentin.

Quelle: Deutsche Dermatologische Gesellschaft e.V.:

Literatur

1. ECDC’s Annual Epidemiological Report is available as a series of individual epidemiological disease reports. https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/monitoring/all-annual-epidemiological-reports

2. Brockmeyer NH et al., Stellungnahme der DSTIG zum Einsatz eines Impfstoffs gegen Meningokokken der Serogruppe B (MenB) zur Vermeidung von Infektionen mit Neisseria gonorrhoeae. Version 1; 2024

3. Abara WE, Bernstein KT, Lewis FMT, et al. Effectiveness of a serogroup B outer membrane vesicle meningococcal vaccine against gonorrhoea: a retrospective observational study. Lancet Infect Dis 2022;22:1021-1029. DOI: 10.1016/S1473-3099(21)00812-4

4. Abara WE, Bernstein KT, Lewis FMT, et al. Healthy Vaccinee Bias and MenB-FHbp Vaccine Effectiveness Against Gonorrhea. Sex Transm Dis 2023;50: e8-e10. DOI: 10.1097/ OLQ.0000000000001793