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Welche Wechselwirkungen von Medikamenten man kennen muss

Dr. A. Häckel

Datenbanken wie Drugs.com listen solche Wechselwirkungen von Medikamenten zwar penibel auf, können bei fehlerhafter Detailkenntnis jedoch zu völlig falschen Schlüssen führen. Alleine für das seit Jahrzehnten sehr häufig verwendete Metho­ trexat (MTX) listet die – von Ärzten und Apothekern oft befragte – Datenbank Drugs.com 627 interagierende Medikamente auf, davon 125 mit potenziell gravierenden Komplikationen, so Prof. Klaus Krüger (München) bei einer Veranstaltung im Rahmen des diesjährigen Deutschen Rheumatologiekongress in Berlin.

Darin sind u.a. sämtliche in der Rheumatologie verwendeten Bio­logika enthalten mit dem Problem eines erhöhten Infektionsrisikos – eine offensichtlich unsinnige Warn­meldung. Auch vor der ebenfalls häufigen Kombination von MTX mit Acetylsalicylsäure (ASS) warnen Datenbanken aufgrund potenziell lebensgefährlicher Interaktionen hartnäckig. Relevant ist in diesem Fall jedoch ausschließlich die Kombina­ tion beider Substanzen in höchster Dosierung, keinesfalls in der Stan­ darddosierung, beruhigte Krüger unter Verweis auf eine systematische Cochrane­Analyse. [1] Unter dem Strich sind nämlich nur wenige Substanzen bzw. bestimmte Dosie­ rungen davon tatsächlich problema­tisch.

Eine weitere Quelle der Verunsicherung von Ärzten, vor allem jedoch von Apothekern, kann die jeweilige Fachinformation sein. Hier wird bei MTX etwa vor PPI, Theophyl­lin, koffeinhaltigen Getränken oder Tetracyclin gewarnt, sämtlich ohne praktische Relevanz. Dagegen kommt die tatsächlich wichtige Kombina­tion mit Novaminsulfon (Meta­mizol) in der Fachinfo gar nicht vor. Dabei ist nach einer Analyse der EudraVigilance­Datenbank [2] die gleichzeitige Gabe von MTX der größte Risikofaktor (mit einer 4,5­ fach erhöhten Rate) für Agranulozy­tosen unter Metamizol, vor allem bei älteren Patient*innen. Welche Inter­aktionen sind in der Rheumatherapie nun also wirklich relevant?

Die fünf wichtigsten Wechselwirkungen  (lt. Prof. Klaus Krüger)

• Die Kombination von MTX und Trimethoprim­Sulfoxazol (Cotrimoxazol) in voller Dosie­rung von Cotrimoxazol. Hierdurch kann die renale Ausscheidung von MTX blockiert werden mit der Folge hochtoxischer MTX­Spiegel. Durchaus erlaubt ist hingegen die niedrigdosierte Cotrimoxazol­Gabe (80/400 mg täglich oder 160/800 mg 3x wöchentlich), wie sie etwa zur Pneumocystis­-Prophylaxe ein­gesetzt wird.

• Die Kombination von Azathioprin und Hemmstoffen der Xanthinoxi­ dase, also Allupurinol oder Febu­xostat: Dies kann zur massiven und Knochenmarks­-toxischen Anreiche­rung von 6­Mercaptopurin führen und ließe sich nur durch die – wenig praktikable – Dosisreduktion von Azathioprin auf ein Viertel der Voll­ dosis verhindern.

• Regelhaft nicht beachtet wird nach Erfahrung von Krüger auch die Rezeptor­spezifische Wechsel­wirkung zwischen konventionellen NSAR (außer Diclofenac) und niedrigdosiertem ASS. Beson­ders Schmerzpatienten nehmen neben niedrigdosiertem ASS noch Ibuprofen ein, welches ebenfalls eine – allerdings deutlich kürzere – Thrombozytenaggregations­ hemmende Wirkung hat. Wird Ibuprofen als Schmerzmittel jedoch vor ASS eingenommen, kommt es durch Konkurrenz am gleichen Rezeptor zu einer Blockade der durch ASS induzierten irreversiblen Hemmung der Thrombozytenaggregation und zur Aufhebung von dessen Schutz­ effekt. Leicht zu beheben ist dieses Problem nach Aussage Krügers durch Verwendung von Diclofenac mit Magenschutz oder von Coxiben anstelle von NSAR wie Ibuprofen, Naproxen oder Indometacin.

• Ebenfalls Risiken bergen funktio­nelle Interaktionen der traditionel­len NSAR (tNSAR). So steigt bei der Kombination von zwei tNSAR das Ulkusrisiko um das Dreifache und bei der Kombination von tNSAR mit Kortikoiden um den Faktor 2,5–5. In der Kombination mit Antikoagulanzien oder SSRI steigt das Blutungsrisiko durch tNSAR ebenfalls. Last not least erhöhen alle NSAR in Kombination mit nephrotoxischen Substanzen wie Ciclosporin A (CsA) deren Risiko der Nephrotoxizität.

• Abschließend wies Krüger auf weitere Substanzen mit besonders hohem Interaktionspotenzial hin. Neben CsA, Mycophenolat Mofetil (MMF) und Metamizol sind dies auch Antiepileptika, Verapamil, Simvastatin und Gyrasehemmer/ Makrolide sowie als OTC­Präparat vor allem Johanniskraut. Auch bei den zunehmend verordneten JAK­-Inhibitoren gibt es Unterschiede in der Metabolisierung: Während Baricitinib und Filgotinib aufgrund ihrer überwiegend (75% bzw. 80%) renalen Eliminierung unproble­matisch sind, geschieht diese bei Tofacitinib und Upadacitinib zu mindestens 70% hepatisch, was deutlich mehr Gefahrenpotenzial birgt.

Einen guten Überblick über Wech­selwirkungen und Dosierungsemp­fehlungen speziell synthetischer DMARDs bietet nach Krügers Hinweis zudem eine demnächst von der Kommission Pharmakotherapie der DGRh in einer revidierten Fassung publizierte systematische Literatur­recherche mit Evidenz­-basierten Empfehlungen (Fiehn C, Leipe J, Weseloh C, Bergner R, Krüger K). T

Quelle: Sitzung „Pharmakotherapie unter erschwerten Bedingungen“ beim Deutschen Rheumatologiekongress, 3. September 2022, Berlin

Literatur

1. Colebatch AN, Marks JK, Edwards CL. Cochrane Database of Systematic Freviews 2001, 11, Art.No. CD008872

2. Homann F et al. (2019), Basic Clin Pharmacol Toxicol 126: 116-125

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