Atopische Dermatitis

„Vitamin B12 sollte einen festen Platz in der Behandlung haben“

Interview mit Prof. Dr. med. Steven Nisticò, Rom (Italien)

Neurodermitis ist eine chronische entzündliche Hauterkrankung mit teils quälenden Symptomen. Rund 3% der Erwachsenen und jedes fünfte Kind leiden daran. Trotz verschiedener Therapiemöglichkeiten sind Betroffene oft unzufrieden. Prof. Dr. med. Steven Nisticò, ausgewiesener Experte und außerordentlicher Professor der Dermatologie aus Rom (Italien), erörtert die Möglichkeit, dass ein Vitamin die erhoffte Linderung bringt.

Prof. Nisticò, Sie haben die Wirkung von Vitamin B12 bei Patienten mit Neurodermitis untersucht. Wie ist die Studie durchgeführt worden?

Prof. Nisticò:

Wir haben die Wirkung der Vitamin B12-Basiscreme bei 22 Patienten mit leichter atopischer Dermatitis untersucht. Dabei haben sich die Patienten während drei Monaten zweimal täglich die eine Körperhälfte mit der Vitamin B12-Creme und die andere mit einer Standardpflegecreme eingecremt. Während der Studie und noch bis vier Wochen danach wurden die beiden Körperhälften zu verschiedenen Zeitpunkten miteinander verglichen. Der Zustand der Haut wurde mithilfe einer wissenschaftlich anerkannten Skala zur Beurteilung des Schweregrades einer atopischen Dermatitis vorgenommen (Scoring Atopic Dermatitis (SCORAD). Daneben interessierte uns aber auch, wie sich der Juckreiz und die Lebensqualität verändern würden.

Was ist bei der Studie herausgekommen?

Prof. Nisticò:

Es hat sich gezeigt, dass die Behandlung mit der Vitamin-B12-Basiscreme den Schweregrad der atopischen Dermatitis wesentlich stärker reduziert als die Standardpflege. Auf der mit Vitamin-B12-Basiscreme behandelten Körperhälfte war der Wert auf der Skala nach 12 Wochen um 77,6% gesunken, auf der Seite mit der Standardpflege nur um 33, 5%.

Auch der Juckreiz hatte während der Behandlung stark abgenommen. Es waren keine unerwünschten Wirkungen aufgetreten. Aufgrund dieser Ergebnisse vertreten wir die Meinung, dass die Behandlung mit Vitamin B12- Barrierecreme eine konkrete Option zur Behandlung der atopischen Dermatitis darstellt.

Wie kann man sich die Wirkung von Vitamin B12 bei atopischer Dermatitis erklären?

Prof. Nisticò:

Atopische Dermatitis hat viel mit einer defekten Hautbarriere und entzündlichen Prozessen zu tun. Zum Beispiel ist die Konzentration bestimmter Abwehrzellen, der T- Zellen, in der Haut erhöht. Die erhöhte Aktivität der T-Zellen führt zur gesteigerten Produktion von Entzündungsfaktoren, was wiederum eine gesteigerte Bildung von Stickstoffmonoxid nach sich zieht. Stick- stoffmonoxid erweitert die Gefäße, führt zur Rötung und Schwellung des Gewebes. Stickstoffmonoxid spielt aber auch eine wichtige Rolle bei der Regulierung der T-Zellen und bei der Zellteilung und Ausreifung der Zellen.

Bei Psoriasis sind ganz ähnliche Mechanismen im Gang. Vitamin B12 hingegen ist ein starker Stickstoffmonoxid-Fänger, ein starkes Antioxidans und ein Unterdrücker der Entzündungsfaktoren. Auf diese Weise reduziert Vitamin B12 die Entzündung und die Symptome einer Neurodermitis und Psoriasis.

Wurde in der Vergangenheit bereits mit Vitamin B12 bei Neurodermitis geforscht?

Prof. Nisticò:

Vor ein paar Jahrzehnten wurden einige Studien durchgeführt, zunächst auch als Therapie zum Schlucken. Allerdings sind in diesem Zusammenhang so hohe Vitamin B12-Dosen notwendig, dass unerwünschte Wirkungen auftreten können. Der Vorteil einer lokalen Therapie auf der Haut – auch topische Therapie genannt – besteht darin, dass diese Nebenwirkungen vermieden werden können. Allerdings besteht hier die Herausforderung, dass das Vitamin B12 aus der Creme auch wirklich von der Haut aufgenommen wird und in die entsprechenden Hautschichten gelangt. Das ist nur bei der richtigen Formulierung möglich. Das bedeutet, dass das Vitamin B12 mit den richtigen Hilfsstoffen zusammen auf eine bestimmte Art und Weise in der Creme verarbeitet sein muss, damit es auch seine Wirkung entfalten kann. Als die Schweizer Firma Mavena solche Präparate auf den Markt gebracht hat und wir damit gute Erfahrungen machten, haben wir mit den Studien begonnen.

Ihre Studien wurden bisher bei Patienten mit leichter Neurodermitis oder leichter bis mittelgradiger Psoriasis durchgeführt. Macht topisches Vitamin B12 auch bei schweren Formen Sinn?

Prof. Nisticò:

Ja, auf jeden Fall. Auch bei moderaten bis schweren Formen ist Vitamin B12 als Basisbehandlung zu empfehlen. In diesem Fall wäre eine Formulierung mit Vitamin B12 sogar ideal, weil es nicht mit anderen Arzneimitteln zum Schlucken interagiert, die häufig bei schweren Formen eingesetzt werden. Damit Vitamin B12 sowohl bei Neurodermitis als auch bei Psoriasis und zum Beispiel auch bei betroffener Kopfhaut eingesetzt werden kann, hat Mavena sowohl Vitamin B12- Salben, als auch Gele und Cremes entwickelt.

Welchen Stellenwert sehen Sie für topisches Vitamin B12 in der Behandlung von Neurodermitis und Psoriasis?

Prof. Nisticò:

Wir glauben, das Vitamin B12 einen festen Platz in der Behandlung dieser Erkrankungen erhalten sollte. Beide Erkrankungen beruhen auf entzündlichen Prozessen, die durch Vitamin B12 gedämpft werden können.

Lokale Therapien mit Vitamin D-Abkömmlingen zählen zu den ältesten Behandlungsmethoden für Psoriasis, manche Ärzte setzen Vitamin D auch bei atopischer Dermatitis ein. Wir glauben, dass Vitamin B12 eine weitere Behandlungsmöglichkeit darstellt und denselben Stellenwert einnehmen sollte wie die tägliche Basispflege und Vitamin D. Bei schwereren Formen kommen gegebenenfalls Arzneimittel dazu,
die eingenommen werden müssen.

Quelle: Medical Tribune