DISKURS Dermatologie

Meilenstein in der Wundversorgung der Epidermolysis bullosa

R.L. Schlenger

Neues Oleogel ist die erste zugelassene topische Therapie

Die seltene, genetisch bedingte Epidermolysis bullosa (EB) wird wegen der auffälligen Hautveränderungen meist gleich nach der Geburt bemerkt. Weil die Haut so verletzlich ist, spricht man auch von der Schmetterlingskrankheit. Die Wundversorgung stellt den Hauptteil der lebenslangen Behandlung dar. Für die Behandlung oberflächlicher Wunden bei dystropher und junktionaler Epidermolysis bullosa bei Patienten ab sechs Monaten kommt mit Oleogel-S10 im September das erste und einzige zugelassene Arzneimittel in der EU auf den Markt.

Charakteristisch für EB ist die leichte Bildung von Blasen an der äußeren Haut und auch an den Schleimhäuten. Diese entstehen beispielsweise schon bei leichter Berührung oder in Stresssituationen, was für die „Schmetterlingskinder“ und ihre Angehörigen eine extreme Belastung darstellen kann. Ursache der EB sind genetische Mutationen auf den Autosomen, die dominant oder rezessiv vererbt werden können; auch Spontanmutationen sind zu beobachten. Mehr als 1.000 bekannte Mutationsvarianten bedingen die große Variabilität im Krankheitsbild.

Als Folge der Mutationen werden Verbindungsstrukturen zwischen den Hautschichten nicht richtig ausgebildet bzw. fehlen vollständig. Die einzelnen Hautschichten lösen sich leicht voneinander, in die Lücken dringen seröse Flüssigkeit oder Blut und bilden die mitunter sehr schmerzhaften Blasen. Je nach geschädigter Hautschicht werden vier Hauptformen der EB unterschieden. Milde Fälle können auch unerkannt bleiben. Schwere Formen gehen mit Blasenbildung an und in der gesamten Haut, an Schleimhäuten und inneren Organen einher. Folgen der Multisystemerkrankung können Infektionen, Anämien, Verwachsung von Fingern oder Zehen und Plattenepithelkarzinome sein.

Vier Hauptformen der EB

Je nach geschädigter Hautschicht in Epidermis und Dermis werden vier Hauptformen der EB unterschieden. Die häufigste und leichteste Form ist die EB simplex (EBS) mit eher oberflächlichen Läsionen. Die Kindler EB (KEB), die junktionale EB (JEB) und die dystrophe EB (DEB) sind schwere Formen mit Blasenbildung an und in der gesamten Haut, an Schleimhäuten und inneren Organen.

Die Diagnose molekulargenetisch absichern

Auch wenn es sich bei weltweit etwa 500.000 EB-Patienten um eine seltene Erkrankung handelt, wird sie in der Regel gleich nach der Geburt festgestellt. Neben der Blasenbildung können eine isolierte Nageldystrophie, Schleimhautstörungen, später Zahnschmelzdefekte und -verfärbung oder gesteigerte Kariesneigung auf ein Vorliegen der Erkrankung hindeuten. Die Diagnose sichern eine Biopsie mithilfe eines Immunfluoreszenztests und genetische Untersuchungen, in Einzelfällen ergänzt durch eine Transmissionselektronen-Mikroskopie.

Für Betroffene und ihre Eltern ist die Diagnose in der Regel ein Schock. Das Leben der Patientinnen und Patienten ist oft geprägt durch Schmerzen, Behinderung, eine zeit- und kostenintensive Pflege. Die oft schmerzhafte Wundversorgung kann in schweren Fällen mehrere Stunden am Tag in Anspruch nehmen. Blasen sollten täglich punktiert, entleert und fachgerecht versorgt werden, um Schmerzen und Infektionen vorzubeugen. Die Lebenserwartung ist bei schweren EB-Formen deutlich verkürzt. Betroffene und Angehörige sollten Unterstützung durch professionelle Pflegekräfte und psychologische Hilfe in Anspruch nehmen.

Fortschritt in der Wundversorgung

Zur Behandlung der schweren Formen von EB erhielt am 22. Juni 2022 mit Oleogel-S10 (Filsuvez®) ein steriles Externum die Zulassung, für das eine beschleunigte Wundheilung nachgewiesen wurde. [1] Die EU-Zulassung basiert auf der doppelblind-randomisierten, kontrollierten Phase-3-Studie EASE (Efficacy And Safety of Oleogel-S10 in patients with EB, NCT03068780) mit 223 Teil- nehmenden im Durchschnittsalter von 12 Jahren (DEB n=195, oder JEB n=26). Bei allen wurde eine definierte Zielwunde von 10-50 cm2 Fläche alle 1-4 Tage entweder mit Oleogel-S10 oder mit einem Kontrollgel behandelt. Primärer Endpunkt von EASE war der Anteil an Behandelten mit einem ersten Verschluss der Zielwunde nach 45 Tagen im Vergleich zur Kontrollgruppe. Sekundär wurden u.a. die Veränderungen gegenüber dem Ausgangswert bei Schmerzen beim Verbandswechsel mithilfe der Wong-Bakers FACES Schmerzbewertungsskala beobachtet. [2]

„Die Untersuchung zeigte bei den mit Oleogel-S10 behandelten Patientinnen und Patienten eine signifikante Zunahme der Rate des Wundverschlusses um 44% und somit eine beschleunigte Wundheilung im Vergleich zur Kontrollgruppe“, erklärte Professorin Dimitra Kiritsi, stellvertretende Leiterin des Epidermolysis-bullosa-Zentrums der Universitätsklinik Freiburg, bei der Einführungs-Pressekonferenz von Filsuvez®. Die behandelten Wunden waren bereits nach zwei Wochen um mehr als die Hälfte reduziert und heilten rund eine Woche schneller. Nach zwei Wochen zeigte sich auch eine signifikant stärkere Schmerz- reduktion beim Verbandswechsel. Wundinfektionen der Zielwunde waren bei den Patientinnen und Patienten unter Behandlung mit Oleogel-S10 milder und fünfmal seltener. Einen nachhaltigen Effekt zeigte nach 12 Monaten die offene EASE-Nachbeobachtungsphase: Die Gesamtkörperwundfläche hatte sich vom Ausgangswert 12,1% auf 5,4% reduziert. Das entspricht einer Reduktion um etwa sechs Handflächen. [3]

Trockenextrakt aus Birkenrinde beschleunigt Wundheilung

Der Wirkstoff von Oleogel-S10 ist ein Betulin-reicher Triterpenextrakt aus Birkenrinde. Der genaue Wirkmecha- nismus ist nicht bekannt. Ex vivo moduliert der Extrakt Cyclooxygenasen und Interleukine, weiterhin ist er an der Migration und Differenzierung von Keratinozyten beteiligt, was Wundheilung und -verschluss begünstigt.

Es handelt sich um ein steriles, thixotropes Gel zum Einmalgebrauch in 25-ml-Tuben. Je nach Bedarf kann das Gel auf die Wunde oder auf eine nicht-adhäsive Wundauflage aufgetragen werden. [1] Filsuvez® soll ab 1. September 2022 in Deutschland verfügbar sein.

Quelle: Fachpressekonferenz „Meilenstein in der Wundversorgung bei Epidermolysis Bullosa, 13. Juli 2022, München; Veranstalter: Amryt Pharma GmbH

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1. Fachinformation Filsuvez® Gel Stand Juni 2022.

2. Kern JS et al., Trials, 2019; 20:350; https://doi. org/10.1186/s13063-019-3362-z.

3. Wu YH et al., J Clin Nurs. 2020; 29:1552– 1560.