Dermato-rheumatologische Erkrankungen erkennen und adäquat behandeln
Nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, offenbart sich jedoch in der genaueren Anamnese bei Patienten mit Hautmanifestationen recht schnell ein breites Spektrum dermato-rheumatologischer Schnittmengen. Diese als Dermatitis-Arthritis-(DA-)Syndrome bezeichneten Erkrankungen benötigen eine sorgfältige Diagnostik und haben auch Konsequenzen für die Behandlung. Dafür ist eine Intensivierung der interdisziplinären Zusammenarbeit erforderlich.
DA-Syndrome sind gekennzeichnet durch eine außerordentlich große Variabilität. Sie können deshalb nicht als einheitliche Krankheitsgruppe angesehen werden. „Die Hauterscheinungen selbst sind häufig unspezifischer Natur, können jedoch in Erkenntnis des richtigen Kontexts so charakteristisch sein, dass sie einerseits bereits eine Verdachtsdiagnose erlauben und andererseits als Hauptkriterium oder ‘Leitsymptom‘ einer rheumatischen Erkrankung zu verwerten sind“. [1]
Für die Einordnung und Bewertung lassen sich Dermatitis-Arthritis-Syndrome, wie Prof. Dr. Bernd Bonnekoh von der Hautklinik der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg bei einem Symposium im Rahmen der diesjährigen dermapraxis Berlin erläuterte, in acht Gruppen unterteilen: Infektiöse und Infekt(ions)reaktive, bei Autoimmunerkrankungen und Immundefekten, bei vermuteten/bekannten genetischen Defekten, bei allergischen Reaktionen, bei degenerativen Gelenkerkrankungen, bei metabolischen und endokrinologischen Erkrankungen und bei Neoplasien. In einer letzten Gruppe werden ätiologisch (weitgehend) ungeklärte Dermatitis-Arthritis-Syndrome zusammengefasst.
Frühzeitige (Differenzial-) Diagnostik ist wichtig
Für Rheumatologen wie auch Dermatologen gilt es, DA-Syndrome bzw. entsprechende Symptome zu kennen, um unter Zuhilfenahme der in beiden Fachbereichen üblichen diagnostischen Tools wie Anamneseerhebung, klinische Untersuchung, Labor, Bildgebung, Schweregradscores etc. zu einer sicheren Diagnose zu kommen und idealerweise in gemeinsamen Boards bestmögliche Therapieoptionen zu finden.
Unter den mehr als 400 Krankheitsbildern, die von Rheumatologen behandelt werden, ergeben sich die Schnittmengen mit der Dermatologie insbesondere bei der Rheumatoiden Arthritis (RA), der Psoriasis-Arthritis, bei Kollagenosen (z.B. Lupus erythematodes, Systemische Sklerose, Dermatomyositis) und Vaskulitiden als autoimmunbedingte entzündlich-rheumatische Erkrankungen sowie bei reaktiven Arthritiden und metabolischen Gelenkerkrankungen/Stoffwechselstörungen (z.B. Gicht). Allein die Vielzahl der Gruppen, die noch zahlreiche Subgruppen inkludieren, zeigt die Bandbreite zu berücksichtigender Entitäten.
Zu bestimmten DA gibt es Leitlinienempfehlungen verschiedener Fachgesellschaften und Hinweise zu möglichen etablierten, aber auch neuen Therapien, zu deren Kenntnisnahme sich der Dermatologe durchaus auch einmal in die Gefilde der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) oder der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) begeben darf (und umgekehrt), empfahl Bonnekoh.
Innovationsschübe in der medikamentösen Therapie
Häufig sind es ähnliche Pathomechanismen, die dermatologische und rheumatologische wie auch weitere systemische Multiorgan- Erkrankungen, z.B. des Darmes, miteinander verbinden. Dermatosen mit Gelenk-/Knochenbeteiligung oder rheumatische Erkrankungen mit Hautmanifestationen können zwar sehr unterschiedliche Ursachen haben, aber vielen gemeinsam sind häufig inflammatorische Prozesse aufgrund einer gestörten Immunantwort. Diese immunvermittelten Entzündungen führen zu unterschiedlichsten Symptomen an der Haut oder im Skelettsystem bzw. Muskel-Sehnen-Apparat, die für betroffene Patienten sehr belastend sind.
Neben den Standardtherapien gewinnen deshalb für die Behandlung von DA-Syndromen zugelassene neuartige Medikamente wie Biologika oder JAK-Inhibitoren zunehmend an Bedeutung. Waren es zuerst Arzneimittel aus der Gruppe der Biologika, die beispielsweise bei der Behandlung einer RA genau so wirksam sind wie bei der Psoriasis, wird aktuell mit den JAK-Inhibitoren (JAK-I) eine „zweite Revolution der medikamentösen Therapieentwicklung“ wahrgenommen. Hier sehen wir bei den dermatorheumatologischen Schnittmengen wieder interessante Interferenzen. Daraus ergeben sich für zielgerichtete Therapien „neue, interdisziplinäre ‘Drug-sharing‘-Optionen“, konstatierte Bonnekoh. Nachdem JAK-I wie Baricitinib und Upadacitinib primär in der Rheumatologie gestartet sind, kämen sie jetzt mehr und mehr in der Dermatologie zur Behandlung der atopischen Dermatitis an.
Um diese z.T. hochpreisigen Therapien bei Patienten mit passender Indikation erfolgreich einzusetzen, wird die Identifikation von Schnittstellen und das frühzeitige Erkennen von Erkrankungen aus dem rheumatologischen Formenkreis zunehmend zur alltäglichen Routine des Dermatologen gehören, um Beschwerden zu lindern und nicht zuletzt schwere Verlaufe zu verhindern.
Einen weiteren Schnittpunkt von Dermatologie und Rheumatologie sieht Bonnekoh bei Arzneireaktionen aller Variationen, z.B. durch Anti-rheumatika wie nichtsteroidale Antiphlogistika, die toxische, allergische bzw. pseudoallergische kutane Reaktionen hervorrufen können und eine entsprechende Diagnostik und Behandlung erfordern.
Fazit
Mit heute verfügbaren modernen Therapieoptionen, die sowohl im dermatologischen als auch im rheumatologischen Bereich erfolgversprechend sind, können Patienten mit DA-Syndromen optimal versorgt werden. Interdisziplinäre Zusammenarbeit aller beteiligten Fachgruppen in „Entzündungsboards“ wie sie sich in analoger Weise als Tumor-Konferenzen in der Onkologie bereits bewährt haben, könnten hier sehr hilfreich sein, um sich gegenseitig in den Indikationen zu unterstützen und voneinander zu lernen, resümierte Bonnekoh.
Quelle: Vortrag „Dermato-rheumatologische Schnittmengen“ von Prof. Dr. Bernd Bonnekoh bei der dermapraxis berlin, 19. Jahrestagung der Berliner Dermatologen in Kooperation mit dem BVDD Landesverband Berlin, 19. September 2021
Literatur
1. https://www.altmeyers.org/de/dermatologie/ dermatitis-arthritis-syndrome-15896