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„Es geht darum, den Alterungsprozess behutsam aufzuhalten“

Interview mit Tagungsleiter PD Dr. med. Gerd Gauglitz zur 34. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Dermatochirurgie (DGDC) gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Dermatochirurgie (ÖGDC), 07.-09. November 2019, München

Der Traum von der zeitlosen Attraktivität ist unerschütterlich und erlebt derzeit in einer Vielzahl sanfter Alternativen zum Facelift neuen Aufschwung. In München beschäftigten sich Experten mit Möglichkeiten und Grenzen minimal-invasiver Methoden und Techniken. Neue Erkenntnisse und Erfahrungen wurden ausgetauscht, praktisches Knowhow vermittelt – u.a. in etlichen Live-Behandlungen. Tagungsleiter PD Dr. med. Gerd Gauglitz, Oberarzt der Abteilung für Ästhetische Dermatologie und Lasermedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München und Leiter einer dermatologischen Praxis, sprach mit uns über Wünsche und Wege, das Altern aufzuhalten.

Herr Dr. Gauglitz, neben dem operativen Facelifting gibt es heute eine Reihe minimal-invasiver Optionen, Gesichter zu straffen, zu erfrischen, zu konturieren. Was ist derzeit besonders gefragt?

Dr. Gauglitz:

Das ist ein immenser Bereich geworden. Man muss unterscheiden zwischen marketinggetriebenen Maßnahmen und solchen, die von soliden wissenschaftlichen Daten unterstützt werden. Und davon gibt es ja inzwischen auch eine Reihe. Ganz vorn rangiert die Behandlung mit Botulinumtoxin oder Botox, wie es im Volksmund genannt wird. Gefolgt von den Hyaluronsäurebasierten Fillern und solchen, die die Kollagenbildung anregen. Und dann gibt es noch die neueren Präparate und Ansätze wie etwa das Fadenlifting, das derzeit wieder eine Renaissance erlebt. Mittlerweile unterstreichen auch zunehmend Studien die Sicherheit dieser Methode, trotzdem ist sie noch nicht ganz so etabliert. Auch der Bereich der Laser entwickelt sich rasant, besonders die sogenannten energy- based devices – vom mikrofokussierten Ultraschall bis zur Radiofrequenz für Fettabbau und Hautstraffung finden zunehmend auch in Deutschland Anwendung. Die Bandbreite an Methoden ist groß und reicht bis zum sogenannten Vampirlift mit lebenden Zellen aus Eigenblut zur Verbesserung der Hautqualität. Der Fantasie sind fast keine Grenzen mehr gesetzt.

Wie soll man sich da entscheiden …?

Dr. Gauglitz:

Eben darum ist es wichtig für Patienten, eine sinnvolle Beratung zu erhalten. Nicht jeder Patient profitiert schließlich vom gleichen Ansatz.

Als Methode zur Verjüngung ohne OP wird das Fadenlifting stark beworben. Wie funktioniert es und wie lange hält der Effekt an?

Dr. Gauglitz:

Dabei werden unter lokaler Betäubung spezielle Fäden ins Fettgewebe unter die Haut gelegt und je nach Region auf unterschiedliche Weise verankert. So lässt sich eine Straffung und Konturierung der jeweiligen Partie erreichen. Die Fäden sollten selbstauflösend sein. Wir verwenden meist solche aus Polymilchsäure. Die Milchsäure agiert im Unterhautfettgewebe und regt die Kollagenproduktion an. Dieser Vorgang dauert an und sorgt für eine sehr natürliche Repositionierung des mit der Zeit etwas hängenden Gewebes. Das Ergebnis ist sofort sichtbar und zeigt eine weitere Verbesserung über die nächsten Monate. Der Effekt hält etwa ein bis zwei Jahre. Das Verfahren kann im Prinzip beliebig oft wiederholt werden.

Haben Sie ein persönliches oberstes Gebot für Schönheitsbehandlungen?

Dr. Gauglitz:

Ja – dass man eine gut gemachte, ästhetische Behandlung gar nicht sehen sollte.

Ist das nicht inzwischen Konsens, dass es ‘natürlich’ aussehen muss?

Dr. Gauglitz:

Die Einsicht kommt, ja. Aber wenn Sie durch eine Stadt wie München gehen, sehen Sie immer noch genügend Gesichter, die etwas Anderes ausdrücken. Entscheidend ist: Bei all den minimal-invasiven Verfahren, die wir inzwischen zur Auswahl haben, geht es überhaupt nicht darum, ein Gesicht zu verändern. Sondern darum, den Alterungsprozess behutsam, wenn möglich auf eine wissenschaftlich basierte und vor allem für den Patienten nicht schädliche Weise aufzuhalten.

Schönheitsideale unterliegen dem Wandel der Zeit. Heute kommen die Wunsch-Bilder zum Beispiel dreifach gefiltert via Instagram. Sehen Sie eine ethische Verantwortung bei sich und Ihren Kollegen?

Dr. Gauglitz:

In meinen Augen haben wir die in jedem Fall. Als Arzt sollte man auch mal Nein sagen. Gerade wenn es um ganz junge Patienten geht, die eine Behandlung wünschen, die aus ärztli- cher Sicht nicht induziert oder sogar kontraproduktiv scheint.

Sind Ihre Patientinnen in letzter Zeit jünger geworden?

Dr. Gauglitz:

Definitiv! Aber sie sind auch älter geworden. Vor ein paar Jahren war die klassische Patientin die Dame zwischen 50 und 60. Heute geht es mit 25 los und hört mit 80 noch nicht auf. Dazu kommen immer mehr Männer. Wir haben in unserer Praxis inzwischen ein Drittel Männer in diesem Bereich.

Dem Sektor werden von Experten für die kommenden Jahre weiter traumhafte Zuwachsraten prophezeit. Woher kommt das?

Dr. Gauglitz:

Zum einen fühlen sich die Menschen mit 60 Jahren deutlich jünger und das wollen sie auch ausstrahlen. Zum anderen glaube ich, dass das Aussehen heute wieder deutlich wichtiger ist. Die sogenannten inneren Werte stehen nicht mehr ganz an vorderster Stelle. Der erste Eindruck eines Menschen, der äußere Aspekt, das hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung zugenommen. Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Studien, die zeigen, dass gutaussehende Menschen es im Leben und im Beruf leichter haben. Das bemerken die Menschen auch, und es schlägt sich in vielen Bereichen nieder: im Bereich der Mode, der Frisuren, des Bodykults, in der Zunahme von Tätowierungen. Ich glaube, da ist auch noch kein Ende abzusehen.

Unterscheidet sich, was Frauen und was Männer wollen?

Dr. Gauglitz:

Ja und nein. Die Wünsche sind zum Teil recht ähnlich: Man möchte weniger müde aussehen, damit einem vielleicht der Stress am Arbeitsplatz nicht so angemerkt wird. Bei beiden Geschlechtern besteht der Wunsch nach einer zeitlosen Attraktivität. Manche Männer kommen mit dem Wunsch nach markanterem Aussehen, so steht ein markantes, dominantes Kinn unbewusst für eine gewisse Stärke und Führungsqualität, eine konturierte Kinnlinie wirkt dynamisch – auch solche Wünsche sind inzwischen minimal-invasiv realisierbar.

Ist Nachhelfen salonfähig geworden?

Dr. Gauglitz:

Es ist kein Tabuthema mehr. Und das ist wahrscheinlich die größte Veränderung. Man erzählt der Freundin, wo man hingeht: „Ich geh zum Botoxen!“ In unserer Praxis wird darüber am Empfang ganz offen gesprochen, auch in Gegenwart anderer Patienten. Das war noch vor ein paar Jahren anders. Auch sind solche Behandlungen keineswegs mehr nur wohlhabenderen Schichten vorbehalten. Patienten, die vielleicht ein paar Euro weniger im Monat zur Verfügung haben, entschei- den sich ganz bewusst, lieber etwas gegen die Zornesfalte zu tun, als sich ein neues Outfit zuzulegen.

Wie finden Patienten einen guten Arzt für kosmetische Behandlungen?

Dr. Gauglitz:

Das ist eine ganz schwierige Frage! Homepages sind heute ansprechend gemacht – die Lebensläufe ebenso. Wichtig ist, dass man sich zwei, drei Kolleginnen oder Kollegen anschaut. Sympathie und Vertrauen sind ebenso wichtig. Am häufigsten gibt die persönliche Empfehlung den Ausschlag.

Quelle: Conventus