Alopezie

Tag der Immunologie 2023: Ist Alopecia areata eine „verkannte“ Autoimmunerkrankung?

Am 29. April wird jährlich weltweit der Tag der Immunologie gefeiert, der dieses Jahr unter dem Motto „Immunologie im Dialog mit der öffentlichen Gesundheit“ steht. Dank immunologischer Forschung sind viele chronisch-entzündliche Auto- immunerkrankungen heute gut behandelbar – so auch die Alopecia areata.a Doch obwohl häufig mit psychischen Folgen verbunden und mit anderen immunologischen Komorbiditäten assoziiert, wird Menschen mit Alopecia areata der bedarfsgerechte Zugang zu medizinischem Fortschritt meist verwehrt.

Zusammen mit Haarspezialist*innen setzt sich die Fa. Lilly Deutschland daher für die Anerkennung des kreisrunden Haarausfalls als behandlungs- bedürftige Autoimmunerkrankung ein. Eine Petition von Betroffenen zu diesem Thema ist aktuell beim Deutschen Bundestag eingereicht und kann voraussichtlich ab Mitte April unterstützt werden. Neben der Diabetologie und Onkologie widmet sich Lilly seit vielen Jahren auch intensiv der Erforschung und Entwicklung
von innovativen Therapien für Menschen mit chronisch-entzündlichen Autoimmunerkrankungen. Zahlreiche Meilensteine in der Arzneimittelentwicklung konnten so dazu beitragen, die Krankheitslast Betroffener zu mindern und ihnen die Teilhabe an einem weitestgehend normalen Leben wieder zu ermöglichen.

Seit Juni 2022 steht mit der EU-weiten Zulassung des JAK-Inhibitors Baricitinib (Olumiant®) [1] erstmalig eine zugelassene Behandlungsmöglichkeit für Erwachsene mit schwerer Form der Alopecia areata zur Verfügung. Allerdings dürfen Medikamente, die das Haarwachstum fördern, gemäß § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB Vb nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden. [2]

„Die Einordnung als „Lifestyle-Erkrankung“ wird dem Leidensdruck bei schweren Formen der Alopecia areata nicht gerecht. Sie verwehrt Betroffenen den notwendigen Zugang zu modernen Behandlungsmöglichkeiten“, beschreibt der Dermatologe Prof. Dr. med. Matthias Augustin (Hamburg) die aktuelle Erstattungssituation. Gemeinsam mit anderen Kolleg*innen unterstützt er daher eine Petition an den Deutschen Bundestag, mit der Betroffene erreichen möchten, dass die Alopecia areata als Autoimmunerkrankung anerkannt und damit eine Erstattung der Therapiekosten von zugelassenen Arzneimitteln ermöglicht wird.

Die Entzündungszellen greifen spezifisch Haarfollikel in der Phase der aktiven Haarbildung an. Die aktivierten T-Zellen produzieren Zytokine, die eine frühzeitige Beendigung der Wachstumsphase der Haare induzieren. [5,20] Nach Ausfall der Haare bleiben die Haarfollikel inaktiv und treten nicht erneut in die Wachstumsphase ein. [21]

Alopecia areata – behandlungsbedürftige Autoimmunerkrankung

Bei Autoimmunerkrankungen greift das Immunsystem körpereigene Zellen an. [3] Nahezu jedes Körpergewebe kann davon betroffen sein. [4] Während bei rheumatoider Arthritis vor allem die Gelenke Angriffspunkt für Immunzellen darstellen, ist dies bei atopischer Dermatitis die Haut. Bei Alopecia areata steht der Haarfollikel im Fokus der Entzündung, wobei Entzündungszellen spezifisch die Haarfollikel in der Phase der aktiven Haarbildung angreifen. [5,6] Menschen mit Alopecia areata haben zudem ein erhöhtes Risiko, eine atopische Dermatitis zu entwickeln oder an Asthma bronchiale, allergischer Rhinitis oder allergischer Konjunktivitis zu erkranken. [7] Auch das Risiko für Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse ist erhöht und weitere Autoimmunerkrankungen werden mit der Alopecia areata in Verbindung gebracht, darunter Vitiligo, Lupus erythematodes, Psoriasis und rheumatoide Arthritis. [7-9]

Darüber hinaus sind Menschen mit Alopecia areata wegen der fehlenden Haare anfälliger für Sonnenbrand, Augenreizungen und Allergien, denn Haare übernehmen auch wichtige physiologische Funktionen:

  • Augenbrauen & Wimpern schützen die Augen u.a. vor Schweiß und Fremdkörpern. [10]
  • Nasenhaare filtern die Atemluft und brechen den Luftzug. Ohne diese Haare kann der schärfere Luftzug zu Veränderungen der Nasenschleimhaut führen. [10]

Psychische Erkrankungen sind häufig Folge einer Alopecia areata

Vor allem schwere Formen der Alopecia areata können zu einem enormen Leidensdruck führen. [11] Aufgrund der Alopecia areata entwickeln 70% der Betroffenen im Laufe der Zeit eine psychische Erkrankung. [11,12] Dazu gehören:

  • schwere Depressionen (8,8%) [13],
  • Angststörungen (18,2%) [11,13],
  • körperdysmorphe Störungen, Sozialphobie und Selbstmord- gedanken (12,8%) [14-17.]
  • Dies geht einher mit einem signifikant erhöhten Sterberisiko im Zusammenhang mit vorsätzlicher Selbstverletzung, Suizid und psychiatrischen Erkrankungen. [18]

Durch die Behandlung der Alopecia areata können schwere psychische Belastungen der Patient*innen abgefangen werden, die weit über die Bedürfnisbefriedigung und die Steigerung des Selbstwertgefühls hinausgehen.

Schulterschluss mit Betroffenen und Expert*innen

Gemeinsam mit auf Haarausfall spezialisierten Fachärzt*innen stellt Lilly Deutschland Informationen zum Krankheitsbild zur Verfügung und versucht, einen Beitrag für mehr Bewusstsein und Enttabuisierung von Betroffenen mit Alopecia areata zu leisten. Unter www.haarerkrankungen.de können Betroffene und die interessierte Öffentlichkeit weiterführende Informationen zum Krankheitsbild sowie Adressen von Haarspezialist*innen finden. [19] Dort werden voraussichtlich ab
Mitte April auch Informationen zu einer Petition von Betroffenen und Dermatolog*innen zu finden sein, die den Deutschen Bundestag dazu auffordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Patient*innen, die an Alopecia areata erkrankt sind, einen bedarfsgerechten Zugang zur medizinischen Behandlung erhalten. Dazu muss die Alopecia areata als schwerwiegende Autoimmunerkrankung anerkannt werden, damit die Behandlungskosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden können.

„Haare sind weit mehr als ein ästhetisches Thema. Alopecia areata kann mit massiven Einbußen an Lebensqualität und psychischen Folgeerkrankungen einhergehen. Wir brauchen daher wirk- same, zugelassene und erstattungsfähige Medikamente, die gravierendere Folgen verhindern und eine Rückkehr zu einem normalen Leben ermöglichen können“, fordert Dr. med. Uwe Schwichtenberg, niedergelassener Dermatologe aus Bremen und ärztlicher Leiter der Informationsseite www.haarerkrankungen.de. ̈

Quelle: Lilly Deutschland GmbH

a  Baricitinib wird angewendet zur Behandlung von schwerer Alopecia areata bei erwachsenen Patient*innen.

b  Von der Versorgung sind […] Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die […] der Verbesserung des Haarwuchses dienen.

Literatur

1. Aktuelle Fachinformation Olumiant®

2. URL: https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/34.html [Zugriff: 15.03.2023]

3. Autoimmune diseases. Office on Women‘s Health. U.S. Department of Health and Human Services [Zugriff: 17.11.2022]

4. Borgelt LM (2010). Women‘s Health Across the Lifespan: A Pharmacotherapeutic Approach. ASHP. p. 579. ISBN 97858528- 194-7. [Zugriff: 17.11.2022]

5. Pratt CH et al. Nat Rev Dis Primers 2017; 3: 17011

6. King B et al. N Engl J Med 2022; 386(18): 1687–1699

7. Lintzeri DA et al. J Dtsch Dermatol Ges 2022 Jan; 20(1): 59–93

8. Betz RC et al. Nat Commun 2015; 6: 5966

9. Petukhova L, Christiano AM. J Invest Dermatol 2016; 136: 314–317

10. Buffoli B et al. Int J Dermatol. 2014; 53(3):331-41

11. Villasante Fricke AC, Miteva M. Clin Cosmet Investig Dermatol 2015; 8: 397–403

12. Edson-Heredia E et al. J Dermatol 2022;49(6): 575–583

13. Mostaghimi A et al. Dermatol Ther (Heidelb).2021; 11(3): 867–883

14. Tzur Bitan D et al. Acta Derm Venereol 2022;102: adv00669

15. Jagtiani A et al. Health Hum Behav 2017;22(1): 50–54

16. Gupta MA, Gupta AK. Br J Dermatol 1998;139(5): 846–850

17. Vélez-Muñiz RDC et al. Skin Appendage Disord2019; 5(5): 293–298

18. Lee S et al. JAMA Dermatol 2019; 155(8):922–928

19. URL: https://www.haarerkrankungen.de/[Zugriff 06.03.2023]

20. Paus R et al. J Investig Dermatol Symp Proc 2018; 19: S12–S17

21. Vogt A et al. Hair Growth and Disorders (1stEd), 2008.