„Ein Kilogramm Muskelmasse verbraucht ungefähr das Dreifache an Kalorien“
Interview mit Sarah Schretzmair, Dipl.-Oecotroph., Cynosure GmbH Sarah Schretzmair
Wenn auch sprichwörtlich „alle Wege nach Rom“ führen mögen, scheint sich im Bereich Bodycontouring doch zunehmend der Aufbau von Muskelmasse als „Königsweg“ zu einem wohlgeformten Äußeren zu entpuppen. Wir sprachen mit Dipl.- Oecotroph. Sarah Schretzmair darüber, inwieweit die elektromagnetische Muskelstimulation in der ästhetischen Praxis hierbei hilfreich sein kann und warum eine Zunahme an Muskelmasse zugleich auch zum Abbau von Fettgewebe beiträgt.
Ästhetische Dermatologie:
Frau Schretzmair, wie hängen Muskulatur und Tagesumsatz konkret zusammen?
Sarah Schretzmair:
Die Energie pro Zeiteinheit, die ein Organismus zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts seiner physiologischen Körperfunktionen (Homöostase) sowie grundlegender Funktionen wie Atmung, Herzschlag, Thermoregulation oder auch Verdauung benötigt, wird Grundumsatz bzw. Ruheenergieumsatz (englisch: resting energy expenditure, kurz REE) genannt. Weitere Faktoren, die unseren Grundumsatz beeinflussen, sind nicht nur unser Alter, Geschlecht und Körpergröße und -gewicht, sondern eben auch die Masse der vorhandenen Muskeln. Diese müssen sich nämlich sowohl während des Trainings selbst als auch im Ruhezustand aufrechterhalten. Im Muskel oxidieren bzw. „verbrennen“ wir Fettsäuren (FS), die vom Blut in den Muskel transportiert werden. Dort werden sie entweder als intramuskuläres Triacylglycerol (IMTAG) gespeichert oder in die Mitochondrien transportiert. Hinzu kommt unser Leistungsumsatz, zusammengesetzt aus der Summe aller Aktivitäten.
Ästhetische Dermatologie:
Stimmt es also, dass Muskeln mehr Kalorien verbrennen als anderes Gewebe?
Sarah Schretzmair:
Ein Kilogramm Muskelmasse verbraucht ungefähr das Dreifache an Kalorien im Vergleich zu einem Kilogramm Fettgewebe. Die Stoffwechsel- rate von Muskeln liegt bei etwa 10 bis 15 kcal / kg pro Tag, die Literatur beschreibt häufig 13 kcal / kg. Diese Einschätzungen sind entstanden, indem spezifische Sauerstoffkonzentrationen gemessen wurden, erstmalig von Elia 1992.
Unser Muskelgewebe trägt zu ungefähr 20% zu unserer Total Daily Energy Expenditure (TDEE) bei. Der Beitrag unseres Fettgewebes hingegen liegt gerade mal bei etwa 5% – sofern wir von einer Person mit ungefähr 20% Körperfett ausgehen. Nehmen wir an Muskulatur zu, nimmt auch die Anzahl der Mitochondrien zu, wodurch sich unsere Tagesbilanz erhöht. Unsere Muskelmasse im Erwachsenenalter verhält sich jedoch regressiv, somit verlieren wir ungefähr ab dem 30. Lebensjahr ca. 1% Muskelmasse pro Jahr, wodurch sich unser Stoffwechsel eher verlangsamt. Zur Aufrechterhaltung der Muskelmasse ist somit wichtig, gerade mit zunehmendem Alter besonders auf entsprechendes Training zu achten.
Ästhetische Dermatologie:
Demnach sollten sich Forschung und Entwicklung im Bereich Bodycontouring nicht zu sehr auf die Fettzellen, sondern vor allem auf den Muskel konzentrieren?
Sarah Schretzmair:
Natürlich lassen sich lokale, besonders hartnäckige Fettpolster weiterhin am besten mit gezielten Maßnahmen wie der Laser-Lipolyse mit dem SculpSure®-System angehen. Hinsichtlich eines ganzheitlichen Ansatzes ist jedoch der Muskel durchaus noch spannender als das Fettgewebe geworden. Es ist nach aktuellem Stand der Wissenschaft davon auszugehen, dass die verbesserte Fähigkeit zur Fettverbrennung trainierter Menschen nicht auf die Fähigkeit der Adipozyten zurückzuführen ist, Fettsäuren freizusetzen. Sowohl der Abbau von Fetten zur Freisetzung von FS (Lipolyse) als auch deren Freisetzung aus den Adipozyten als solches unterscheidet sich gemäß der Literatur nicht zwingend zwischen trainierten und untrainierten Personen (vgl. Horowitz und Klein, 2000). Diese Differenz lässt sich eher auf Unterschiede in der Fähigkeit der Muskeln zurückführen, FS aufzunehmen und zu verwenden.
Weibliche Patientin, 34 Jahre. Erscheinungsbild am Morgen vor dem ersten StimSure®-Treatment (l.) bzw. am Morgen nach dem ersten Treatment (m.) bzw. nach der zweiten Behandlung (r.).
Ästhetische Dermatologie:
Führt eine trainierte Muskulatur automatisch zu einer verbesserten Fettverbrennung?
Sarah Schretzmair:
Davon ist auszugehen. Maßnahmen, die den Fettverbrauch trainierter Muskeln verbessern, sind zum einen, den FS-Transport und somit die Verfügbarkeit von FS für die Muskeln und Mitochondrien zu verbessern, und zum anderen, die Fähigkeit zur Oxidation von FS zu verbessern. Training kann gemäß Shaw, Clark und Wagenmakers (2010) zu Veränderungen des intramuskulären, IMTAGS enthaltenden Lipidtropfens führen. Durch eine Erhöhung der Anzahl der Kapillaren um den Muskel durch Training wird zudem gemäß Untersuchungen von Horowitz und Klein (2000) eine erhöhte Fettsäureabgabe in den Muskel ermöglicht.
Ästhetische Dermatologie:
Ist die Fettverbrennung lediglich während des Trainings erhöht oder auch danach?
Sarah Schretzmair:
Auch danach. Ein erhöhter Energiebedarf nach dem Training ist auf die physiologisch notwendige Regeneration der Muskelzellen zurückzuführen. Der Glykogenaustausch mit dem Muskel führt ebenfalls zu einem höheren Energiebedarf nach dem Training. Eine entsprechend erhöhte Stoffwechselrate wird als übermäßiger Sauerstoffverbrauch bzw. „Nachbrennwert“ bezeichnet. Gemäß Ormsbee et al. 2009 wird ein erhöhter Nachbrennwert bzw. eine erhöhte Fettoxidationsrate insbesondere nach einer hohen Trainingsintensität wie nach dem Krafttraining beobachtet.
Ästhetische Dermatologie:
Ist dies auch auf eine elektromagnetische Stimulation der Muskeln zu übertragen?
Sarah Schretzmair:
Ja, es ist davon auszugehen, dass eine muskel-stimulierende Behandlung ebenfalls dazu führt, dass der Patient oder die Patientin entsprechend zusätzliche Energie einsetzt, um die kontrahierenden Muskelzellen auf das Vortrainingsniveau zurückzuführen. Genauere Zusammenhänge zwischen Elektromagnetischer Stimulation und dem EPOC bedürfen jedoch noch intensiver Forschung.
Ästhetische Dermatologie:
Können Sie ein kurzes Fazit ziehen? Was ist schlussendlich aus Ihrer Sicht der beste Weg zu einem gezielten Bodycontouring?
Sarah Schretzmair:
Da eine radikale Reduktion der täglichen Kalorienaufnahme (also unter den Grundumsatz von ca. 1500 kcal/Tag) den Stoffwechsel i.d.R. verlangsamt (vgl. Hill. 2004, Bernardot and Thompson, 1999), ist aus ernährungswissenschaftlicher Sicht eine intensive Kalorieneinsparung keine empfehlenswerte Diät zur Gewichtsreduktion. Ein modernerer Ansatz liegt darin, den Muskelaufbau durch Kraftsport oder auch durch elektromagnetische Stimulation langfristig zu fördern, damit diese Muskeln dauerhaft und nachhaltig Fett verbrennen können. Dies ist dank StimSure® nun auch in der ästhetischen Praxis möglich.
Ästhetische Dermatologie:
Sehr geehrte Frau Schretzmair, vielen Dank für das Gespräch! ?
Das Interview führte S. Höppner.
Die Firma Cynosure wird von wissenschaftlicher Seite von Dr. med Klaus Hoffmann beraten, der im Hautteam Bochum an der Universitätshautklinik im St. Josef Hospital – Zentrum für Lasermedizin des Landes NRW (ZELM NRW) derzeit Studien mit ver- schiedenen Elektromagnet-Systemen durchführt. |