Bodycontouring

„Unser großes Plus ist, dass wir so natürlich und normal rüberkommen“

Interview mit Steffen Giesse (Ludwigshafen)

Medizinerinnen und Mediziner gehen im Marketing immer öfter neue Wege, um sich der Digitalisierung der Gesellschaft anzupassen. Die so genannten sozialen Medien und das Influencer-Marketing scheinen immer wichtiger zu werden. Wir sprachen mit Steffen Giesse, Facharzt für Chirurgie und Inhaber des Facharztzentrums für Ästhetische Medizin und Chirurgie „Estetic Lounge“ in Ludwigshafen, über seinen Umgang mit diesem Thema und den damit verbundenen Balanceakt, die gewünschten Zielgruppen zu adressieren und dabei so glaubwürdig und authentisch wie möglich zu bleiben.

 

Steffen Giesse

DISKURS Dermatologie:

Herr Giesse, welche sozialen Medien nutzen Sie im beruflichen Kontext am intensivsten?

S. Giesse:

Rein von unserer Kommunikationsroutine her veröffentlichen wir unsere Inhalte immer parallel auf Facebook und Instagram. Was das Feedback und den Nutzen angeht, muss man aus unserer Erfahrung heraus klar sagen, dass Facebook eigentlich ziemlich out ist. Die Resonanz, welche wir auf Facebook bekommen, ist im Vergleich zu Instagram wirklich minimal. Es ist dabei tatsächlich sehr interessant, wie sich das im Laufe der letzten Jahre geändert und verschoben hat; allerdings war Facebook für uns auch früher nie so stark, wie es Instagram inzwischen ist. Dieser klare Trend mag sicherlich auch mit der Struktur unserer primären Zielgruppe zusammenhängen, da gerade die bis 40-jährigen Instagram sehr intensiv nutzen, wobei mittlerweile dort auch die Ü40- und sogar die Ü60-Gruppen recht aktiv sind.

DISKURS Dermatologie:

Wie präzise können Sie denn ihre Zielgruppen auf Instagram erreichen bzw. analysieren?

S. Giesse:

Also zumindest die regionale sowie die Altersstruktur der Kontakte kann man im Backend schon recht genau analysieren. Hier in Ludwigshafen sind mindestens ein Drittel unserer Follower direkt aus unserer Region bzw. näheren Umgebung und beim Alter liegen aktuell 42% im Bereich von 25-34 Jahren und weitere 36% im Bereich von 35-44 Jahren. Die 45- 54-Jährigen machen immerhin noch 10% aus und die ganz Jungen von 18-24 liegen bei 8%. Das finde ich schon sehr interessant, wie hoch insgesamt der Anteil der Kontakte im Alter ab 25 bis Mitte 50 ist – und das ist eben auch die Zielgruppe, die wir suchen, weil diese finanziell größtenteils gefestigt sind und sich ästhetische Behandlungen gerne regelmäßig leisten möchten und können.

DISKURS Dermatologie:

Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Auf- tritte in den sozialen Medien ansprechend, aber dennoch authentisch und glaubwürdig bleiben?

S. Giesse:

Es steht für uns außer Frage, dass wir alle unsere Behandlungen und die damit erzielbaren Erfolge tatsächlich ausschließlich in einem ganz seriösen, fachlich fundierten Zusammenhang darstellen. Wir machen nichts Reißerisches und zeigen natürlich erst recht keine Fakes! Am Wochen- ende habe ich noch den Vortrag eines kroatischen Kollegen gehört, der es ziemlich genau auf den Punkt gebracht hat: “We do not offer any Bullshit.“ Wir legen allergrößten Wert darauf, den Interessent*innen nichts vorzustellen und zu übermitteln, was nicht zu 100% seriös ist. Das ist durchaus auch als eine Abgrenzungsstrategie zu verstehen, denn in den sozialen Medien allgemein findet man ja die – wortwörtlich – unglaublichsten Dinge. Bei Social Media geht es in unserem Fall mit unseren Behandlungsmöglichkeiten ganz klar um Authentizität, also Echtheit und Glaubwürdigkeit.

DISKURS Dermatologie:

Sie zeigen auf Instagram Behandlungen ja nicht nur an „normalen“ Patient*innen, sondern arbeiten auch mit bekannten Influencer*innen zusammen. Erreichen Sie durch deren größere Reichweite eine messbar höhere Resonanz für Ihre Beiträge und schlägt sich dies auch konkret in der Akquise von Kund*innen nieder?

S. Giesse:

Man muss hier ein bisschen unterscheiden zwischen regionalen und überregionalen Influencern. Wir haben Influencer, die teilweise über
1 Mio. Follower haben, wie z.B. Sami Slimani. Er ist überregional bekannt, lebt zwischenzeitlich auch in Dubai und ist auch „nur“ alle 2 Monate bei uns in der Praxis. Dann ist er aber eine ganze Woche jeden Tag da, macht diverse Behandlungen und promotet in erster Linie den Emsculpt Neo für uns. Das generiert Traffic für uns, vielleicht auch neue Follower auf unserer Seite, aber bringt uns jetzt nicht direkt viele Patient*innen – dafür aber Likes von wiederum anderen Influencer*innen, die Sami folgen. So kommen die lokalen Influencer*innen quasi von alleine zu uns und kontaktieren uns bezüglich einer Kooperation. Natürlich geschieht dies auch direkt durch unser Marketing, nicht nur indirekt z.B. über Sami. Diese lokalen Influencer*innen bekommen von uns eine kostenfreie Behandlung und berichten dann auch darüber – und das wiederum, eine lokale Influencerin mit vielleicht zwanzig-, dreißig- oder auch hunderttausend Followern, bringt uns dann tatsächlich ganz konkret Patient*innen. Natürlich gibt es immer Unterschiede in deren jeweiliger Reichweite und Followerstruktur, aber dennoch haben wir letztendlich fast immer eine spürbare Resonanz nach solchen Veröffentlichungen.

DISKURS Dermatologie:

Sie bieten in ihrer Praxis ja nicht nur die „typischen“ kleineren Treatments wie Injektionen mit Botulinumtoxin oder Hyaluronsäure an, sondern auch apparative und dementsprechend auch für die Patient*innen kostspieligere Behandlungen. Akquirieren Sie auch für diesen Bereich über die angesprochenen Kooperationen neue Kund*innen, obwohl die Follower der jeweiligen Influencer*innen ja sicherlich im Schnitt noch recht jung sein dürften?

S. Giesse:

Ja, durchaus! Lassen Sie mich ein Beispiel geben. Für den Emsculpt Neo, der hochintensive elektromagnetische Energie mit Radiofrequenz kombiniert und so gleichzeitig für Muskelaufbau und Fettabbau sorgt, arbeiten wir sehr gerne und sehr erfolgreich mit Julia Römmelt, Playmate des Jahres 2021, zusammen. Natürlich sprechen wir in diesem Bereich über eine vierstellige Summe für die Behandlung, aber es gibt auch in der eher jüngeren Zielgruppe, die wir mit dieser Kooperation ansprechen, schon eine nicht unerhebliche Anzahl von Personen, die nicht nur das Bedürfnis z.B. nach einer schönen und glatten Haut oder einem definierten Körper und schönen Po haben, sondern die sich solche Behandlungen auch ohne Weiteres leisten können. Es hilft dabei, dass wir mit unseren Möglichkeiten hier im Ballungsgebiet Rhein-Neckar aktuell ohne vergleichbare Mitbewerber dastehen. Man muss schon etwas weiter fahren, um etwas Vergleichbares zu finden, und bei der hohen Einwohnerzahl im Einzugsgebiet gibt es dann eben schon einige, die diese vierstelligen Summen für die Erfüllung ihrer Wünsche gerne ausgeben.

DISKURS Dermatologie:

Wie viele Behandlungen dieser Art empfehlen Sie? Und zeigen Sie auch von „normalen“ Patient*innen Vorher-nachher-Bilder auf Instagram oder nur von den kooperierenden Influencer*innen?

S. Giesse:

Um ihre zweite Frage zuerst zu beantworten: einige unserer Patient*innen erlauben uns tatsächlich, die Ergebnisse mit unseren Followern zu teilen. Zur ersten Frage ist es so, dass wir 4-6 Behandlungen empfehlen, danach eine Pause von ca. 6-8 Wochen, und im Anschluss nochmals die gleiche Anzahl an Behandlungen, um die Ergebnisse zu intensivieren. Mit dem Emsculpt können sich die Patient*innen 2x pro Woche behandeln lassen, mit dem Emsculpt Neo 1x pro Woche.

Wir haben allerdings auch Patient*innen, die seit Monaten jede Woche zu uns kommen, gerade aus der Zielgruppe der 40-60-jährigen, beruflich angekommen, die sich das leisten können, aber aufgrund ihres beruflichen Engagements und der Familie zeitlich nicht in der Lage sind, regelmäßig Fitness zu betreiben. Diese kommen lieber 1-2x die Woche für eine halbe Stunde in die Estetic Lounge und lassen das Gerät arbeiten. Und dementsprechend richten wir auch unser Marketing daraufhin aus, wobei wir in diesem Bereich auch durch Mundpropaganda einigen Zulauf haben, denn die Effektivität dieser Behandlungen spricht sich natürlich herum. Die Kunden sehen hinterher nicht aus wie Bodybuilder, haben dafür aber eine sichtbar und spürbar stabilere Muskulatur entwickelt und erreichen damit auch ein deutlich verbessertes Wohlbefinden. Diese Art des Trainings ist gar nicht vergleichbar mit dem in einem Fitnessstudio, mit der Magnetfeldtechnologie erreichen sie 100% der Muskelfasern, die Behandlung ist schmerzfrei und löst keinen Muskelkater aus. Ich könnte mir vorstellen, dass sich auch ein Monatsabo durchsetzen könnte oder ein Body Concept Studio mit diesen Geräten.

DISKURS Dermatologie:

Schlaffe Haut im Allgemeinen und Cellulite im Besonderen sind bei Frauen immer ein Thema. Auch auf Social Media?

S. Giesse:

Für diese Thematik promoten wir die Kombination von Emsculpt Neo – also Muskelaufbau und Fettabbau – mit dem Emtone, der thermische und mechanische Energie verwendet, um Cellulite und schlaffe Haut effektiv zu bekämpfen, wiederum zusammen mit Julia Römmelt. Julia ist ja nicht nur bundesweit bekannt, sondern tatsächlich für uns auch eine „lokale“ Influencerin, denn sie kommt aus Speyer, was nur 30 km von Ludwigshafen entfernt ist. Gerade die authentischen Bilder der angesprochenen Kombibehandlung bei Julia Römmelt haben sehr viel Resonanz erzeugt. Es ist ja auch nicht jede(r) Influencer*in bereit, zum Beispiel den Po zu zeigen.

Und eine Wahrheit gilt auch nach wie vor: je mehr nackte Haut gezeigt wird, umso mehr wird die Seite frequentiert. Das merken wir auch
bei unseren Posts. Posten wir etwas von einem Kongress, auf dem ich bin, dann haben wir so zwischen 2.000 bis 3.000 Aufrufe. Wenn wir Julia Römmelt leicht bekleidet nach einer Behandlung zeigen, haben wir mehr als 40.000 Aufrufe. Und das wirkt sich aus. Derzeit haben wir im Zusammenhang mit der Promotion auch wieder eine besondere Aktion für die Kombibehandlung zu einem reduzierten Sonderpreis und dies alles zusammen führt schon einige neue Patient*innen in unsere Praxis. Diese Behandlungen sind im Prinzip saisonunabhängig, doch natürlich zeigt sich grade jetzt vor der „Bikinisaison“ eine verstärkte Nachfrage.

DISKURS Dermatologie:

Bleiben Sie auf Social Media rein im Beauty-Bereich oder werden auch Themen angesprochen, die etwas weniger plakativ sind?

S. Giesse:

Der Beauty-Bereich steht sicherlich im Vordergrund, aber es gibt auch andere Themen, z.T. auch solche, die immer noch so ein wenig tabuisiert werden. Nehmen Sie das Beispiel Becken- bodenmuskulatur: deren Training ist u.a. wichtig, um Blasenschwäche oder Inkontinenz zu behandeln. Kein leicht verdauliches Thema, obwohl wir mit dem Emsella ein Gerät haben, das diese Region mit hochintensiver elektromagnetischer Energie in nur 30 Minuten trainiert, dabei den unteren Rücken stärkt und nach einer Schwangerschaft den Wiedereinstieg in das Training vereinfacht. Tatsächlich ist ein so intensives Training dieser Region gar nicht anders möglich.

Am Anfang hatten wir folgende Werbeüberlegungen: ich hatte ja noch nebenbei eine Kassenpraxis mit an- gestellten Ärzten, dort haben wir Flyer ausgelegt und ein Roll-Up aufgestellt und haben damit durchaus einige Patient*innen gewonnen. Gerade auch ältere Menschen, die schon konkrete Probleme hatten mit Harn- oder Stressinkontinenz. Wir sprechen auch aktiv Patient*innen in unserer Praxis an. Es ist bei diesem Thema generell sicherlich ein bisschen mehr Aufklärungsarbeit notwendig, es muss

ein intensiveres Marketing betrieben werden. Mittlerweile haben wir auch recht viele homosexuelle Patienten, die diese Behandlung in Anspruch nehmen, das ist inzwischen eine veritable Zielgruppe. Diese Menschen sind aus zweierlei Gründen sehr daran interessiert, dass ihre Beckenbodenmuskulatur gut funktioniert: zum einen verspricht dies dem Sexualpartner mehr Spaß, zum anderen kann damit einer möglichen Stuhlinkontinenz vorgebeugt werden. Der Männeranteil an den Emsella-Behandlungen ist bei uns mittlerweile prozentual im zweistelligen Bereich und viele dieser Patienten sind tatsächlich homosexuell.

DISKURS Dermatologie:

Letzte Frage: Wir haben viel über Resonanz gesprochen. Wie kontrollieren Sie konkret Ihre Marketing- maßnahmen im Social-Media-Bereich und wie stellen Sie sicher, dass Ihre Ziele erreicht werden?

S. Giesse:

Das ist in der Tat ein Riesenthema und ich hatte grade noch an diesem Wochenende eine längere Diskus- sion hierzu mit einem Social Media Marketing-Spezialisten aus Österreich, der auch für andere Unter- nehmen tätig ist. Wir monitoren dies leider noch nicht konkret. Wir arbeiten aber daran, den Besuchern unserer Seiten in Zukunft sehr gezielt Marketingaktionen unserer Behandlungen zu zeigen. Einen Spezialisten dafür einzustellen, wäre sicherlich eine interessante und auch lohnende Investition, aber für eine Einzelpraxis doch sehr kostenintensiv. Die Frage ist außerdem, wie wir hierfür jemanden bekommen, der zu uns passt und unsere Anliegen genau versteht. Das große Plus bei unserem Instagram- Auftritt ist, dass wir, so glaube ich, so natürlich und normal rüberkommen; das soll auch auf jeden Fall so bleiben! Viele unserer Patient*innen kommen zu uns, weil sie sagen: „Ihr seid so sympathisch mit euren Insta Stories“ … das ist etwas, wo wir ein bisschen die Befürchtung haben, dass wir das mit einer Fremdvergabe möglicherweise verlieren könnten. Wir überlegen derzeit intensiv, wie wir das am besten verwirklichen können, vielleicht zunächst einmal als „add on“ mit jemandem, der erstmal trackt, was am besten ankommt, und daraus Ideen entwickelt, was wir noch machen könnten, uns einfach zusätzlichen Input gibt. Sobald wir unsere laufenden Projekte abgeschlossen haben, werden wir uns diesem Thema auf jeden Fall widmen.

Diskurs Dermatologie:

Sehr geehrter Herr Giesse, vielen Dank für das Gespräch! 

Das Interview führte S. Höppner.