Wirksame und sichere Langzeittherapie der Atopischen Dermatitis mit Dupilumab
Waren die Therapiemöglichkeiten zur Behandlung der mittelschweren bis schweren Atopischen Dermatitis (AD) bis vor wenigen Jahren noch sehr begrenzt, so stehen durch ein zunehmend besseres Verständnis der Pathogenese mittlerweile gezielt einsetzbare, hochwirksame Medikamente zur Verfügung. Dennoch besteht eine Diskrepanz zwischen potenziellen Behandlungsoptionen und der Zufriedenheit der Patienten. Trotz valider Effektivitäts- und Sicherheitsdaten, Erstattungsfähigkeit sowie einfacher Handhabung für eine langfristige Krankheitskontrolle im Vergleich zu traditionellen Wirkstoffklassen werden moderne Therapeutika wie das seit vier Jahren zugelassene Biologikum Dupilumab noch relativ selten verordnet.
Es ist Alltag in der Hautarzt-Praxis: Patienten aller Altersgruppen, Kinder etwas häufiger als Jugendliche und Erwachsene, kommen mit stark juckenden, aufgekratzten und z.T. entzündeten Hautarealen zum Dermatologen. Sie sind frustriert und gestresst, leiden wegen oft sichtbarer Läsionen oder starkem Nagelbefall unter Stigmatisierung, Schmerzen, Schlafstörungen, Angst und Depressionen. Nicht selten haben sie gleichzeitig Komorbiditäten wie Asthma oder chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen. Wie man heute weiß, liegt den Symptomen der AD (und assoziierten Komorbiditäten) pathogenetisch eine gesteigerte Typ-2-Immunantwort zugrunde, bei der u.a. eine Überexpression der proinflammatorischen Zytokine IL-4 und IL-13 wie auch eine Hautbarrierestörung vorzufinden sind. [1-5]
Neue Therapieoptionen vs. Versorgungsrealität
Viele Patienten haben aufgrund ihrer mit klassischen Therapeutika behandelten AD oft schon über viele Jahre eine schlechte Lebensqualität, weil nichts wirklich hilft und es vermeintlich immer noch keine Therapien gibt, die sie ihre Hauterkrankung vergessen lassen. Insbesondere bei mittelschwerer oder schwerer Ausprägung sind die Patienten verzweifelt und oft unzufrieden mit ihren Therapieergebnissen. Das betrifft laut Datenlage 2019 aus den AtopicHealth2 Trials* ca. 315.000 Personen in Deutschland, berichtete Dr. med. Natalia Kirsten (Hamburg) bei einer digitalen Pressekonferenz zum Thema. Sie konstatierte gleichzeitig, dass diese Patienten nicht optimal versorgt sind, obwohl es heute sehr gut wirksame und verträgliche systemische Therapiemöglichkeiten z.B. mit Biologika oder seit neuestem auch sog. Janus-Kinase(JAK)-Inhibitoren gebe. Bis jetzt sind es nur ca. 10% der Patienten, die eine leitliniengerechte Therapie verschrieben bekommen, wie sie das aktuelle Stufenschema zur Behandlung von AD-Patienten, die Kandidaten für eine systemische Therapie sind, empfiehlt. Nur rund 10.000 werden mit einem Biologikum wie Dupilumab (0,6% aller verschriebenen Systemtherapeutika) behandelt [6], der andere Teil erhält klassische Systemtherapeutika. Den meisten werden immer noch systemische Glukokortikoide verschrieben, erläuterte die Referentin die aktuelle, unbefriedigende Versorgungssituation.
Gleichwohl sei, nachdem Dupilumab jetzt seit vier Jahren auf dem Markt ist, mittlerweile auch für Jugendliche ab 12 und für Kinder ab 6 Jahren, eine leichte Zunahme der Verordnungshäufigkeit festzustellen [7]und „ich hoffe, dass sich dieser Trend für die modernen Therapeutika, die ja geradezu eine ‘Revolution‘ in der Behandlung der Neurodermitis darstellen, weiter fortsetzen wird“, ergänzte die leitende Oberärztin vom Institut für Versorgungsforschung für Dermatologie und bei Pflegeberufen am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf.
Denn es gibt gute Gründe für diese Hoffnung. Beispielsweise wird es mit der Behandlungsoption Dupilumab möglich, dass sich alle Krankheitszeichen relativ schnell drastisch verbessern und die Betroffenen langfristig die Kontrolle über die Hauterkrankung erlangen − laut der mittels Patient Benefit Index (PBI) erhobenen Daten die vordringlichsten „Patient Needs“. [8]
Gute Evidenz für Dupilumab
Zahlreiche Studien belegen die Wirkungen von Dupilumab im Vergleich zu Placebo, d.h. anhaltendes Ansprechen (über 52 Wochen) mit signifikanter Verbesserung von Hautläsionen, Juckreiz und Lebensqualität. [9-14] Besonders bedeutsam für die Patienten ist, dass die Therapie mit dem Biologikum + TCS zu einer langfristigen Krankheitskontrolle der AD führte. [15] Die Patienten empfanden 46 Wochen pro Jahr (88%) ihre AD durch Dupilumab + TCS als gut kontrolliert (vs. 10 Wochen/Jahr unter Placebo + TCS).
Die positiven Daten aus den randomisierten kontrollierten Studien spiegeln sich auch im klinischen Alltag wider. Eine Interimsanalyse von TREATgermany** zeigte eine signifikante Verbesserung der klinischen Zeichen der Hauterkrankung unter Dupilumab. [16] In der Zusammenfassung aller Endpunkte inkl. der Lebensqualität könne man sagen, dass acht von zehn Patienten, die mit Dupilumab behandelt wurden, im Langzeitverlauf erheblich profitieren, resümierte Kirsten.
Spezifische Hemmung der Signalwege durch duale Rezeptorblockade
Alle positiven Effekte des Biologikums beruhen auf einem innovativen Wirkmechanismus. Dupilumab (Dupixent®) war der erste humane monoklonale Antikörper zur Behandlung der mittelschweren bis schweren AD bei Patienten ab 12 und Patienten mit schwerer AD ab 6 Jahren, die für eine systemische Therapie in Betracht kommen. Die Wirkung beruht auf der dualen Rezeptorblockade der IL-4-Rezeptor-Untereinheit und der damit verbundenen Hemmung der Signalwege von Interleukin(IL)-4 und IL-13. [9,17] Dupilumab setzt damit an der dem AD zugrundeliegenden Typ-2-Inflammation an. Die Hemmung der Signaltransduktion verbessert den Defekt der Hautbarriere [18], vermindert den Juckreiz [10,11,19], reduziert bakterielle sowie nicht-herpetische Hautinfektionen und die Entzündung der Haut [10,18].
Weitere neue Substanzklassen für gezielte Therapien durch Beeinflussung multipler Zytokin-Signalwege drängen inzwischen auf den Markt. „Sie alle werden sich an Dupilumab, das seit 2020 in der aktuellen Leitlinie als Add-on-Therapieoption in der vierten Behandlungsstufe für die AD-Systemtherapie empfohlen wird, messen lassen müssen“, betonte Prof. Andreas Wollenberg, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der LMU München. [22]
Praxiserfahrungen
Die Studienergebnisse haben sich auch in seiner Praxis bestätigt, so
die Erfahrung von Wollenberg. „Es hat sich ja eine Menge getan in dieser kurzen Zeit seit 2017, von sehr wenigen, in der langfristigen Wirksamkeit und Verträglichkeit suboptimalen Optionen bis heute zu Medikamenten, die schon innerhalb kurzer Zeit hochwirksam sind, insbesondere auch bei Patienten mit immunvermittelten entzündlichen Typ-2-Komorbiditäten, und ein hervorragendes Nebenwirkungsprofil haben.“ Hinzu komme, dass Dupilumab unkompliziert in der Anwendung für Arzt und Patienten sei. Es sind vor dem Therapiestart keine Voruntersuchungen und Laborkontrollen erforderlich [9,23], es wird unter Therapie kein Monitoring benötigt. Dieser Vorteil unterscheide Dupilumab von vielen anderen Medikamenten, betonte Wollenberg.
Das über alle Altersgruppen hinweg ermittelte günstige Sicherheitsprofil über drei Jahre wurde noch einmal in einer unverblindeten Verlängerungsstudie bestätigt. [24] Aufgetretene Nebenwirkungen im Rahmen der Studie waren erwartungsgemäß u.a. Reaktionen an der Injektionsstelle, Blepharitis und Konjunktivitis. [10,14,19,25,26]
Die Indikationsstellung für eine systemische Therapie der AD gelingt recht einfach mit einer Checkliste. [vgl. 22] Die Dosierung sei relativ simpel und Interaktionen mit anderen Arzneimitteln nicht zu erwarten [9], erläuterte Wollenberg. Auch Corona-Impfungen, wie andere Impfungen mit inaktivierten oder Totimpfstoffen, seien problemlos mit einer Dupilumab-Gabe zu vereinbaren.
Abrechnungstechnisch wichtig ist, dass Dupilumab bei AD als bundesweite Praxisbesonderheit bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 anerkannt ist. Im Falle einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106b SGB V besteht wirtschaftliche Sicherheit für die Verordnung des Präparates, wenn bei Therapieeinstellung der EASI und/oder DLQI dokumentiert wurde (EASI 50 oder DLQI Verbesserung ≥4 Punkte) und der Patient bis Woche 16 ein adäquates klinisches Ansprechen erreicht. [27]
Fazit
Wenn eine topische Therapie nicht ausreicht, um eine mittelschwere bis schwere AD zu kontrollieren, dann empfiehlt die aktuelle Leitlinie eine Systemtherapie. Aufgrund der Evidenzlage gilt Dupilumab derzeit für Patienten, die eine solche brauchen, als das geeignetste Präparat.
Quelle: Webpressekonferenz „4 Jahre duale Rezeptorblockade mit Dupilumab – mittelschwere bis schwere AD in der Langzeitbehandlung“, 15. Dezember 2021; Veranstalter: Sanofi Genzyme
Literatur beim Verlag
* AtopicHealth: Bundesweite Studienreihe zur Versorgungssituation der Neurodermitis
** TREATgermany ist ein prospektives Krankheitsregister, das erwachsene Patienten mit mittelschwerer bis schwerer AD einschließt