Rheumatologie

Kardiovaskuläre Begleiterkrankungen bei Rheuma

Dank enormer therapeutischer Fortschritte und einer Reihe höchst effektiver Medikamente haben rheumatische Erkrankungen viel von ihrem früheren Stigma verloren. Mit effektiven Treat-to-target-Strategien und konsequentem Monitoring bestehen reelle Chancen, die Krankheitsaktivität zu kontrollieren und die Lebensqualität zu erhalten. „Man sieht den Leuten ihr Rheuma nicht mehr an“, pointierte es die Rheumatologin PD Dr. Anne-Kathrin Tausche von der Universität Dresden bei einer Online-Pressekonferenz anlässlich des 49. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie.

Dennoch darf nicht übersehen werden, dass Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sowohl ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko als auch eine dadurch bedingte erhöhte Mortalität aufweisen. Ursache dafür sind neben den bekannten Risikofaktoren wie Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck auch krankheitsspezifische Faktoren wie ein Lupus erythematodes (SLE), Vaskulitiden oder Gerinnungsstörungen, bedingt durch die entzündliche Aktivität der Grunderkrankung.

Hinzu kommt, dass auch einige der in der Rheumatherapie eingesetzten Medikamente ein erhöhtes Risiko für Herz und Gefäße bergen können, so Tausche. Als Beispiele nannte sie Glukokortikoide, die bei Krankheitsschüben über längere Zeit in erhöhter Dosierung eingesetzt werden, wobei ein Schwellenwert bei etwa 7,5 mg Prednisolonäquivalent liegen könnte. Aber auch eine längerfristige Anwendung von NSAR oder auch von neueren Substanzen wie Tofacitinib kann in bestimmten Fällen ein ungünstiges Risiko-Nutzen-Profil aufweisen.

Diesem Problem stellt sich die Rheumatologie nun durch die bevorstehende Publikation einer Neufassung der erstmals 2010 entwickelten und 2015 erweiterten EULAR-Empfehlungen zum kardiovaskulären Risikomanagement bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Darin ist zum Beispiel als neuer Punkt die Beteiligung der Rheumatologen an der Diagnostik und Behandlung kardiovaskulärer Risiken vorgesehen.

„Wichtig ist es, dass wir Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen identifizieren, die ein erhöhtes Risiko haben“, erklärte Tausche. Dazu zählen etwa Patienten mit langer Krankheitsdauer oder vielen entzündlichen Schüben etwa mit Gicht oder SLE. Auch sollte das kardiovaskuläre (CV) Risiko mithilfe eines Scores wie des – für rheumatische und muskuloskelettale Erkrankungen (RMD) allerdings noch nicht validierten – ESC-Scores quantifiziert werden. Ebenfalls Hinweise auf CV-Risiken können Alter, Geschlecht und Ethnizität als demografische Faktoren aber auch Krankheitsmerkmale wie Antiphospholipid-Antikörper bei SLE-Patienten sowie polyartikuläre Manifestationen bei Psoriasisarthritis oder Gicht liefern.

Um dieser Herausforderung zu begegnen, hält die Rheumatologin auch die Einbeziehung von Daten aus Kohortenstudien für erforderlich, zumal die Ermittlung des CV-Risikos mittels kontrollierter Studien wegen der Seltenheit, Heterogenität und individueller Faktoren bei Patienten mit RMDs erschwert ist. Um das CV- Risiko künftig verstärkt in den Fokus zu nehmen, sei somit letztlich eine breite Initiative aller an der Behandlung von RMD Beteiligten einschließlich der Patienten anzustreben, so das Fazit der Referentin.

Quelle: Online-Pressekonferenz anlässlich des 49. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 16. September 2021