Rationale und rationelle Diagnostik bei juveniler idiopathischer Arthritis
Dr. A. Häckel
Bildgebung beeinflusst die Prognose des Krankheitsverlaufs
Bildgebung hat einen festen Stellenwert bei der Diagnostik und Verlaufsbeobachtung der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA). Sie bestätigt die Diagnose von Arthritis, Tendovaginitis und Enthesitis und kann die Sehnenbeteiligung bei der JIA objektiv darstellen. Sie eignet sich im Krankheitsverlauf auch zur Kontrolle des Therapieansprechens sowie der Beurteilung von Remissionen, so Privatdozent Dr. Daniel Windschall, St. Josef-Stift Sendenhorst. Das führt zu mehr Sicherheit, mehr Details und einer besseren Vorhersage des Krankheitsverlaufs.
Läsionen von Knochen und Knorpel lassen sich mit hochauflösendem Ultraschall (US) gut und früh darstellen und Punktionen optimal platzieren. Auch die Unterscheidung zwischen Erguss und echoarmem Knorpel ist damit möglich. Insbesondere im Bereich der peripheren Gelenke lassen sich mit US auch oberflächliche knöcherne Veränderungen wie Erosionen oder Osteophyten gut erkennen, so Windschall.
Bestimmte Bereiche wie Ileosakralgelenke (ISG), Kiefergelenke
und Wirbelsäule sind dagegen die Domäne der Magnetresonanztomographie (MRT), da hier eine multiplanare Darstellung erforderlich ist. Synoviale Hyperplasie, Ergüsse, Hypervaskularisation oder Knorpel- und Knochenbeteiligung sowie Knochenödeme lassen sich in diesen Regionen nur im MRT sicher nachweisen und differenzialdiagnostisch abgrenzen.
Das Röntgen bei JIA dient nach wie vor der initialen differenzialdiagnostischen Bestätigung von Knochenläsionen und Traumata, kommt hierbei aber vor allem in späteren Stadien zur Anwendung.
Im zeitlichen Verlauf bei früher Synovialitis mit Erguss, synovialer Hyperplasie, Hypervaskularisation und Knochenödem werden also vor allem MRT und Sonographie eingesetzt, bei sekundären Schäden und Läsionen kommt Röntgen hinzu und lässt sich dann mit den anderen beiden Verfahren gut kombinieren. Vorteil des Röntgen sind gute Verfügbarkeit sowie geringe Kosten, nachteilig wirkt sich – vor allem bei kleinen Kindern – die damit verbundene Strahlenbelastung aus.
Bereits eine EULAR-PReS-Empfehlung [1] von 2015 hebt hervor, dass Bildgebung mit US und MRT sensitiver als klinische Diagnostik sind und sich neben der Steuerung der Gelenkpunktion zur gelenkabhängigen Bildgebung im Verlauf sowie zur Beurteilung einer Remission eignen. Das bestätigte sich für MRT und US auch in drei aktuellen Untersuchungen.
Eine aktuelle Studie zur US-Bildgebung bei 88 Patient*innen mit einer Remission einer JIA ergab, dass im Follow-up nach vier Jahren bei 75% der Patient*innen, bei denen initial eine subklinische Synovialitis im US nachgewiesen worden war, das Risiko für einen Krankheitsschub signifikant erhöht war [2] (OR=3,8). Bestätigt hat dies eine Studie [3] bei 135 JIA-Patient*innen in klinischer Remission. Initial fand sich hier zu 23,7% eine subklinische Synovialitis und zu 14,8% eine subklinische Tenosynovitis. Bei Nachbeobachtung nach drei Jahren hatten 45 Patient*innen (33,3%) einen Schub. Als stärkster Prädiktor für einen Schub (OR=4,8) erwies sich dabei ein initial positiver Befund (Hypervaskularisation im Bereich der Sehnenscheiden) im Powerdoppler-US.
Auch für den Nutzen eines initialen MRT liegt eine entsprechende Untersuchung vor. Von 90 JIA-Patient*innen in klinischer Remission hatten initial 65,5% eine subklinische Aktivität und 46,7% ein Knochenödem. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 47 Monaten entwickelten 63,3% einen Krankheitsschub, dabei erwies sich eine subklinische Synovialitis als stärkster Prädiktor (OR=2,45). Fallstricke der Diagnostik vor allem subklinischer JIA-Pathologien lauern laut Windschall allerdings bei der Fehleinschätzung grenzwertiger Normalbefunde.
Rationale Labordiagnostik – weniger ist oft mehr
Die Labordiagnostik rheumatischer Erkrankungen erfordert besonders bei Blutabnahmen eine sorgfältige Nutzen/Risikoabwägung. Sie dient der ätiopathogenetischen Zuordnung, der Bestimmung der Krankheitsaktivität sowie der Verlaufsbeurteilung unter Therapie. Initial geht es um die Erfassung differenzialdiagnostischer Marker, von Surrogatmarkern oder mechanistischen Markern der Krankheits aktivität, zur Verlaufsbeobachtung unter Therapie sowie zur Erfassung von Organmanifestationen und der Kontrolle von Nebenwirkungen. Viele Parameter sind jedoch überflüssig und tragen eher zur Verwirrung bei, so Prof. Dr. Dirk Föll, Universitäts klinik Münster.
Schon einfache Bestimmungen der BSG, des Blutbildes und der Leberwerte können in allen Krankheitsphasen sinnvoll und ausreichend sein. Spezifischere Bestimmungen wie Autoantikörper sind dagegen bei Kindern oft unnötig. „Wenn wir keine Klinik haben, die es sinnvoll erscheinen lässt, Autoantikörper zu bestimmen, sollte man sie auch nicht bestimmen“, so Föll. Dies sei speziell in der pädiatrischen Rheumatologie einer der am stärksten überschätzten Tests.
Innovative, teils noch experimentelle Ansätze für die klinische Praxis sieht Föll in dem Nachweis von Serum-Calprotectin (auch S100A8/A9 oder MRP8/14), Interleukin 18 (IL18) sowie von IFNSignaturen. So konnte bei Patient*innen mit Fieber unklarer Genese durch kombinierten Nachweis von S110 und IL18 die Diagnose systemische JIA (SJIA) retrospektiv bestätigt werden [4]: War mindestens einer der beiden Faktoren positiv, hatte dies eine Sensitivität für eine SJIA von 92%, waren beide negativ, war der Ausschluss einer systemischen JIA zu 97% spezifisch.
Derzeit noch – wegen fehlender Standardisierung des Nachweises
– experimentell ist der Nachweis von IL18, IFNgamma sowie der Chemokine CXCL9/10. Sie könnten künftig jedoch beim Nachweis von MakrophagenAktivierungssyndrom und sekundärer HLH (Hämophagozytische Lymphohistiozytose) nützlich sein. Auch bei Interferon Signaturen, also dem Nachweis von Typ 1-IFN-induzierten Genprodukten, verhindert die fehlende Vergleichbarkeit unterschiedlicher Nachweismethoden bislang noch den vielversprechenden klinischen Einsatz zur Einstufung der Krankheitsaktivität von Dermatomyositiden, SLE oder Interferonopathien.
Labordiagnostik dient jedoch auch dem Monitoring möglicher Nebenwirkungen der Therapie, erläuterte Föll am Beispiel MTX. Informationen zu deren Einsatz bieten neben den jeweiligen Fachinformationen auch die Aufklärungsbögen der DGRh und der GKJR (Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie).
Quelle: Deutscher Rheumatologiekongress 2022, Sitzung 41: „Rationale und rationelle Diagnostik“, 5. September 2022
Literatur
- Colebatch-Bourn et al., Ann Rheum Dis 2015;74:1946-1957
- De Lucia et al., Ann Rheum Dis 2018;77:1426- 1431
- Mazzoni et al., Ann Rheum Dis 2012;80:97
- Park et al., Rheumatology 2022;61:3082-3092