Atopische Dermatitis

Antientzündliche Systemtherapie reduziert den Juckreiz bei atopischer Dermatitis

Nachdem es lange Zeit nur wenige Fortschritte für Juckreiz-geplagte Patienten mit atopischer Dermatitis (AD) gab, wurden im Rahmen der dermapraxis berlin 2021 gleich mehrere innovative therapeutische Optionen vorgestellt, die das Potenzial haben, die Versorgungssituation von Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Ausprägung dieser Erkrankung deutlich zu verbessern. Einen der neuen Wirkstoffe beleuchtete Prof. Dr. Stefan Beissert vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden.

Die Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung neuer Medikamente für chronisch-entzündliche dermatologische Erkrankungen sind „vielversprechend und ermutigend“, so das einhellige Resümee aller Referenten. Dabei dominieren zwei Medikamentenklassen mit besonderem Benefit für die Patienten: Biologika und JAK-Inhibitoren, so Beissert. Innerhalb kurzer Zeit wurden drei neue Präparate zugelassen, zwei davon für die Neurodermitis, weitere befinden sich in der Pipeline. In seinem Vortrag zum Thema „Neurodermitis – innovativ therapiert mit Tralokinumab“ erläuterte Beissert, was vor der Therapie zu beachten ist und wie Patienten mit AD von diesem Wirkstoff profitieren.

Individuell behandeln

Tralokinumab ist zugelassen bei mittelschwerer bis schwerer AD bei Erwachsenen. Die Therapieentscheidung für das eine oder andere Präparat ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Das Alter des Patienten, die Genetik und sein Lebensumfeld spielen z.B. eine Rolle für die individuelle Krankheitsentwicklung. Kommen mehrere Faktoren zusammen, erhöht sich das Risiko einer mittelschweren oder schweren Verlaufsform. Auch Komorbiditäten wie allergische Rhinitis oder Asthma müssen bei der Therapiestrategie mit ins Kalkül gezogen werden.

Hilfreich für die Indikationsstellung zur antientzündlichen Systemtherapie der Neurodermitis bei Erwachsenen ist die Checkliste der aktuellen Leitlinie, nach der Patienten >18 Jahre mit klinisch gesicherter AD, EASI >15, SCORAD >40, hoher subjektiver Belastung (DLQI) und einem Pruritus-Wert über 6 infrage kommen. [1]

Der Traum von besserer Lebensqualität

Eine wesentliche Rolle spielen auch der Leidensdruck und die Erwartungen des Patienten. In einer Erhebung aus dem Jahr 2020 [2] ist der größte Wunsch für knapp 97% der Befragten, den Juckreiz loszuwerden, sich nicht mehr kratzen zu müssen, bis es weh tut. Sie träumen von einer guten Lebensqualität ohne Hauterkrankung. Fast 89% sehnen sich nach einer schnellen Verbesserung der Haut. Weniger Schmerzen, ein normales Alltagsleben, besser zu schlafen, weniger Arzt- und Klinikbesuche folgen auf diesem „Wunschzettel“.

In diesem Kontext hob Beissert als großen Fortschritt hervor, dass mit den modernen Therapien das Kardinalsymptom der AD, der Juckreiz, deutlich reduziert werden kann. Mit dem gezielten Eingriff in den Pathomechanismus der Th2-vermittelten Erkrankung werde nicht nur das quälende Jucken bekämpft. Auch alle damit einher gehenden Folgen wie die psychische Belastung, Schlafstörungen und Leistungsabfall belasten den Patienten weniger.

Neuer Wirkstoff adressiert das entscheidende Zielmolekül

Pathogenetisch hauptverantwortlich für die typischen Manifestationen der AD und einer der Treiber inflammatorischer Prozesse ist das bei Atopikern vermehrt exprimierte Schlüsselzytokin Interleukin IL-13. Tralokinumab als eine der neuen, in diesem Jahr von der Europäischen Kommission zugelassenen Therapieoptionen, ist ein elektiv immunmodulierender Antikörper, der mit hoher Affinität spezifisch an  IL-13 bindet, den IL-13-Rα1-Rezeptor blockiert und so die entscheidende Signalkaskade unterbricht.

Die Zulassung beruht auf drei klinischen Phase III-Studien (ECZTRA 1, 2 und 3), in denen die Wirksamkeit und Krankheitskontrolle mit Tralokinumab bzgl. IGA 0/1 und EASI 75 sowohl in der Monotherapie als auch in Kombination mit topischen Kortikosteroiden (TCS) bei guter Verträglichkeit in Woche 16 belegt werden konnten. Die Tralokinumab- Monotherapie war Placebo überlegen und wurde über 52 Behandlungswochen hinweg gut vertragen. [3]

In der 32-wöchigen Studie ECZTRA 3 wurde Tralokinumab in Kombination mit topischen Kortikosteroiden untersucht. Tralokinumab 300 mg in Kombination mit TCS nach Bedarf war bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer AD wirksam und ebenfalls gut verträglich. [4]

Als besonders bemerkenswert erwähnte Beissert die noch laufende ECZTEND-Studie [5], eine Long- Term Extension Study (bis zu 268 Wochen), in der die Dauerhaftigkeit des Ansprechens bei Patienten mit atopischer Dermatitis, die an früheren Studien zur Monotherapie mit Tralokinumab (ECZTRA 1−8 & TraSki) teilgenommen haben und die nach einem Jahr Therapie gut abgeschnitten haben, geprüft werden soll. Die Zwischenergebnisse zur Wirksamkeit in Woche 56 basierten auf dem Investigator‘s Global Assessment Score für klare oder fast klare Haut (IGA 0/1) und mindestens eine 75%ige Verbesserung des Ekzembereichs- und Schweregrad-Index- Scores (EASI-75).

Diese Zwischenanalyse zeigte, dass Tralokinumab 300 mg alle zwei Wochen plus optional TCS langfristige Verbesserungen bei Juckreiz, Schlaf sowie Manifestationen der atopischen Dermatitis zeigte.
In der zweijährigen Kohorte von Patienten, die in ECZTRA 1 und 2 eine 52-wöchige Behandlung mit Tralokinumab und in ECZTEND nach mindestens 56 Wochen abgeschlossen hatten, betrugen die beobachteten EASI-Ansprechraten 93,8% (EASI- 50), 82,5% (EASI-75) und 59,8% (EASI-90) mit anhaltender Wirksamkeit nach zweijähriger Behandlung. Unerwünschte Wirkungen waren bei den meisten Patienten nur gering ausgeprägt, auch die Inzidenzraten mit Konjunktivitis waren sehr niedrig.

Es sei „eine sehr gute therapeutische Leistung, wenn man solche wie in Ecztend erreichten Werte über lange Zeit erhalten und damit den Patienten zu einer deutlich besseren Lebensqualität verhelfen kann“, so das Fazit von Beissert.

Quelle: Vortrag „Neurodermitis – innovativ therapiert mit Tralokinumab“ von Prof. Dr. Stefan Beissert bei einem Symposium im Rahmen der dermapraxis berlin, 17. September 2021

Literatur

1. www.awmf.org oder www.arzneimittelleitfaden.de
2. Augustin M et al. JEADV 2020;34:142−152
3. Wollenberg A Br J Dermatol 2021 Mar; 184(3):437−449
4. Silverberg J I et al. Br J Dermatol 2021 Mar;184(3):450-463
5. Blauvelt A et al. American Academy of Dermatology Association Virtual Meeting Experience (AAD VMX); April 23-25, 2021.