Rheumatologie

Ungeklärtes Fieber bei Kindern – wann Rheuma dahinterstecken kann

Emma kommt nach unkomplizierter Schwangerschaft und Geburt in einer regionalen Geburtsklinik zur Welt. Wenige Tage nach der Geburt entwickelt sie hohes Fieber und einen Hautausschlag mit stark entzündeten Hautarealen am ganzen Körper. Die hinzugerufenen Kinderärzte behandeln das Neugeborene sofort mit Antibiotika, da sie eine bakterielle Infektion vermuten. Doch die Therapie schlägt nicht an. Daraufhin verlegen die Ärzte das Mädchen mit der Vermutung einer nicht infektiösen Erkrankung in die Universitätsklinik, wo sich der Verdacht bestätigt: Die Ursache von Emmas Fieber und überschießender Entzündungsreaktion war offenbar keine Infektion, sondern eine Fehlsteuerung des angeborenen Immunsystems.

Ein genetischer Test belegt, dass das Mädchen an einer sogenannten inflammatorischen Multisystemerkrankung leidet, dem sogenannten Cryopyrin-assoziierten periodischen Syndrom (CAPS). Diese Erkrankung bedeutet, dass neben dem hohen Fieber viele ihrer Organe von Entzündungen betroffen sind (oder sein werden), die zu erheblichen bleibenden Schäden führen können. Wirksame Therapien für CAPS-Patienten gibt es erst seit gut zehn Jahren. Zuvor hatten betroffene Kinder eine Lebenserwartung von weit weniger als 20 Jahren. Durch die frühe Diagnose und den rechtzeitigen Beginn einer spezifischen Therapie schon im Neugeborenenalter kann Emma nun vor diesem Schicksal bewahrt werden und gesund aufwachsen.

CAPS gehört zu den sehr seltenen Erkrankungen (“orphan diseases“), das Syndrom tritt nur einmal unter einer Million Menschen auf. Autoinflammatorische Erkrankungen gehören in der Kinderrheumatologie ins Spektrum der sogenannten Systemerkrankungen. Darunter versteht man eine Gruppe von erblichen und nicht erblichen Erkrankungen des angeborenen Immunsystems, gekennzeichnet durch wiederkehrende Entzündungen, die – scheinbar grundlos – in regelmäßigen oder unregelmäßigen Zeitabständen mit Manifestationen an Haut, Schleimhäuten, Gelenken, Knochen, Magen-Darm-Trakt, aber auch Gefäßen und Zentralnervensystem (ZNS) auftreten. Ablagerung von Entzündungsproteinen (Amyloidose) und andere mögliche schwere langfristige Komplikationen sind von Bedeutung für die Prognose.

Fortschritte in der Genetik und Molekularbiologie haben das Verständnis der Pathogenese dieser Erkrankungen verbessert. Unterschiedliche Entzündungswege, die Botenstoffe des Immunsystems wie Interleukin-1, Interferon, NF-kappa-B einbeziehen, sind betroffen. Wenngleich die genetische Analyse dieser oft monogenen Krankheiten in der Regel die Diagnose liefert, sind Kenntnisse klinischer Merkmale und Unterschiede der autoinflammatorischen Erkrankungen für eine gezielte genetische Diagnostik und zur rechtzeitigen Indikation einer notwendigen Therapie unverändert essenziell.

Die überwiegende Mehrheit dieser Erkrankungen basiert auf einer Aktivierung des Interleukin-1-Wegs, wodurch die medikamentöse IL-1- Inhibition sich als eine therapeutische Option anbietet. Charakteristische Autoantikörper oder autoantigenspezifische T-Zellen werden hier nicht nachgewiesen. Andere Krankheiten dieses Formenkreises sind eher durch eine granulomatöse Entzündung oder pustulöse oder psoriasiforme Hauterscheinungen gekennzeichnet.

Erst vor wenigen Jahren beschriebene, “neuere“ autoinflammatorische Erkrankungen sind zum Beispiel Typ-1-Interferon-getrieben und zeigen zum Teil auch sogenannte Autoantikörper. Dazu gehört die Gruppe der sogenannten Interferonopathien, darunter auch das seltene Aicardi- Goutières-Syndrom (AGS). Die genetischen Ursachen von AGS verursachen verschiedene enzymatische Aktivitäten im intrazellulären DNA- und RNA-Metabolismus. Die resultierende Anhäufung von zytosolischen Nukleotiden führt zu Zellstress und löst eine Typ-I-Interferon- Produktion aus. Die Heraufregulierung des Interferon-Signalwegs in verschiedenen Organen ordnet die Erkrankung in die Interferonopathien ein. Ursächlich sind Mutationen in sieben verschiedenen Genen. Eine spezifische Therapie gibt es nicht, möglicherweise sind Janus-Kinase-Inhibitoren wie Tofacitinib, Ruxolitinib und Baricitinib sinnvolle Ansätze.

Diese seltenen autoinflammatorischen Erkrankungen gehören ebenso in das breite Spektrum der Kinderrheumatologie wie die sehr viel häufigere juvenile idiopathische Arthritis (JIA), die eine der relevantesten chronischen Krankheiten des Kindes- und Jugendalters darstellt und durch eine chronische Arthritis (Dauer mindestens sechs Wochen) mit Krankheitsbeginn vor dem 16. Lebensjahr und den Ausschluss anderer Erkrankungen charakterisiert ist. Die Häufigkeit der Krankheit im Kindesalter wird mit 1:1.000 Kindern angegeben. Berücksichtigt man nur das Symptom “Arthritis“, sind es bis zu vier betroffene Kinder auf 1.000. Insgesamt geht man von etwa 1.200 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland aus.

Durch die Entzündung der Gelenkinnenhaut (Synovia) eines oder mehrerer Gelenke, zum Teil auch der umgebenden Strukturen, kommt es zunächst zur Bewegungseinschränkung; bei Persistenz der Erkrankung und ohne Therapie zur Knorpel- und Knochenerosion. Relevante Spätfolgen können Behinderung bis hin zur Rollstuhlpflichtigkeit, regionale Wachstumsstörungen, aber auch eine allgemeine Wachstums- und Entwicklungsbeeinträchtigung sein. Auch eine Beteiligung außerhalb des Bewegungsapparats ist nicht selten und kann zu Organschäden führen, zum Beispiel an Herz, Leber oder Augen mit Sehstörung bis zur Erblindung.

Ein tödlicher Ausgang ist bei adäquater Therapie heute extrem selten. Im Gegenteil: Anders als viele rheumatische Erkrankungen des Erwachsenenalters lässt sich Rheuma bei Kindern sehr gut behandeln. Bei der häufigsten Form, die vor allem kleine Mädchen (mittleres Erkrankungsalter zwei Jahre) betrifft, weiß man, dass mindestens die Hälfte der Kinder mit Erreichen der Pubertät keine Krankheitszeichen mehr aufweist, ohne dass zu diesem Zeitpunkt noch eine Therapie notwendig wäre. Davor allerdings muss die Krankheit sehr intensiv behandelt werden, um am wachsenden Skelett bleibende Schäden zu verhindern. Bei diesen Kindern ist insbesondere auch auf eine Beteiligung der Augen zu achten, was sich am Anfang ohne Symptome äußert, aber bei zu später Diagnosestellung bis zur Erblindung führen kann.