Rheumatischer Formenkreis

Interstitiellen Lungenerkrankungen bei Rheuma auf der Spur

Interstitielle Lungenerkrankungen umfassen eine große heterogene Gruppe von Krankheitsbildern, die mit rheumatischen Grunderkrankungen wie rheumatoider Arthritis oder systemischer Sklerose assoziiert sein können. Anlässlich des 48. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) sprachen Experten über Screening, Diagnostik und neue Therapieoptionen. Ein besonderes Augenmerk galt dabei den chronisch progredient fibrosierenden Formen wie der CTD-ILD (connective tissue disease associated interstitial lung disease).

Wenn die Lunge klingt wie ein Klettverschluss kann dies auf eine interstitielle Lungenerkrankung (ILD) bzw. Lungenfibrose hinweisen. Das charakteristische Knisterrasseln trete als Frühsymptom der ILDs bei der Auskultation meist beidseits basal in Form eines feinblasigen Rasselgeräusches auf, erklärte Prof. Antje Prasse, Klinik für Pneumologie, Medizinische Hochschule Hannover. Als typische Beschwerden bei ILD nannte sie Reizhusten, Luftnot bei körperlicher Belastung sowie Leistungsminderung. Ein „hervorragendes Screeningtool“ für ILD sei das hochauflösende CT (High- resolution computed tomography; HRCT), denn in der Bildgebung sind Veränderungen wie z.B. Milchglasverschattungen frühzeitig sichtbar. „Ein HRCT sollte immer durchgeführt werden, wenn ein Verdacht auf ILD vorliegt“, betonte Prasse. Die Lungenfunktion sei hingegen kein gutes Screeningtool: „Eine normale Lungenfunktion schließt eine klinisch relevante ILD nicht aus“, so Prasse. So könnten normale FVCWerte vorliegen, obwohl bereits ein erhebliches Ausmaß an Fibrose besteht. Der Schwellenwert von FVC < 80% allein sei daher nicht verwendbar, um auf eine ILD zu schließen. Im Rahmen der weiterführenden Diagnostik kommen Biopsie und Bronchoalveoläre Lavage (BAL) in Betracht. Eine neue hilfreiche Technologie sei hier die Gewinnung von großen, gut beurteilbaren Proben mittels einer Kryosonde.

Zeigen sich charakteristische Muster im HRCT, könne in der Regel auf eine Biopsie verzichtet werden: So z.B. das durch Honigwabenzysten gekennzeichnete Muster einer UIP (Usual Interstitial Pneumonitis) sowie das seltenere Muster einer Pleuroparenchymalen Fibroelastose (PPFE), bei dem Verdichtungen ausgehend von der Pleura straßenartig ins Parenchym ziehen.

CTD-ILD bei rheumatischen Grunderkrankungen

Zu den ILD zählen u.a. die idiopathischen interstitiellen Pneumonien (IIP) sowie die ILD bekannter Ursache wie die Kollagenose-assoziierte ILD (CTDILD). Eine Hauptgruppe bilden die chronisch-fibrosierenden Formen mit der idiopathisch pulmonalen Fibrose (IPF; UIP-Muster) und der nicht-spezifischen interstitiellen Pneumonie (NSIP), erklärte Prof. Andreas Krause, Rheumatologie und klinische Immunologie, Immanuel Krankenhaus Berlin. Während das Schädigungsmuster einer UIP im HRCT meist viel Fibrose und wenig Entzündung aufweist, zeigten sich bei der NSIP meist mehr Entzündungszeichen. Bei verschiedenen rheumatischen Grunderkrankungen müsse man mit CTD-ILD rechnen: bei rheumatoider Arthritis (RA), systemischer Sklerose, Sjögren-Syndrom, Myositiden und Vaskulitiden.

Häufige Todesursache bei RA-Patienten

Bei etwa 60% der Patienten mit RA finde man im HRCT Hinweise auf eine ILD, die noch nicht klinisch relevant sein müssen, erklärte Krause. Etwa 10% entwickelten eine symptomatische Form der ILD, die zu Mor bidität und Mortalität beitrage. Die Schädigungsmuster sind meist vom UIP-Typ. Dabei sei die CTD-ILD eine der drei häufigsten Todesursachen bei Patienten mit RA. Betroffene sind meist Männer, Raucher und fast ausschließlich seropositive RA-Patienten (Rheumafaktor+, Citrullin-AK+). Auch Patienten mit systemischerSklerose weisen häufig eine Lungenbeteiligung auf – hier überwiegt das Schädigungsmuster einer fibrosierenden NSIP; als Risikofaktoren gelten Scl-70-Antikörper. Bei den Myositiden (NSIP-Muster) sind Patienten mit Anti-Synthetase-Syndrom fast regelhaft im Bereich der Lunge betroffen, so der Rheumatologe.

„Die ILD gehört zu den Frühmanifestationen der RA“, so Krause. Bereits ein Drittel der Fälle treten im Jahr vor oder nach der RA-Diagnose auf und immer wieder zeigten Patienten Erstmanifestationen im Bereich der Lunge. Änliches gelte für die systemische Sklerose – auch hier könne oft schon bei der Diagnosestellung die ILD nachgewiesen werden. „Den klinischen Verlauf der ILD können wir nicht vorhersagen“, sagte Krause. So könne die ILD der rheumatologischen Manifestation vorausgehen oder sogar einzige Manifestation bleiben (z.B. bei Antisynthetase- Syndromen), manchmal finde man auch nur Hinweise auf eine immunologische zugrundeliegende Erkrankung (interstitial pneumonia with autoimmune features; IPAF). „Ein erheblicher Teil der CTD-ILDs nimmt einen progredientfibrosierenden Verlauf, der ein wesentlicher Mortalitätsfaktor ist“. Wie bei der IPF seien Exazerbationen mit hoher Mortalität möglich. Dies gelte es schnell zu erkennen und gemeinsam mit den pneumologischen Kollegen zu behandeln. „Bei Erstdiagnose einer ILD ist eine breite rheumatologischimmunologische Abklärung erforderlich“, unterstrich Krause. Umgekehrt sollte bei Diagnose und im Verlauf entzündlich-rheumatischer Erkrankungen auf Symptome einer CTD-ILD geachtet werden.

Hinweise auf Lungenbeteiligung

Als diagnostische Methoden zur Erfassung einer CTD-ILD nannte Krause: Anamnese (Dyspnoe, Husten), Auskultation (Sklerophonie), Lungenfunktion (vor allem Verlauf), HRCT ohne KM (immer bei SSc und bestimmten Myositiden; sonst bei Hinweisen auf ILD), 6-Minuten-Gehtest (unter Belastung), Bronchoskopie, BAL, Biopsie (Infektion, Blutung, DD). Auch Biomarker können bei rheumatischen Grunderkrankungen auf eine Lungenbeteiligung hinweisen (z.B. ACPA bei RA, Scl-70 bei SSc). Als vielversprechende Marker für das Vorliegen einer RA-ILD könnten künftig die MUC-5B-Mutation (Hinweis auf UIP) sowie der Serummarker KL-6 dienen.

Krause nannte ungünstige Faktoren für den Progress bzw. die Prognose der CTD-ILD: forcierte Vitalkapazität (FVC) initial <75 oder Kohlenmonoxid-Diffusionskapazität (DLCO) <55/35%, Alter >65, männliches Geschlecht, UIP-Muster, Abfall der FVC < 10% oder DLCO > 15% in 6 Monaten oder mehrfacher Abfall der DLCO um >5%, im HRCT >20% der Lunge betroffen bzw. Zunahme im Verlauf. Verlaufsbeobachtungen von Patienten mit SSc-ILD zeigten, dass die Ausdehnung der ILD eng mit der Verschlechterung der Prognose verknüpft sei. „Schreitet die Sklerodermie fort, dann auch die Lungenerkrankung und die Mortalität steigt“, erklärte Krause. Hier gelte es therapeutisch einzuschreiten.

 

Abb. 1: Vorschlag zum Therapiealgorithmus bei SSc.
HR-CT = High-resolution Computertomografie, FVC = forcierte Vitalkapazität

Antifibrotische Therapie der CTD-ILD

Basis der Therapie sei die korrekte Diagnose und optimale Behandlung der rheumatischen Grunderkrankung: „Solange man die entzündliche Erkrankung bzw. die Kollagenose nicht im Griff hat, muss man immer davon ausgehen, dass auch die Lunge geschädigt wird“, erklärte Prof. Ulf Müller-Ladner, Rheumatologie und klinische Immunologie, Justus-Liebig- Universität, Bad Nauheim. Grundstrategie der Therapie sei bisher oft die Immunsuppression – so z.B. bei SSc- Patienten. Hier kam bislang nahezu alles zum Einsatz, was verfügbar ist: Steroide, Cyclophosphamid, Methotrexat (MTX), Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil (MMF), Rituximab, Bosentan, Sidenafil. Wann bzw. ob mit einer Therapie bei SSc begonnen werden sollte, kann sich nach dem Ausmaß der Lungenfibrose im HRCT und der Beeinträchtigung der Lungenfunktion richten (s. Abb. 1).

Doch existiert keine Therapie, die direkt auf die Fibrose wirkt? Eine begrenzte Fibrosehemmung konnte bisher mit dem Immunmodulator Pirfenidon erreicht werden, erklärte Müller-Ladner. Das ‘small molecule‘ ist bei mittelschwerer IPF zugelassen, allerdings nicht für Kollagenosen wie SSc-ILD. Einen Durchbruch brachte die antifibrotische Therapie mit dem niedermolekularen Tyrosinkinase- Inhibitor (TKI) Nintedanib, so der Rheumatologe. In der placebokontrollierten INBUILD-Studie mit 663 Patienten [1] wurde Nintedanib in einer Subanalyse bei 170 Patienten mit ILD bei rheumatischer Grunderkrankung untersucht (89 mit RA-ILD, 39 mit SSc-ILD), die von dem TKI profitierten. Der jährliche Verlust an Lungenfunktion wurde in der Studie signifikant um 58% im Vergleich zu Placebo gebremst. „Das neue Antifibrotikum hat bei entzündlich- rheumatischen Erkrankung bzw. Kollagenosen eine Verringerung des Lungenfunktionsverlustes gezeigt – das hatten wir vorher noch nicht“, kommentierte Müller-Ladner. Sind Kollagenose oder entzündlich rheumatische Erkrankungen im Spiel, sollte die Therapie immer von einer adäquaten Immunsuppression begleitet sein, betonte er. Von den zugelassenen Medikamenten für die Lungenfibrose reduziere v.a. Nintedanib akute Exazerbationen und die Mortalität – bei sichtbarem, aber kalkulierbarem Nebenwirkungsspektrum. Nikotinverzicht und

Impfungen (z.B. Influenza, Pneumokokken) seien weiterhin essenziell in der multimodalen Therapie.

Quelle: Virtuelle Vorträge „Rheuma und Lunge” im Rahmen des 48. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 12. September 2020

Literatur

  1. Flaherty KR et al. N Engl J Med 2019;381(18):1718–27.
  2. Grund D, Siegert E. Internist 2018;59:911-920

 

S. Pickl